Mit Hannas Reise ist Julia von Heinz ein Film gelungen, der schwere Themen leichthändig, aber nicht leichtsinnig in eine unterhaltsame Geschichte verpackt
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Israel im Film: Melancholie in Tel Aviv
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Wiedergutmachen? Sühne zeigen? Naja, eigentlich geht es Hanna (26) eher darum, Bonuspunkte für die eigene Karriere zu sammeln – mit einer Sache, die dann aber auch moralisch korrekt ist. Ein soziales Jahr in Israel zu absolvieren, darunter sowohl Arbeit mit Holocaust-Überlebenden als auch geistig Behinderten, ist für eine junge Deutsche da top on the list. Mehr Gutes zu tun geht eigentlich nicht. Allerdings: Hanna sieht die Reise ins Heilige Land, dem Deutschland gegenüber eine besondere Verpflichtung hat, nicht mit besonderer Neugier oder gar Freude, sondern mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn eingefädelt hat die Reise Hannas Mutter, die als junge Frau auch schon eine Weile in Israel gelebt hat, von der die Tochter sich aber insgesamt vernachlässigt und unverstanden fühlt.
Einmal angekommen, nimmt Hanna, die typisch deutsche Tugenden wie Effizienzstreben und Ordnung verinnerlicht hat, an vielen Dingen Anstoß: Da sind zum einen ihre Mitbewohner von der Organisation „Aktion Friedensdienste“, deren Wohnung so chaotisch ist wie ihre politischen Ansichten. Zum anderen hat die immer etwas gereizt wirkende Hanna wenig Lust, sich ernsthaft mit ihren Kollegen oder denjenigen zu beschäftigen, die sie eigentlich betreuen soll: den seinerzeit aus dem Dritten Reich nach Palästina geflohenen Jecken. Karoline Schuch spielt Hanna dabei so überzeugend, dass sich ihre Anspannung aufs Publikum überträgt. Inständig hofft man, die junge, attraktive Frau möge doch mal mit der Hilfe des smarten israelischen Kollegen aus dem Behindertenbetreuung, Itay (Doron Amit) einen Gang runterschalten. Doch bis dies gelingt, muss Hanna erst noch lernen, nicht vorschnell über Andere zu urteilen – und auch ihrer Mutter zu verzeihen, deren wahren Motive für das Leben in Israel sich Hanna während des Aufenthaltes in Tel Aviv zufällig erschließen.
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Hanna und Itay - Foto (C) Zorro Film
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Regisseurin Julia von Heinz, die Israel von zahlreichen Besuchen gut kennt, erzählt die Geschichte einer skeptischen jungen Frau, die sich permanent beweisen will und unter Hochdruck steht. Das ist ein guter Trick, denn im Gegensatz zu Hannas Nervosität wirken die ebenfalls unvermeidlich immer wieder auftauchenden, politischen Klippen im deutsch-israelischen Verhältnis vergleichsweise leicht umschiffbar: Der grausigen Vergangenheit setzen die jungen Israelis auf Hannas Reise oft zynischen Galgenhumor entgegen, und die Älteren bisweilen Gelassenheit, die sie sich über die Jahrzehnte erworben haben. Julia von Heinz zeigt das moderne Leben in Israel, ohne die Schatten der Vergangenheit und die Ambivalenzen zwischen Deutschen und jüdischen Israelis auszuklammern. Dass die Balance gelingt bzw. der Film unter seinen verschiedenen Aspekten dramaturgisch nicht überladen wirkt, kommt daher, dass von Heinz strikt aus der Perspektive ihrer jungen Protagonistin erzählt, die von Karoline Schuch meisterhaft gespielt, nein, geradezu verkörpert wird.
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Hannas Reise - Foto (C) Zorro Film
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Hanna erlebt quasi stellvertretend für einen gutwilligen, aber auch etwas verunsicherten deutschen Zuschauer, was man als Deutscher in Israel erleben kann. Die emotionalen Ambivalenzen werden nicht aufdringlich ausbuchstabiert, sondern klugerweise in ihrer Unauflösbarkeit belassen. Dabei wird die aufrichtige Neugier auf Menschen, seien sie nun jüdisch oder nicht, alt oder jung, behindert oder nicht-behindert, als Mittel der Annäherung herausgestellt. Die klugen Dialoge, die stilvolle Kameraarbeit und viel Liebe zu absurden Details tun ein übrigens, um diesen unterhaltsamen Film über das Mittelmaß zu heben.
Bewertung:
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Max-Peter Heyne - 24. Januar 2014 (2) ID 7545
Weitere Infos siehe auch: http://www.hannasreise.de/
Interview mit Karoline Schuch und Julia von Heinz
Post an Max-Peter Heyne
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