Die Suche
nach den
eigenen
Wurzeln
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Bewertung:
Der Film Lion ist das Regiedebüt des Australiers Garth Davis und beginnt 1986 in Indien. Der fünfjährige Saroo (Sunny Pawar) lebt mit seinem älteren Bruder Guddu (Abhishek Bharate) und der kleineren Schwester in ärmlichen Verhältnissen. Seine Mutter arbeitet im Steinbruch, um ihre Kinder durchzubringen, und Guddu hilft, so gut er nur kann. Der kleine Saroo versucht, seinem großen Bruder nachzueifern und drängelt so lange, bis der ihn auf Nachtarbeit mitnimmt. Doch Saroo schläft in einem abgestellten, leeren Zug am Bahnhof ein; und als er aufwacht, ist er unterwegs ins 1600 Kilometer entfernte Kalkutta. Saroo weiß seinen Nachnamen nicht, er kann den Ort seiner Herkunft nicht genau benennen, und er versteht kein Bengalisch, wie es in Kalkutta gesprochen wird. Er hat keine Tasche, kein Essen und kein Geld und ist in der Fremde. Kalkutta ist eine überbevölkerte Stadt, bei der erwachsenen Fremden schon die Orientierung schwer fallen dürfte, ohne Unterstützung und Verständigungsmöglichkeit ist das ein traumatisches Erlebnis für den kleinen Jungen.
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Der kleine Saroo (Sunny Pawar) ist weit weg von zu Hause und allein | (C) Universum Film
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Eine Gruppe von Straßenkindern lässt ihn in ihrer Nähe auf einem Stück Pappe schlafen, aber in der Nacht werden sie von der Polizei gejagt. Saroo gelingt die Flucht. Irgendwann gerät er an eine nette Frau, die ihn mit zu sich nach Hause nimmt, ihm Essen gibt und Obdach gewährt. Am nächsten Tag kommt ein Mann, der ihn zu einer netten Familie mitnehmen will und der seiner Beschützerin eine ganze Menge Geld da lässt. Saroo ahnt zwar nicht, was da vor sich geht, ergreift in einem günstigen Moment aber instinktiv die Flucht. So landet er letztlich in einem Kinderheim, von dem aus er von einer australischen Familie adoptiert wird.
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Als Erwachsener sucht Saroo (Dev Patel) auf Google Earth nach seinem Dorf | (C) Universum Film
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Saroo findet in seiner Adoptivmutter Sue (Nicole Kidman) und seinem Adoptivvater John (David Wenham) wunderbare Eltern, die ihn liebevoll aufziehen. So wächst Saroo (jetzt gespielt von Dev Patel) heran und beginnt ein Studium in Hotelmanagement. Doch die Erinnerung an seine frühe Kindheit lässt ihn nicht ruhen. Er berechnet die Fahrzeit des Zuges mit der durchschnittlichen Geschwindigkeit in den 1980er Jahren und zeichnet auf Google Earth einen riesigen Radius ein, von wo er möglicherweise herkommen könnte. Er hat ein paar wenige Anhaltspunkte und ein riesiges Gebiet, das in Frage kommt.
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Saroo will wissen, was aus seiner Familie in Indien geworden ist. Hier als Fünfjähriger (Sunny Pawar) mit seinem Bruder Guddu (Abhishek Bharate) | (C) Universum Film
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Basierend auf dem Bestseller Mein langer Weg nach Hause, in dem der echte Saroo Brierley seine Lebensgeschichte aufarbeitet, ist dem australischen Regisseur und Werbefilmer Garth Davis ein bewegender Film gelungen. Die Geschichte wird chronologisch und nicht in Rückblenden erzählt, was eine sehr gute Entscheidung war. Der australische Dichter Luke Davies schrieb das packende Drehbuch dazu.
Die erste Stunde des Films gehört ganz dem kleinen Sunny Pawar als fünfjähriger Saroo, der dem Film eine Echtheit und Intensität verleiht, die unter die Haut geht. Als Werbefilmer ist Davis gewöhnt, ausdrucksstarke Bilder zu finden, was ihm besonders gut in Kalkutta gelingt, wo er das Ausgeliefertsein und den Überlebenskampf des Jungen mit eindrücklichen Bildern illustriert. An seiner Seite der australische Kameramann Greig Fraser (Rogue one: A Star Wars Story), der insbesondere den kleinen Kerl wunderbar in Szene setzt. Nun ist Sunny Pawar ein solches Naturtalent, dass der Film im zweiten Teil, der ihn als Erwachsener schildert und in dem er nicht mehr vorkommt, abfällt und abfallen muss. Dev Patel (Slumdog Millionär) ist zwar in seiner bisher anspruchsvollsten Rolle zu sehen, doch keiner der SchauspielerInnen kommt an die emotionale Wucht des Fünfjährigen heran. Nicole Kidman als Adoptivmutter scheint von dem kleinen Sunny so hingerissen zu sein, dass sie gar nicht zu schauspielern braucht.
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Dem echten Saroo Brierley gelang tatsächlich das Unmögliche. Er fand über Google Earth sein Dorf, reiste dorthin und fand seine Familie wieder. Am Ende des Films sehen wir Bilder der Wiederbegegnung. Seine Abenteuer und die Beharrlichkeit seiner Suche machen Mut und geben Hoffnung. Die australischen Adoptiveltern unterstützten Saroos Suche, nachdem der ihnen zunächst nichts davon erzählt hatte aus Angst, sie zu verletzen.
Brierleys Lebens- und Leidensgeschichte ist ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, seine Wurzeln zu kennen. Er hat es geschafft, seine indische Herkunft und seine australische Sozialisation miteinander in Einklang zu bringen und ein Band zwischen seiner biologischen und seiner Adoptivfamilie geschaffen. Seine leibliche Mutter ist immer in dem Ort geblieben, weil sie die Hoffnung auf Saroos Rückkehr nie aufgegeben hatte, obwohl diese extrem unwahrscheinlich war. Aber sie hat ihrem Kind einen guten Namen mit auf den Weg gegeben, übersetzt heißt er nämlich Lion, also Löwe.
Lion ist insgesamt für sechs Oscars nominiert, auch in der Königskategorie als bester Film. Dev Patel und Nicole Kidman als NebendarstellerIn, Greig Fraser (Kamera), Luke Davies (bestes adaptiertes Drehbuch) sowie Dustin O’Halloran und Hauschka für die einfühlsame Filmmusik.
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Helga Fitzner - 23. Februar 2017 ID 9869
Weitere Infos siehe auch: http://www.lion-film.de
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