Die Frau
auf der Erde
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Bewertung:
Für alle Menschen, die 1969 die erste Mondlandung mitverfolgt haben, bleibt dies ein unvergessliches Ereignis, selbst wenn sie noch sehr jung waren. Es war ein wahnsinniger Wettlauf in der Zeit des Kalten Krieges, und jede Seite wollte ihre Überlegenheit beweisen, indem sie als erstes ins Weltall vorstieß. Die Amerikaner waren entsetzt, weil ihnen die Sowjets immer einen Schritt voraus waren, und so arbeiteten sie um so fieberhafter an der Technik. Der Russe Juri Gagarin war der erste Mann im Weltraum und umkreiste die Umlaufbahn der Erde, nun galt es für die Amerikaner, die Ersten auf dem Mond zu sein.
In Aufbruch zum Mond (nach der Biografie First Man... von James R. Hansen) erzählt Regisseur Damien Chazelle vom beruflichen Aufstieg des gewissenhaften Piloten und Ingenieurs Neil Armstrong und seinen Ambitionen von 1961 bis 1969. Einige Amerikaner waren enttäuscht, weil ihnen der Film zu unpatriotisch ist. So fehlt das Hissen der amerikanischen Flagge auf dem Mond, aber Chazelle geht es darum, die Persönlichkeit Armstrongs (Ryan Gosling) und das Umfeld seiner Familie zu ergründen sowie die Pionierarbeit der Techniker und Astronauten zu illustrieren, die dabei waren, wirklich neue Horizonte zu erreichen. Auch die Kritik an den horrenden Kosten der Raumfahrtprogramme und die Frage, ob man dafür Menschenleben opfern darf, erhält einen gebührenden Raum.
An dem Mythos Armstrong ist Chazelle ganz klar nicht interessiert, aber an dem Menschen. Neil und seine Ehefrau Janet (Claire Foy) sind glücklich mit ihren Kindern, doch die kleine Tochter Grace wird schwer krank und stirbt an einem Hirntumor. Neil stürzt sich in seiner Trauer in die Arbeit und bewirbt sich für Raumfahrtprogramme, von denen alle wissen, dass sie lebensgefährlich sein können und einige seiner Kollegen dabei auch tatsächlich ums Leben kommen. Janet würde lieber ein ruhiges Leben führen, zieht aber mit ihrem Mann nach Houston, damit er als Testpilot in die Riege der besten Astronauten aufsteigen kann. In dem Film wird klar, dass Armstrong ohne seine Frau nicht in solche Höhen hätte aufbrechen können, die mit den Beinen fest auf der Erde verwurzelt war und für die Sicherheit einer Familie und eines Zuhauses sorgte.
Chazelle zeigt die Härte des Trainings und die klaustrophobische Enge in den Raumkapseln, lässt dadurch die Kinogänger die Raumfahrt fast hautnah miterleben und erschafft ein audiovisuelles Erlebnis der Sonderklasse. Die Nahaufnahmen der Gefährte, z.B. von den Nieten, mit denen sie zusammengehalten werden, erwecken wenig Zutrauen in die innovative Technik. Der Lärm und das Rütteln der Maschinen ist angsteinflößend, und mittendrin Armstrong, der selbst in Todesgefahr die Ruhe selbst bleibt. Dass diese Arbeit und seine Erfahrungen als Pilot im Koreakrieg auch an seiner Psyche nicht spurlos vorbeigegangen sind, zeigt Chazelle in einer sehr intensiven Szene, in der Neil in der Nacht vor dem Aufbruch zum Mond nicht in der Lage ist, sich von seinen Söhnen zu verabschieden. Er blendet die Gefahren einfach aus. Janet beharrt energisch darauf, doch der introvertierte und wortkarge Neil speist die Jungen mit allgemeinen Aussagen ab, die einer Pressekonferenz entstammen könnten. Dann schafft er es doch, seinen Söhnen zu gestehen, dass die Möglichkeit besteht, dass er nicht zurückkommt und entsprechenden Abschied zu nehmen.
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Neil Armstrong (Ryan Gosling) verabschiedet sich auf Drängen seiner Frau (Claire Foy) von seinen Söhnen | © Universal Pictures Germany
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Der Rest ist Geschichte, doch es wird auch ein kleines privates Geheimnis von Armstrong enthüllt. Der Kameramann Linus Sandgren drehte überwiegend mit 70mm-IMAX-Kameras und kreierte imposante und einfühlsame Bilder. Das Drehbuch stammt von Josh Singer, der uns die Höhen und Tiefen Armstrongs nahe bringt. Die Filmmusik von Justin Hurwitz, der Ton- und Filmschnitt sowie das 1960er-Jahre-Design fügen sich zu einem großartigen Ganzen zusammen.
Damien Chazelle erhielt viele Preise für seinen Film La La Land, für den er im Jahr 2017 mit 32 Jahren als jüngster Regisseur mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Schon 2014 hatte er mit Whiplash sein fulminantes Spielfilmdebüt gegeben. Für beide Filme hatte er auch die Drehbücher geschrieben. Mit Aufbruch zum Mond kann er als Regisseur nahtlos an diese Erfolge anschließen.
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Helga Fitzner - 7. November 2018 ID 11023
Weitere Infos siehe auch: http://upig.de/micro/aufbruch-zum-mond
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