Nur Einer
kam durch
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Bewertung:
Eine Alternative zum alles überragenden James Bond zu erfinden, kann für die (Drehbuch-)Autoren dieser Welt, die Agentengeschichten erzählen möchten, eine mühselige Angelegenheit sein. Zu dominant hat sich der Tausendsassa und Frauenheld über die Leinwände dieser Welt ins kollektive Popkultur-Gedächtnis gebrannt. Der neben Ian Flemming wohl berühmteste UND talentierteste Romancier auf diesem Gebiet, John le Carré, hat sich aus eigener Kenntnis des Geheimdienstlebens mit der Figur des phlegmatischen, bis zur Steifheit englisch-korrekten MI6-Chef George Smileys wohl am weitesten von James Bond entfernt (Smiley-Darsteller Sir Alec Guinness befürchtete 1979, seine emotionslose Verkörperung habe die TV-Verfilmungen als Unterhaltung verpatzt).
Gemessen an Smiley ist der pausenlos rennende und rasende Prügelknabe Jason Bourne alias Matt Damon Bond natürlich ungleich viel näher. Auch er ist seinen internen und externen Gegnern dank einer übermenschlichen Kombination aus Scharfsinnigkeit, Intuition und – um es vorsichtig auszudrücken – physischer Robustheit überlegen und gibt selbst in aussichtslosen Situationen nie auf. Auch mit dem Tom Cruise verkörperten Mission Impossible-Helden Ethan Hunt ist Bourne/Damon um zwei Ecken verwandt. Aber – und das ist der große Unterschied zu Bond und Hunt – die Menschenjagd auf ihn erlaubt Jason Bourne keine Zeit zum Scherzen oder Gefühle-Zeigen, geschweige denn mal einen Kuss oder gar mehr. Abgesehen davon, dass Frauen, die ihm helfen wollen, ohnehin dem Tode geweiht sind.
Bond abzüglich schnittiger Anzüge, trockener Getränke und Gags, Frauen, Ironie und Humor – das ist Jason Bourne. Dialoge? Passen auf einen Bierdeckel. Was bleibt dann? Wie in den Vorgängerfilmen gibt es Action pur und en gros, als hätte der Berufsverband der Hollywood-Stuntmen einen Imagefilm in Auftrag gegeben. Es wird geprügelt, geschossen, Motorrad gerast, hektisch observiert, geprügelt, geschossen, gerannt, mehr geprügelt, mehr geschossen, noch hektischer observiert, Autorennen gefahren, ein Fuhrpark geschrottet, geprügelt, na und so weiter. Auch Postkartenansichten der Toplocations (diesmal: Athen, natürlich wieder Berlin, London und Las Vegas) sucht man vergebens. Ein Establishing Shot vom Helikopter auf die Städte muss reichen, der Rest geht im Gewitter von Reißschwenks und Handkamera-Schnipseln unter.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Langweilig ist das nicht! Die pausenlosen Jagdszenen erzeugen bei Genuss vor großer Leinwand wie beabsichtigt Adrenalin, das auch nach einem anstrengenden Bürotag lange wachhält. Virtuos pushen Regisseur Paul Greengrass (der auch für Bourne-Teil 2 und 3 verantwortlich zeichnet) und Kameramann Barry Ackroyd die Zuschauer durch Menschenmengen in Athener Gassen oder Vegas-Hotelflure. Und auch die Qualität der digital wenig nachbearbeiteten, quasi noch "handgemachten" Action ist ohne Makel.
Allein: Wer es andauernd krachen lässt, überschreitet die Schwelle zur Glaubwürdigkeit unvermeidlich. Sie geht wie in den Vorgängerfilmen dann doch einige Male merklich – und bei der wilden Verfolgungsjagd am Schluss überdeutlich – per du. Die Kritik an den entfesselten US-Geheimdiensten hat sich n der Post-Snowden-Ära auch gesteigert, was einen perversen Reiz ausmacht: Ohne Rücksicht auf juristische, politische, moralische oder innerbetriebliche Zwänge lässt der gottgleiche CIA-Chef (Tommy Lee Jones) bei Bedarf jeden Polizeifunk und jedes Mobiltelefon- und Laptop-GPS-Signal auf der Welt anzapfen, lässt sich jegliche Bilder von Überwachungskameras und unerlaubte Gesichtserkennung auf die gigantischen Monitore in seiner Zentrale aufspielen. Auch vor der Bespitzelung und Ermordung eigener Leute schreckt er nicht zurück. Software-Experten wie z.B. den Chef einer zivilen Kommunikationsplattform (Riz Ahmed) erpresst er. Nur Jason Bourne nötigt ihm Respekt ab.
Und da liegt bei allem kindlichen Spaß an der Zerstörung eine Schwachstelle innerhalb der Serie: Der Ex-CIA-Agent Jason Bourne ist einerseits viel verletzlicher, irdischer als seine filmischen Verwandten. Aber dass er trotz umfassender Überwachung und emotionaler Labilität (diesmal wird die niederträchtige Ermordung seines Vaters als Motiv ins Spiel gebracht) immer wieder gerade jene Lücken findet und jene übermenschliche Kraftanstrengung abrufen kann, die ihm den Ausweg ermöglichen, ist schon längst nicht mehr glaubhaft. Dass es auch innerhalb der Krake CIA taffe Aufsteigerfrauen wie Heather Lee (Alicia Vikander) gibt, denen Mord und Betrug nicht als Alltagsgeschäft gilt, mag hingegen angehen.
Neulingen sei empfohlen, eine der hinteren Reihen aufsuchen, um Kopfschmerzen zu vermeiden. Der nunmehr fünfte Teil der Saga knüpft inhaltlich direkt an Teil 3 an. Teil 4 war eine Art Spin-off bzw. Verlegenheitslösung, nachdem Hauptdarsteller Matt Damon seine Teilnahme zurückzogen hatte. Ob dieser Strang mit Darsteller Jeremy Renner als Aaron Cross fortgeführt wird, ist offen. Da Regisseur Greengrass der Hauptreihe treu bleibt, ist das auch von Damon zu erwarten (und seine Muckibude verdient ein Vermögen an ihm).
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Jason Bourne mit Matt Damon | (C) UIP Germany
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Max-Peter Heyne - 11. August 2016 ID 9474
Weitere Infos siehe auch: http://www.jasonbourne-film.de
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