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Neues deutsches Kino

Gangsterfilm

von Thomas Arslan



Bewertung:    



Fortsetzungen sind nicht nur in Hollywood, wo die großen Studios aus rein ökonomischen Gründen auf Bewährtes setzen, ein Trend. Inzwischen knüpfen auch immer mehr deutsche Regisseure an ihre früheren Werke an. In diesen Fällen mag Nostalgie eine Rolle spielen, aber augenscheinlich eher der Wunsch nach Selbstvergewisserung darüber, dass ihnen zu der Geschichte aus einer zurückliegenden Lebensphase noch eine attraktive Anknüpfung gelingt. Chris Kraus hat in 15 Jahre (2023) das Schicksal seiner straffälligen, aggressiven Pianistin aus Vier Minuten von 2006 weitergesponnen. Demnächst kommt mit Muxmäuschenstill X nach 20 Jahren eine Fortsetzung über den querulantischen, ebenfalls zu aggressiven Übersprungshandlungen neigenden Herrn Mux in die Kinos. Gemessen an diesen überreizten Charakteren ist ausgerechnet der Einbrecher in Thomas Arslans neuem Krimi Verbrannte Erde noch die introvertierteste Figur, die rund 13 Jahre nach dem Vorgängerfilm Im Schatten wieder kongenial von Mišel Matičević verkörpert wird. Als Zuschauer/-in muss man Arslans früheren Film nicht kennen, um bei Verbrannte Erde auf seine Kosten zu kommen, der genauso konzentriert und konsequent inszeniert, aber dramaturgisch noch deutlich reicher an Wendungen und Spannung ist.

Endete Im Schatten mit der Flucht aus Berlin und dem Abtauchen des Anti-Helden Trojan, führt ihn ein misslungener Auftrag nun wieder in die Hauptstadt zurück. Und da der Berufsverbrecher nicht umschulen und seine Zeit mit Arbeit vergeuden will, zapft Trojan einige alte Kontakte an. Mit weiblicher Hilfe ergibt sich die Chance auf einen großen Coup, der allen Beteiligten eine hohe Erlössumme verspricht. Ein Gemälde vom Maler der Romantik, Casper David Friedrich, soll aus einem Depot entwendet werden. Tja, kleiner will der unbekannte Auftraggeber es nicht, was ein hohes Risiko bedeutet. Trojan und seine Mitstreiter/-innen sind zwar exakt planende Profis, aber was sie nicht wissen können: Der Boss im Hintergrund ist der viel größere Feind als die Polizei.

Thomas Arslan nimmt wieder starke Anleihen am französischen Krimikino à la Jean-Pierre Melville (insbesondere Der Teufel mit der weißen Weste von 1962 und Vier im roten Kreis von 1970): Umsichtig, ernst und wortkarg wird der Coup organisiert, emotionale Einflüsse werden gar nicht zugelassen. Der größte Gewinn des Films ist neben seiner klaren Dramaturgie und der ausgezeichneten Kameraarbeit von Reinhold Vorschneider das nuancierte, intensive Schauspiel des Hauptdarstellers Matičević. Als cooler Schweiger gleitet er gleichsam schlangengleich durch die Krimihandlung, wobei die sparsam eingesetzte Gestik und Mimik in bestimmten Momenten die eben doch vorhandene, sich steigernde Nervosität des Einbrechers durchscheinen lässt.

Der französische Star Philippe Noiret (Das große Fressen, 1973) hat in einem Interview zehn Jahre vor seinem Tod 2006 gesagt, wie sehr er die zurückhaltende Art von amerikanischen Kollegen wie Gary Cooper, Spencer Tracy und vor allem Robert Mitchum geschätzt hat und mitunter nachzuahmen versuchte: „Mitchum scheint auf der Leinwand gar nichts zu machen und erzeugt trotzdem große Wirkung. Ich kann das nicht erklären, dabei arbeite ich gleichen Metier wie er.“ Mišel Matičević ist im deutschen Sprachraum wohl derjenige, der Mitchums Stoizismus am nächsten kommt. Demgegenüber wirkt der von Alexander Fehling gespielte Mafioso, der vom mysteriösen Auftraggeber als Kettenhund von der Leine gelassen wird, als könne er vor Kraft kaum laufen. Fehling ist hier gegen sein Nice-Guy-Image besetzt, das wollte er ausnutzen. Es gibt einige Frauen in dieser von Testosteron parfümierten Story, zwar nur als Nebenfiguren, aber immerhin gibt es sie – und alle sind verrucht. Danke dafür!

Für einen deutschen Kinokrimi wirkt Verbrannte Erde zwar nicht in jeder Hinsicht glaubwürdig, aber die Spannung und Matičevićs Spiel lassen darüber hinwegsehen und sorgen für gute Unterhaltung.



Verbrannte Erde | (C) Piffl Medien

Max-Peter Heyne - 18. Juli 2024
ID 14840
https://pifflmedien.de/filme/verbrannte-erde/


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