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Man stelle sich nur einmal vor, die Beatles hätte es nie gegeben. Also dass John McCartney und John Lennon sich in Liverpool nie begegnet wären und sie sich ebenso wie George Harrison und Ringo Starr mit Solo-Musikerkarrieren begnügt hätten. Unvorstellbar? Nun, die Beatles-Songs gehören zu den wenigen Kulturgütern, die tatsächlich weltweit bekannt sind. Insofern gäbe es tatsächlich eine klaffende Lücke innerhalb der Popkultur – was nicht nur als Musikrichtung gemeint ist, sondern als populäre Kultur, die massenhaft Resonanz verursacht. Das etwas absurde Gedankenspiel, in einer Welt ohne die Beatles zu leben, hat der Drehbuchautor Richard Curtis durchgespielt, dem wir unter anderem die Filme um Bridget Jones, Mr. Bean und Vier Hochzeiten und ein Todesfall, Notting Hill sowie Tatsächlich… Liebe verdanken. Curtis knüpft die weltweite Beatles-Amnesie an ein ebenso unwahrscheinliches Ereignis, nämlich einen Stromausfall mit weltweiten Ausmaßen.

So wie in Filmen über einen tödlichen Virus oder Atomkrieg bleibt auch in Yesterday nur einer von der Beatles-Tilgung verschont: der gutmütige, indisch-britische Musiker Jack Malik (grundsympathisch: Himesh Patel), der erfolglos versucht, als Sänger und Songwriter bekannt zu werden. Doch seine Lieder will außer guten Freunden und seiner geduldigen jungen Managerin Ellie (zuckersüß: Lily James) niemand hören, die Auftritte des Mit-Dreißigers bleiben ohne Effekt. Kaum hat sich Jack entschlossen, die Gitarre endgültig an den Nagel zu hängen, kommt der besagte kurzzeitige Stromausfall, bei dem Jack in seiner englischen Heimatstadt Norfolk von einem Bus angefahren wird. Dem Tod springt Jack dank Helm gerade noch einmal von der Schippe und verliert nur einige Vorderzähne. Seine Umwelt hingegen, inklusive Ellie, scheint hingegen die Erinnerung an die Beatles verloren zu haben. Daheim am PC erhält Jack Gewissheit: Die Beatles sind aus der Welt verschwunden, und die Band Oasis damit auch.

Als einziger Beatles-Kenner und Musiker ergreift Jack daraufhin die Chance seines Lebens: Er kopiert die Songs der "Fab Four" und gibt sie als seine eigenen aus. Selbst wer kein Komponist ist, würde wohl an Jacks Stelle dasselbe versuchen. Und ebenso wie Jack hätte er oder sie Mühe, sich an alle Songtexte richtig zu erinnern und lebte in permanenter Angst, dass doch noch andere Mitwisser existieren (was sich – kleiner Spoiler – im Verlauf der Handlung bestätigt). Die ersten Schritte zu einer Weltkarriere gestalten sich bei Jack allerdings ebenso schwierig wie einst bei den Beatles: Die meisten Menschen erkennen das Potenzial der Lieder nicht, vor allem Jacks Eltern, die von Musik nun auch so gar nichts verstehen. Immerhin findet Jack neue Fürsprecher, und bald taucht ein Mann namens Ed Sheeran (der sich selbst spielt) bei ihm zuhause auf, der den Wunderknaben protegieren und als Vorgruppe bei seiner Tournee buchen möchte.

Doch gerade als es bergauf geht, ist es Ellie, die sich nun von Jack zurückzieht. Sie hat berechtigterweise das Gefühl, Jacks Weg zur Weltkarriere nicht gewachsen zu sein. Gleichzeitig aber gesteht sie ihm ihre Liebe, und Jack steht urplötzlich vor der Wahl zwischen Jet-Set-Leben und der Herzdame daheim in Norfolk. Hier gerät die bis dahin charmant-absurde Story leider etwas aus der Balance. Curtis beschreibt mit viel Witz und Hintersinn, was es bedeutet, dass ein Einzelner über ein Wissen verfügt, mit dem er dem Rest der Menschheit weit überlegen ist. Teils erlebt derjenige es wie einen immerwährenden Rausch, teils wie einen Film, der im wahrsten Sinne unglaubliche Wendungen aufweist. Auch gibt es wunderbare Spitzen gegen die Kommerzialisierung der Popmusik in Person einer überkandidelten, amerikanischen Managerin (herrlich biestig: Kate McKinnon aus der Show Saturday Night Life), die zu Recht den ganz großen Reibach wittert. Das Album Sergeant Pepper’s soll einfach nur „White Album“ heißen, und „Hey Jude“ der Einfachheit lieber „Hey Dude“!

Diese satirischen Anteile rücken im letzten Drittel des Films zugunsten der Liebesgeschichte, die leider etwas kitschig ausfällt, in den Hintergrund. Dass die Entscheidung, nicht in der Stadt leben zu können wie seine große Liebe, der Beziehung auf Dauer nicht guttut, ist mehr als verständlich (erlebt der Autor gerade selbst). Auch dass Jack das schlechte Gewissen gegenüber den Beatles plagt, kann man sich vorstellen. Doch die Botschaft, dass Erfolg und Geld nicht alles sind, vor allem, wenn man sich mit fremden Federn schmückt, wird von Autor Curtis und dem Regisseur Danny Boyle (28 Days Later, Slumdog Millionär, Tranispotting 1 und 2) in diesem insgesamt temporeichen, mitreißenden und einfallsreichen Film etwas aufdringlich vermittelt.



Yesterday | (C) Universal Pictures

Max-Peter Heyne - 11. Juli 2019
ID 11558
Weitere Infos siehe auch: https://www.yesterdaymovie.com


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