Auf verlorenem
Posten
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Es schellt. Die Frau öffnet die Tür. Sie weiß sofort, worum es geht und fällt in Ohnmacht. Die Soldaten tragen die erwachende, sich wehrende Frau ins Bett und geben ihr eine Spritze, die sie völlig außer Gefecht setzt. - Und das sind die, die es gut meinen. Dem Ehemann erklären sie, dass seine Frau für Stunden schlafen wird. Auch er wusste Bescheid, noch bevor sie ihm eröffneten, dass sein Sohn gefallen ist. Man nimmt einfach sein Handy und fingert daran herum. Das klingelt jetzt jede Stunde, erfährt er. Dann soll er jedes Mal ein ganzes Glas Wasser trinken. Das ist wichtig. Michael (Lior Ashkenazi) ist wie betäubt und lässt die Routine der Soldaten über sich ergehen. Ähnlich effektiv handelt er selbst, als er versucht, seine Tochter zu informieren. Als sein Bruder Avigdor (Yehuda Almagor) zu ihm eilt, wollen sie gemeinsam einen Nachruf verfassen. Doch auch darüber wird anderweitig verfügt, weil sein Sohn „gefallen“ ist, kümmert sich das Militär um alles.
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Michael (Lior Ashkenazi) und Dafna (Sarah Adler) stehen unter dem Schock der Todesnachricht | © NFP marketing & distribution / Giora Bejach
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Während der Eingangsszenen von Foxtrot – Der Tanz des Schicksals lässt der israelische Regisseur und Autor Samuel Maoz sehr häufig Nahaufnahmen der Protagonisten machen. Lior Ashkenazi als Michael und Sarah Adler als seine Frau Dafna sind der Kamera genauso gnadenlos ausgesetzt wie dem Vorgehen des Militärs, dessen Effektivität und Methodik einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Nach der Erstarrung folgt die Betriebsamkeit, als ob man dem Schmerz davon laufen könnte. Israel ist ein Land, in dem der Krieg und gewaltsamer Tod offensichtlich zum Alltag gehören, und diese Szenen zeigen die verheerenden Auswirkungen auf die Menschen. Das alles hat eine lange Vorgeschichte, die anhand eines Besuches von Michael bei seiner demenzkranken Mutter (Karin Ugowski) im Heim erzählt wird. Die spricht nur noch deutsch als Hinweis, dass sie Überlebende der Shoah ist. Die transgenerationale Weitergabe von Traumatisierungen wird hier deutlich, auch wenn der direkte Kausalzusammenhang nicht hervorgehoben wird.
Vielmehr findet Maoz ein wunderbares Gleichnis im Tanz Foxtrott, bei dessen Grundform man am Ende der kurzen Schrittfolge gar nicht weiterkommt, sondern immer wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt: „Ich wollte eine Geschichte erzählen, die relevant für diese verdrehte Realität sein würde“, erklärt Maoz. „Eine Geschichte über zwei Generationen – die zweite Generation von Holocaust-Überlebenden und die dritte Generation – und beide erlebten Traumata während ihres Armeedienstes. Teile dieser endlos traumatischen Situation wurden uns aufgezwungen und teils hätte dies vermieden werden können.“ Maoz ist selbst Teilnehmer des Libanonkriegs und gehörte als junger Soldat einer Panzerdivision an. Diese Erfahrungen hat er in seinem Film Lebanon von 2009 verarbeitet, der aus der klaustrophobischen Perspektive der Soldaten im Panzer geschildert wird, ein aufwühlender Film, mit dem Maoz damals den Goldenen Löwen in Venedig gewann. Für Foxtrot bekam er ebenda den Großen Preis der Jury, der streckenweise auch ein Kammerspiel ist.
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Foxtrot gilt als Skandalfilm, weil sich die israelische Kulturministerin Miri Regev über die negative Darstellung der israelischen Armee beschwerte. Dabei ist Foxtrot keine Dokumentation, sondern Fiktion. Und letzteres ist auch zu wünschen. Szenenwechsel: Die Beschreibung eines Grenzpostens in der Einöde ist einfach furchtbar. Vier junge Soldaten, darunter Jonathan (Yonatan Shiray), der Sohn von Michael und Dafna, bewachen dort einen kleinen Grenzübergang. Die Gerätschaft ist marode und der Container, in dem die vier hausen, grauenhaft, heruntergekommen und einfach eine menschenunwürdige Behausung. Die Jungs sehen es gelassen, wärmen sich Büchsen auf, aus denen sie ihre Mahlzeiten einnehmen, und überprüfen anhand einer rollenden Büchse, wie weit sich die eine Seite des Containers schon zur Seite gesenkt hat. Die ekelhafte Unterkunft ist hoffentlich nur erfunden, doch als Parabel einfach genial. Sie zeigt die Schieflage der gesamten Situation in Israel und dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann sie vollends aus der Balance gerät und im Morast versinkt. Es gibt einige Rezensenten, die der Versuchung erlegen sind, den Inhalt dieses cineastischen Meisterwerks weiter zu erzählen. Das ist verständlich, aber schade, weil es die Wirkung des Films auf den Zuschauer beeinträchtigt.
Maoz verlässt sich auf die Wirkung seiner ausdrucksstarken Bilder und kommt mit relativ wenig Dialog aus. Die Soldaten sind schwer bewaffnet, und die seltenen Grenzkontrollen erfolgen mit angestrengter Gründlichkeit. Nachts beleuchtet ein Scheinwerfer die meist palästinensischen Grenzgänger, und es entsteht der Eindruck, dass es sich hier um eine Hochsicherheitszone handelt. Auch wenn hier keine Kampfzone ist und meistens Langeweile herrscht, ist der Krieg allgegenwärtig. Auch wenn offiziell gar keiner herrscht, existiert er doch in den Köpfen. Hier hat sich etwas verselbständigt, aus dem es keinen Ausweg zu geben scheint. Da ist der Wunsch nach Sicherheit, die Besatzung palästinensischer Gebiete, die aufrecht erhalten wird, eine seltsame Mischung aus Angst, Schuld und Trauma in einem Land, dessen Menschen seit der Gründung 1948 nie wirklich in Frieden und Angstfreiheit leben konnten.
Ja, Maoz kritisiert sein Land, aber weil es ihm am Herzen liegt. Das Ende der Geschichte suggeriert, dass es kein Entrinnen vor dem Schicksal gibt, also keine Rettung, egal, was man macht. Aber genau das wünscht man sich für Israel. Man nimmt Anteil an den Menschen - Israelis und Palästinensern zugleich - , die irgendwie auch Gefangene der Vergangenheit sind. Der deutsche Verleihtitel hat die englische Schreibweise von Foxtrott übernommen. Denn im NATO-Buchstabieralphabet steht „Foxtrot“ für den Buchstaben „F“, der im Militär-Slang wiederum für das böse englische F***-Wort steht.
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Helga Fitzner - 11. Juli 2018 ID 10798
Weitere Infos siehe auch: http://www.foxtrot-derfilm.de/
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