Die Sehnsucht
nach Herkunft
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Bewertung:
Elisa Bérard (Céline Sallette) befindet sich in einer Krise. Obwohl ihr Mann sie liebt und die Ehe aufrecht erhalten will, verlässt die Physiotherapeutin Paris und nimmt eine Vertretungsstelle in Dünkirchen an. In der kleinen Hafenstadt laufen die Uhren anders, und ihr kleiner Sohn Noah (Elyes Aguis) wird dort wie ein Ausländer behandelt. Obwohl beide Eltern Europäer sind, hat der Junge einen arabischen Einschlag. Das geht in der neuen Umgebung so weit, dass andere arabisch-stämmige Franzosen mit ihm arabisch sprechen. Doch Noah ist ganz anders sozialisiert, versucht aber sich anzupassen. Es kommt sogar dazu, dass er seine Mutter bittet, in der Schulkantine anzugeben, dass er kein Schweinefleisch zu essen bekommt. Noah spielt zunehmend mit den arabisch-stämmigen Jungen, die immer wieder mit einer Mitarbeiterin in der Schule, Anette Levèvre (Anne Benoit), anecken.
Obwohl Elisa äußerlich betrachtet ein schönes Leben hat, gibt es etwas, was fehlt. Sie wurde adoptiert und will nun herausfinden, wer ihre leiblichen Eltern waren, allein schon wegen ihres Sohnes. Sie ist nach Dünkirchen gezogen, weil sie dort geboren wurde und recherchiert in ihrer Freizeit. Zu ihrer Überraschung erfährt sie, dass ihre Mutter Weiße ist, der arabische Einschlag muss also vom Vater kommen, über den allerdings nichts bekannt ist. In Frankreich sind leibliche Eltern nicht gezwungen, Kontakt zu ihren Kindern aufzunehmen, und so ist Elisa sehr enttäuscht, als ihre Mutter vom Jugendamt zwar kontaktiert wurde, aber ein Kennenlernen mit ihrer Tochter ablehnt.
Der Film wird aus der Perspektive von Elisa und Annette erzählt, und so wird es für den Zuschauer schneller klar als für die Protagonisten, dass die Annette von der Schulkantine die leibliche Mutter ist. Wir erleben Annette als unsichere Frau, die im fortgeschrittenen Alter noch bei ihrer Mutter lebt und sich von ihrer Familie fremdbestimmen lässt. Sie ist unbeholfen und kann sich nicht durchsetzen. Als sie in physiotherapeutische Behandlung muss, gerät sie an Elisa und zunächst entsteht ein gutes Einvernehmen zwischen den beiden Frauen. Dann wird Annette immer anhänglicher, was Elisa als übergriffig empfindet. Doch schließlich wird den Frauen das unsichtbare Band zwischen ihnen klar.
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Langsame Annäherung von Annette (Anne Benoit) und Elisa (Céline Sallette) | (C) Film Kino Text/Filmagentinnen
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Die französisch-koreanische Regisseurin Ounie Lecomte ist selbst ein Adoptivkind und hat den Film Ich wünsche dir eine schönes Leben mit großer Feinfühligkeit und Intensität gedreht. Sie lässt sich manchmal sehr viel Zeit, wodurch man aber die quälende Suche gut nachvollziehen kann. Die Kamerafrau Caroline Champetier arbeitet teilweise mit Unschärfen und ahmt mit der Kamera die Suche nach Klarheit nach, und manchmal rückt sie den Darstellern regelrecht auf den Leib. Die Nähe und Intimität einer physiotherapeutischen Behandlung wird in sehr starken Bildern eingefangen. Da man als Zuschauer weiß, dass Annette die leibliche Mutter ist, haben Elisas Berührungen fast etwas Beklemmendes. Sie berührt unwissend den Leib, der sie geboren hat, die Mutter, nach der sie so schmerzlich sucht.
Der Ort Dünkirchen liegt an der Nordküste Frankreichs und hat sichtbare Zeichen der Vergangenheit. Die alten Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg sind jetzt ein beliebter Spielplatz für abenteuerlustige Kinder. So ist auch für Elisa die Vergangenheit ihrer leiblichen Eltern immer noch relevant, weil die Herkunft zu unserer Identität gehört. Insgesamt ist Ounie Lecomte ein bewegender Film zu einem wichtigen Thema gelungen.
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Helga Fitzner - 14. Juni 2017 ID 10085
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