Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Hollywood

Am Rand der

Sterblichkeit



Bewertung:    



Die Rolle der Titelfigur Lucky wurde dem Urgestein des amerikanischen Films, Harry Dean Stanton (1926-2017) auf den Leib geschrieben. Stanton trat 1954 das erste Mal im Fernsehen auf und war 63 Jahre lang - meistens als der Nebendarsteller mit den markanten Gesichtszügen - aus dem Film- und Fernsehgeschäft nicht wegzudenken. Die Filmdatenbank IMDB weist 202 Einträge unter seinem Namen auf. 1984 gab Wim Wenders Stanton die erste Hauptrolle in dem Kinofilm Paris, Texas, dem heutigen Publikum dürfte er aus der Fernsehserie Twin Peaks bekannt sein. Deren Regisseur David Lynch ließ es sich nicht nehmen, in Lucky mitzuspielen, als der esoterisch angehauchte Howard, dem seine hundertjährige Schildkröte „Mr. Roosevelt“ entlaufen ist und den er trotzdem testamentarisch als seinen Erben einsetzen will.

Die Drehbuchautoren Logan Sparks und Drago Sumonja boten dem Schauspieler John Carroll Lynch (nicht verwandt mit David Lynch) das Drehbuch an, der mit Lucky sein Regiedebüt gibt. „Mir schien es so, dass mich das Drehbuch mit jemandem bekannt machen würde, den ich in dieser Form noch nie in einem Film gesehen habe“, erklärt J. C. Lynch. „Jemand, der in vielerlei Hinsicht der geborene Verweigerer ist. Lucky lebt am Rand der Stadt und am Rand seiner Sterblichkeit - ohne große Fanfare und ohne große dramatische Ereignisse tritt er seiner Isolation und seiner Verbindung mit der Ewigkeit entgegen.“ Der Film ist eine Art Liebeserklärung an Stanton, und so spielt auch ein weiterer Freund von ihm als Dr. Kneedler mit, Ed Begley jr. Nachdem Stanton in seiner Küche kurz das Bewusstsein verliert, ist es Kneedler, der ihm erklärt, dass er eigentlich kerngesund ist, aber eben mit 90 Jahren schon sehr alt. Dagegen gibt es keine Medizin. Lucky sieht die Dinge prinzipiell sehr lakonisch und zitiert gerne aus dem Lexikon: „Realismus ist eine Sache! Es ist die Praxis, eine Situation so zu akzeptieren, wie sie ist, und die Bereitschaft entsprechend mit ihr umzugehen!“ Ähnlich gelassen verläuft das Gespräch in seinem Stammrestaurant, als ein durchreisender Gast, der Vietnam-Veteran Fred (Tom Skeritt), auftaucht und sie sich über ihre Kriegserlebnisse unterhalten.



Lucky (Harry Dean Stanton) hat am Zweiten Weltkrieg teilgenommen und tauscht mit dem Vietnam-Veteranen Fred (Tom Skerrit) Erfahrungen aus. | (C) Alamode Film


All dies konfrontiert Lucky mit seiner Sterblichkeit, wodurch er sich aber nicht von seiner Tagesroutine in einem kleinen Wüstenkaff im Nirgendwo abbringen lässt. Yogaübungen am Morgen, Kreuzworträtsel, Rateshow im Fernsehen, Besuche im Burgerrestaurant, und am Abend eine Bloody Mary in der Kneipe.

Eines Tages lädt ihn die mexikanische Betreiberin des kleinen Lebensmittelladens zum Geburtstag ihres kleinen Sohnes ein. Wahrscheinlich sogar zu seiner eigenen Überraschung sagt der Einzelgänger Lucky zu und landet bei einer mexikanischen Familienfiesta, bei der er anrührend den spanischen Klassiker „Volver, Volver“ a capella zum besten gibt. Stanton hat schon mehrfach bewiesen, dass er über ein beträchtliches gesangliches Talent verfügt, und hier klingt seine Stimme viel jünger als die eines 90jährigen.

Und so geht das Leben weiter. Lucky verzichtet weder auf seine Zigaretten noch auf seine Bloody Mary am Abend. Die Autoren haben viele Gewohnheiten von dem echten Stanton in ihre Filmfigur einfließen lassen. Regisseur Lynch erinnert sich: „Wir empfanden es als große Verantwortung, für den Film aus Harrys Leben und seinen Begegnungen mit anderen Menschen zu schöpfen... Der Film musste auch Luckys Reise von etwas zu nichts widerspiegeln, aber nicht durch das Abhaken letzter Wünsche... Wir verändern uns von innen und nicht von außen heraus. Aber vor allem wollten wir Harry feiern und ihm ein Denkmal setzen.“

*

So gibt Stanton eine grandiose Abschiedsvorstellung, spielt sozusagen seinen eigenen Nachruf. Er war ein Mann, der nach eigenen Maßstäben gelebt hat und sich nicht verbiegen ließ. Und er verfügte über sehr viel Mut, seine eigene Angst und Auseinandersetzung mit seinem bevorstehenden Tod in einer Hauptrolle zu thematisieren. Alle Achtung dafür. Harry Dean Stanton verstarb im September 2017 im Alter von 91 Jahren. Kaum ein Schauspieler hat sich über 60 Jahre lang trotz seiner Widerborstigkeit im Fernsehen und auf der Kinoleinwand derart verewigen können. Mit Lucky hat Stanton noch mal eine Glanzleistung abgeliefert und eine Art Vermächtnis.
Helga Fitzner - 8. März 2018
ID 10575
Weitere Infos siehe auch: http://www.lucky-derfilm.de/


Post an Helga Fitzner

EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM

Unsere Neue Geschichte



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



 

FILM Inhalt:

Rothschilds Kolumnen

BERLINALE

DOKUMENTARFILME

DVD

EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM
Reihe von Helga Fitzner

FERNSEHFILME

HEIMKINO

INTERVIEWS

NEUES DEUTSCHES KINO

SPIELFILME

TATORT IM ERSTEN
Gesehen von Bobby King

UNSERE NEUE GESCHICHTE
Reihe von Helga Fitzner



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2025 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)