Reise auf
den Mond
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Bewertung:
Mit welch' "einfachen" und wohl nicht ganz so kostenintensiven Mitteln Filmemachen geht, beweist gerade das in jeder Hinsicht hochprofessionell gearbeitete und ein kinoguckerisches Mitgefühl herauskitzelnde Landrauschen von Lisa Miller - sowieso besticht der Streifen durch ironische Distanz und ausgewogenen Humor; es macht nicht nur 'nen Heidenspaß, dem allen zuzusehen/zuzuhören, sondern es berüht zudem aufs Eindringlichste, animiert zum Nach- und Vorwärtsdenken à la "fuck the system" - jenem sprühdos'nen Imperativ, der rosarot und urplötzlich an einer Häuserwand in einer bayerischen Klitsche steht...
Die Grundidee ist klasse:
"Nach Jahren des wilden Lebens, mit Ende 20, zwei Hochschulabschlüssen, aber ohne Geld und erfüllendem Job, befindet sich Toni in einer Sinnkrise. Eine Erbschaftsangelegenheit dient als willkommener Grund, ihr kosmopolitisches Leben zu verlassen und wieder in ihr Heimatdorf zu fliehen, dessen Enge sie ursprünglich hinter sich lassen wollte. Doch dieser Neuanfang geht gründlich schief. Als Praktikantin für den Heimatteil einer Lokalzeitung fühlt sie sich weit unter Wert verkauft und zu Hause nehmen ihr die übergriffigen Eltern jede Luft zu atmen."
(Quelle: arsenalfilm.de)
Im lustig vorgeführten Bubenhausen also, dieser extraordinären bay'rischen Provinz des Landkreises Neu-Ulm, spielt sich das liebevolle Aufeinandertreffen Toni´s (Kathi Wolf) und Rosa´s (Nadine Sauter) ab. Sofort wird spürbar, dass zwischen den beiden Frauen so ein spinnennetzdünner, fast unsichtbar erscheinender Beziehungsfaden existiert. Die Eine, die hierher (und in ihr Elternhaus) zurückkehrte, "muss" für's Neu-Ulmer Käseblatt, wo sie soeben erst als Journalistin angeheuert wurde (und auch dass sie ihren Eltern nicht von vornherein total auf deren Tasche liegen will), Vereins- und Dorfberichterstattungen betreiben. Die Andere, die von hier stammt und auch womöglich nie groß von hier weggewesen war, hat einen Job in einer von der katholischen Kirche betriebenen Unterkunft für Flüchtlinge, ihr macht die Arbeit Spaß, und ihr soziales Tun und ihr Kontakt zu den KollegInnen und freilich auch zu jenem Dutzend von aus Afrika hierher Geflüchteten wirken echt, glaubhaft. Und wahrscheinlich kennen sich Toni und Rosa irgendwie von früher her; auf jeden Fall: Sie kommen schnell zusammen und schwingen, von ihren (Welt-)Anschauungen und ihren Lebenseinstellungen aus betrachtet, schon auf einer Welle...
Dann kommt dieser Schnitt, der Beide nach zwei Monaten (nachdem Toni in Bubenhausen sozusagen "aufgeschlagen" war) verändernd zeigt; Toni hat ihre rosarote Haarfarbe gegen ihr angebor'nes Blond zurückgetauscht, auch wirkt sie fester und gesattelter - davor hatte sie sich in einem investikativen Zeitungsbeitrag gegen die Versetzung resp. die Entlassung ihrer Freundin Rosa stark gemacht, worin sie ein von ihr vermutetes System erkannt zu haben glaubte, dass nämlich "in Ungnade" gefall'ne Angestellte um ihre von der katholischen Kirche bezahlte Stellen fürchten müssten, falls sie sich dann nicht kirchenkonform benähmen; Rosa´s offen ausgelebte Homosexualität war so ein Stein des Anstoßes, weswegen ihr der Vorgesetzte (ein katholischer Geistlicher) mit der Versetzung resp. der Entlassung drohte...
Das war allerdings dann bloß der Anstoß oder so ein Wink mit Zaunspfahl für den eigentlichen und emotional viel wichtigeren Fortverlauf der anrührenden Liebesstory, denn:
Rosa liebte, im Stillen, Toni. Ja und Toni, die sich - und obgleich sie gegenüber Rosa deutliche, unmissverständliche Signale sandte - opferte zum Filmschluss diese Liebe und verleugnete sogar zum bittern Ende hin ihre Geliebte, die sich letztlich doch dann "nur" als einseitig sie Liebende verstand; weswegen Rosa (oder Toni?) die geerbte Bruchbude in Flammen setzte und die Dorfsirene parallel zum Abspann sang.
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Der Film hätte statt eines herkömmlichen Drehbuchs inkl. aller Dialoge lediglich ein drehbuchartiges Konzept benutzt, um freie Szenenläufe und improvisierte Dialoge zu ermöglichen; genial! Das aufgezeigte Dorfleben gewinnt, auch durch das Mitspielen von Laiendarstellern (v.a. in der für die Gegenden gesproch'nen Mundart), stark an Authentizität.
Und nicht allein die beiden Hauptdarstellerinnen hinterlassen einen hochsympathschen und glaubwürdigen Eindruck!!
Alles - das will sagen: insgesamt tatsächlich ALLES - stimmt hier. Neues deutsches Kino einmal völlig außerplanetarisch.
Sehen, hören und erleben, unbedingt!!!!!
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Kathrin Wolf (als Toni) und Nadine Sauter (als Rosa) in dem Lisa Miller-Film Landrauschen | (C) Arsenal Filmverleih
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Bobby King - 19. Juli 2018 ID 10810
Weitere Infos siehe auch: https://landrauschen-film.de
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Neues deutsches Kino
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