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Deutsches Kino

Der unheimliche

Fremde



Bewertung:    



Bei einem so hintergründig und in Schlangenlinien erzählten Drama wie Liebmann muss man sich unwillkürlich fragen, ob solche Art Film inzwischen nicht zu subtil geworden ist für das Kino. Es wäre schade, denn die sanften, feinsinnigen Dramen sagen oft viel mehr aus als die lauten, um Aufmerksamkeit heischenden. Aber sie haben es doppelt schwer auf unseren Leinwänden – mindestens. Nachdem Liebmann vor rund einem Jahr in der Reihe mit deutschen Filmen auf der BERLINALE seine Premiere feierte, kam er nun – immerhin – doch noch regulär ins Kino. Und tatsächlich ist er einer der wenigen Beiträge, der mir aus der "Perspektive Deutsches Kino" in Erinnerung geblieben sind.

Dies liegt v.a. an der Kameraarbeit von Sebastian Egert, der die flirrende, lethargisch wirkende Wärme des französischen Sommers in mal idyllischen, mal irritierenden Bildern spiegelt und der Spielkunst des noch immer unterschätzten Godehard Giese (Im Sommer wohnt er unten). Der oft den Miesepeter verkörpernde Schauspieler spielt einen deutschen Urlauber namens Antek Liebmann, der seinem Namen keine Ehre macht, sondern zur besonders grüblerischen, distanzierten Art gehört. Dass der Deutsche in die Fremde gezogen ist, weil er Abstand braucht, können sich seine freundlichen Nachbarn (und die Zuschauer) bald denken, aber nicht, von wem oder was. Regisseurin Jules Hermann lässt die Motive seines Antihelden lange im Dunkeln und lässt sich stattdessen Zeit, das Unbehagen seiner Hauptfigur in eine Atmosphäre des Unheimlichen, teils Absurden zu verbildlichen. Der Protagonist wirkt unruhig, angestrengt, trinkt, schwankt in seinen Stimmungen. Immer mehr verflüchtigt sich der Eindruck einer friedlichen, sonnenverwöhnten Ferienatmosphäre in der nördlichen französischen Provinz, die eigentlich eine ideale Kulisse für eine Liebesgeschichte wäre. Doch Antek weist die Annäherungsversuche der schönen Nachbarin (rothaarig-betörend: Adeline Moreau) brüsk zurück und betont seine Homosexualität. Dann aber stößt er auch den jungen Mann (Fabien Ara) beiseite, den er selbst angebaggert hat. Und schließlich erschrickt Antek nächtens über die Spuren einer Mordserie, ohne dass er die Polizei verständigt. Hat er selbst etwas mit den Geschehnissen zu schaffen?

Erst der Besuch der Schwester (Bettina Grahs) aus dem benachbarten Deutschland gibt Hinweise auf Anteks zwiespältigen Zustand. Leider verliert der Film mit dem Wechsel ins Deutsche zugleich auch an Leichtigkeit und Esprit, als wollte das Drehbuch den Zuschauern einbläuen, dass sie zu unelegant und aufdringlich für eine Geschichte ist, die von Geheimnissen und Andeutungen lebt. Zwar erholt sich die Filmhandlung noch einigermaßen von der Penetranz dieser Gemütsdurchbraterei, aber als Katalysator für die darauffolgende Katharsis war der schwesterliche Auftritt zu schwer und zu schwach. So war ich doch froh, dass bald danach das große Geheimnis gelüftet wurde – und dennoch auch darüber, den Film überhaupt gesehen zu haben. Denn die vielen ästhetischen Spielereien und Subtilitäten unterhalten gut und verdienen Respekt.




Godehard Giese als Liebmann | (C) MissingFILMs

Max-Peter Heyne - 1. Februar 2017
ID 9815

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