Feiertagstaugliches, heiter-melancholisches Beziehungschaos-Kino für Erwachsene: Genug gesagt
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Die Generation 40 plus wird die Probleme in diesem Film vermutlich besser nachvollziehen können als die jüngeren Zuschauer: Es geht um die Frage, mit welchem Partner man oder frau die verbleibende Lebenszeit teilen möchte, wer eine "gute Wahl" ist und woran man dies erkennt bzw. zu erkennen glaubt. Die amerikanische Drehbuchautorin und Regisseurin Nicole Holofcener zeigt in ihrer Tragikomödie sehr treffend und mit hohem Wiedererkennungswert, dass sensible Menschen ab einem bestimmten Alter zwar ein klein wenig gelassener mit emotionalen Situationen umgehen können, dass dies aber oft auf Kosten der Leichtigkeit und Unbefangenheit geht: Die Wunden, die Liebeskummer, Ablehnungen, Enttäuschungen und Scheidungen in der Vergangenheit angerichtet haben, verunsichern die Menschen und prägen jeden ihrer Neuanläufe zu einer Beziehung. Daher kann die gesammelte Liebeserfahrung mitunter eher schaden als nutzen, zumal mit zunehmendem Alter die Energie und der Mut für einen Neuanfang schwerer zu mobilisieren sind als in der Jugend, in der die vor einem liegende Lebenszeit noch Aussicht auf große Auswahl verheißt.
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Genug gesagt - Foto (C) 20th Century Fox Germany
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Genau in diesem Schwebezustand zwischen großer Sehnsucht nach Nähe und Liebe und der Angst vor einer falschen Partnerwahl bzw. erneutem Scheitern befinden sich die Protagonisten in Nicole Holofceners Tragikomödie Genug gesagt. Erzählt wird die Geschichte eines Kennenlernens und Sich-Abtastens eines Paares aus der Sicht von Eva (Julia Louis-Dreyfus), eine quirlige, lebensbejahende Mitvierzigerin und alleinerziehende Mutter einer pubertierenden Tochter, die auf der Partnersuche auf Albert trifft. Der korpulente, bärige Mann (James Gandolfini in seiner letzten Rolle) ist zwar nicht ihr Traumtyp, aber wirkt liebenswürdig und humorvoll. Eva, die als therapeutische Masseurin arbeitet, muss eines Tages zu ihrer großen Überraschung feststellen, dass Albert ausgerechnet der Ex-Mann ihrer besten Kundin und Freundin, der Schriftstellerin Marianne (Catherine Keener) ist.
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Genug gesagt - Foto (C) 20th Century Fox Germany
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Damit gerät Eva in einen Gewissenskonflikt und eine starke Verunsicherung: Einerseits will sie sich gerne auf Albert einlassen, kann aber andererseits der Versuchung nicht widerstehen, hinterrücks Marianne über ihn auszufragen, die über ihren geschiedenen Mann leider ständig lästert. Und dann ist da noch seine sehr verwöhnte, snobistische Tochter. Ist Albert also doch nicht der Richtige für den Rest des Lebens? Eva muss sich entscheiden – Albert und Marianne die Wahrheit sagen oder lieber schweigen. Und: die sich entwickelnde Beziehung wieder aufgeben oder dranbleiben? Erst einmal macht sie, was allzu menschlich ist: sich durchmogeln. Aber genau das macht alles nur noch schwieriger.
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Genug gesagt - Foto (C) 20th Century Fox Germany
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Nicole Holofcener erzählt die leicht ins boulevardhafte tendierende Geschichte mit viel Situationskomik und Dialogwitz. Aber wie schon in ihren vorigen Filmen Please Give (2010, BERLINALE-Wettbewerb) und Friends With Money (2006) verzichtet sie auf aufdringliche Schenkelklopfer-Pointen und übertriebene Zuspitzungen. Die Geschichte bleibt stets authentisch und stimmungsvoll, weil Holofcener ihre Figuren ernst nimmt und deren Lebensfreude und Skepsis in die Szenen hineingießt. So gelingt ihr wieder einmal ein Balanceakt, in der sich melancholische und komische Momente die Waage halten. Es tut gut, zu wissen, dass es im ökonomisch und visuell oft überdimensionierten, von Sequels und Remakes wimmelnden Hollywoodkino noch Autorenfilmer wie Nicole Holofcener gibt, die auf die Qualität einer gut ausgearbeiteten Alltagsgeschichte vertrauen.
Bewertung:
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Max-Peter Heyne - 19. Dezember 2013 ID 7477
Post an Max-Peter Heyne
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