Film zum Thema FRANK SIDEBOTTOM
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Nur nicht den
Kopf verlieren,
Frank!
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Bewertung:
Der junge Amateurmusiker Jon (Domhnall Gleason) ist zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort: Während er in seinem englischen Heimatort über sein klägliches kompositorisches Talent sinniert, wird er Zeuge, wie ein Mann aus dem Wasser gezogen wird, der sich anscheinend umbringen wollte. Der Suizidkandidat ist Teil einer fünfköpfigen Band, die Jon vom Fleck weg engagiert, weil sie für einen Gig am Abend einen Keyboarder braucht. Der Auftritt raubt Jon zunächst alle Illusionen: Die miese Tontechnik und Streit zwischen den Musikern lassen ihn zu einem Fiasko werden.
Dennoch wird Jon vom Anführer der „Soronprfbs“ (unerkannt: Michael Fassbender) eingeladen, bei ihnen zu bleiben, bis sie ihr erstes Studioalbum aufgenommen haben. In einer abgeschiedenen Waldhütte erlebt Jon die Aufs und Abs eines kreativen Miteinanders, die bei den „Soronprfbs“ allerdings besonders heftig ausfallen. Jon muss bald feststellen, dass er noch der Vernünftigste und Realistischste von allen ist – was aber wiederum ein Grund für sein eher durchschnittliches Talent sein mag. Bandleader Frank jedenfalls kann extravagante und dennoch einprägsame Melodien quasi aus dem Ärmel schütteln. Indes: niemand weiß davon außerhalb der Band.
So übernimmt Jon immer mehr Manageraufgaben und verschafft der bis dato vor sich her schrummelnden Band viel Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken. Frank ist von dieser Schlagkraft zunächst angetan. Doch das ist der Anfang vom Ende einer Band, deren weibliche Mitglieder (Maggie Gyllenhaal, Carla Azar) Franks Talent ebenso bewundern wie Jon, Kommerzialität und Berühmtheit aber verachten. Jon wird ungewollt statt zum Retter der Band zum Vollstrecker lange schwelender Konflikte.
Das Verblüffendste an diesem wunderbar verschrobenem Film über verschrobene Charaktere ist die Tatsache, dass es einen Mann wie Frank tatsächlich gab: FRANK SIDEBOTTOM, Musiker, Komponist, Komiker, Performance- und Lebenskünstler war ein seltsamer, exzentrischer Typ, der bei öffentlichen Auftritten ständig mit einem überlebensgroßen, comicartigen Kopf aus Pappe herum lief. Was genau Sidebottom mit dieser albernen Dauermaskierung bezwecken wollte, außer seine Anonymität zu wahren, ist schwer zu ermitteln. Sicher ist jedoch, dass Sidebottom, der eigentlich Chris Sievey hieß und 2010 mit nur 54 Jahren an Krebs verstarb, aufgrund der unzähligen Projekte, die er auf die Beine stellte, ein vor Kreativität geradezu überschäumender Mensch gewesen sein muss.
Der selbst in England nicht sehr bekannte Sidebotom war eine Art englischer Andy Kaufmann (dessen Schicksal Milos Forman im Film The Man in the Moon nacherzählte), der mit einer Mischung aus Provokationen und genialen Projekten außerhalb der üblichen Regeln, Rahmen und Medienformate agierte. Auch der Film-Frank ist eine faszinierende, aber nicht die Hauptfigur – sondern Jon, der junge Adept, der in Frank einen Mentor gefunden zu haben scheint. Er erlebt, welche engen Nachbarn Genie und Neurose sind und wie fern sich Qualität und Ruhm stehen, gerade in den schnelllebigen digitalen Zeiten.
Eine amüsante Tour de Farce, mit deren Hilfe man gut herausfinden kann, ob und wieviel Humor jemand besitzt. Wer Frank nicht mag, hat wahrscheinlich keinen – zumindest keinen angelsächsischen. Der ist wie so oft auch hier mit einer guten Portion Sarkasmus, Absurdität und Anarchismus versetzt, die dem an sich dünnen Handlungsgerüst Tiefe und Würze verleiht. Im Gewand einer Burleske verhandelt Regisseur Larry Abrahamson sehr gekonnt existentialistische Themen wie das Verhältnis zwischen Künstler und Publikum, Unterhaltung und Eskapismus sowie Manipulation und Wahrhaftigkeit im kreativen und medialen Gewerbe. Das macht ihn zu einem der raffiniertesten Filme der letzten Jahre.
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Frank | (C) Weltkino
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Max-Peter Heyne - 27. August 2015 ID 8831
Weitere Infos siehe auch: http://frank-film.com
Post an Max-Peter Heyne
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