„Meine eigene
Behörde ist
Feindesland.“
|
|
Bewertung:
Im Jahr 1957 war der Zweite Weltkrieg seit 12 Jahren vorüber und die, die ihn überlebt hatten, strebten nach Normalität und Vergessen. Zwischen 1945 und 1949 hatte es die Nürnberger Prozesse gegeben, in denen die Alliierten einige mutmaßliche Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt und ihre Urteile gefällt hatten. Viele der maßgeblichen Vertreter des NS-Regimes waren ins Ausland geflohen, Südamerika war ein beliebtes Ziel, andere hatten sich auf ihren Posten in der jungen Bundesrepublik gut eingerichtet. Doch dem jüdisch-stämmigen Staatsanwalt Fritz Bauer (1903- 1968) ließ die Vergangenheit keine Ruhe. Er arbeitete in Frankfurt/Main und wollte Kriegsverbrecher vor ein deutsches Gericht bringen, womit er aber praktisch alleine stand. Denn die deutsche Wirtschaft boomte, der Wohlstand breitete sich aus, und niemand wollte mehr von den alten Geschichten hören. Bauers Wunsch nach Gerechtigkeit drohte im deutschen Behördenstaub zu versinken, denn ein Aufwirbeln des Staubes hätte die in Amt und Würden befindlichen ehemaligen Nationalsozialisten gefährden können. Der Widerstand war erbittert, doch der alte Mann war zäh und aufrecht und steht im Mittelpunkt von Lars Kraumes Film Der Staat gegen Fritz Bauer.
|
Allein gegen alle kämpfen Fritz Bauer (Burghart Klaußner) und Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) für Gerechtigkeit | © Alamode Film
|
Fritz Bauer (Burghart Klaußner) findet in seinem Bemühen, Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen, nicht nur kaum Verbündete, fast die ganze Staatsanwaltschaft, gefühlt die ganze Bundesrepublik, setzt alles daran, ihn daran zu hindern. Einzig sein junger Kollege Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) ist bereit, ihn zu unterstützen. Allerdings dümpeln die Untersuchungen vor sich hin, und es kommt zu keinen Verfahren. Eines Tages aber erhält Bauer einen Brief aus Argentinien mit dem Inhalt, dass der ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann (Michael Schenk) sich in Argentinien aufhalte. Eichmann war als Zuständiger für die Vertreibung und Deportation der Juden einer der meistgesuchten Nationalsozialisten. Bauer will für seine Verhaftung und Auslieferung sorgen und ihn vor ein deutsches Gericht stellen, was sich als unmöglich erweist.
|
Fritz Bauer (Burghart Klaußner) will Adolf Eichmann vor Gericht stellen | © Alamode Film
|
Nun beginnt der Krimi. Bauer gibt vor nach Paris zu reisen, begibt sich von dort aus aber heimlich nach Israel, um mit dem israelischen Außengeheimdienst Mossad zu verhandeln. Er muss das vor seiner eigenen Staatsanwaltschaft geheim halten, um das Projekt nicht zu gefährden. Das ist ein Verstoß gegen bestehende Bestimmungen und könnte sogar als Landesverrat gedeutet werden. Seine Kollegen fischen nur im Trüben, arbeiten aber trotzdem mit harten Bandagen und stellen Karl Angermann eine Falle, um Fritz Bauer völlig zu isolieren...
|
Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) auf Abwegen | © Alamode Film
|
Im Film Labyrinth des Schweigens [s. Besprechung v. 06.11.2014] ging es schon um Fritz Bauer und die Frankfurter Auschwitz-Prozesse. Allerdings war Bauer da eher die graue Eminenz im Hintergrund. Allein schon der Maskenbildner geht in Der Staat gegen Fritz Bauer dem umtriebigen Juristen schon viel tiefer auf den Grund. Die Ähnlichkeit zwischen Fritz Bauer und seinem auf Krawall gebürsteten Darsteller Burghart Klaußner (Das weiße Band) ist hergestellt, Klaußner nuschelt sich in originalgetreuer dialektischer Sprachfärbung durch den Film und verleiht seinem Bauer Leben und auch ein bisschen Feuer. Regisseur Lars Kraume, der vor allem durch diverse Tatort-Inszenierungen [z.B. Der Hammer, WDR 2014] bekannt ist, arbeitet hier mit Krimi-Elementen. In den Büroszenen gelingt ihm ein Kammerspiel, das die einengende und feindliche Atmosphäre auferstehen lässt, in der Fritz Bauer sich befunden hat.
Fritz Bauers Plan, Eichmann vor ein deutsches Gericht zu bringen, misslingt. Die Israelis selbst machen ihm den Prozess und hängen ihn, in Deutschland ist die Todesstrafe abgeschafft. Bauers Involvierung in den Fall Eichmann wurde erst posthum bekannt.
|
Helga Fitzner - 1. Oktober 2015 ID 8904
Weitere Infos siehe auch: http://www.alamodefilm.de/kino/detail/der-staat-gegen-fritz-bauer.html
Post an Helga Fitzner
EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM
Unsere Neue Geschichte
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Rothschilds Kolumnen
BERLINALE
DOKUMENTARFILME
DVD
EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM Reihe von Helga Fitzner
FERNSEHFILME
HEIMKINO
INTERVIEWS
NEUES DEUTSCHES KINO
SPIELFILME
TATORT IM ERSTEN Gesehen von Bobby King
UNSERE NEUE GESCHICHTE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|