Filmstart: 21. November 2013
Lunchbox (IND/F/D 2013)
Drehbuch und Regie: Ritesh Batra
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Lunchbox ist ein Film, der durchaus glücklich machen kann. Obwohl in Indiens Metropole Mumbai gedreht, geht das sogar ohne Gesang und Tanz à la Bollywood. Ritesh Batra hat für seinen Debütfilm auch das Drehbuch geschrieben und setzt auf Authentizität. Mit einer verhältnismäßig straffen, eher westlich orientierten Dramaturgie erzählt er eine zutiefst indische, und doch universelle Großstadtmär. Diese handelt vom individuellen Streben nach Glück, das wiederum allgemein menschlich ist, allzu menschlich in Lunchbox und sehr berührend.
Batra zeigt, ohne zu beurteilen oder gar zu verurteilen. Der Film beginnt mit dem Verkehrschaos in Mumbai, Autos, Pendlerzügen und allen möglichen Arten der Fortbewegung. Ila (Nimrat Kaur) will wieder Schwung in ihre erlahmte Ehe bringen und probiert neue Kochrezepte aus, um ihren Mann mit Gaumenfreuden zu betören. Das in mehrstöckigen Behältern verpackte Mittagessen wird in Mumbai traditionell von den Dabbawallas abgeholt und an den Bestimmungsort und wieder zurück gebracht. Diese „Lieferanten“ verstehen ihre Dienste als Berufung, wobei sie die Zuverlässigkeit als religiöse Pflicht ansehen und einen hochentwickelten Ehrenkodex haben. Viele von ihnen sind Analphabeten, aber ein ausgeklügelten Kennzeichnungssystem hilft ihnen bei der Auslieferung. Deshalb verrichten sie ihre Arbeit zu 100 % korrekt.
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Ila (Nimrat Kaur) will ihre Ehe mit ihren Kochkünsten retten - Foto © NFP
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Genauso korrekt verrichtet der Versicherungsangestellte Saajan (Irrfan Khan) seit 35 Jahren seine Arbeit, indem er Schadenersatzansprüche fehlerlos bearbeitet. Seine Frau ist gestorben, und er steht kurz vor der Pensionierung. Die Tristesse seines Alltags wird von zwei Ereignissen unterbrochen, fast gestört: Er soll einen unfähigen Kollegen namens Shaikh (Nawazuddin Siddiqui) einarbeiten, was ihm überhaupt nicht passt. Und – eines Tages geschieht das Unmögliche, er bekommt eine Lunchbox geliefert, die gar nicht für ihn bestimmt ist. Das mit so viel Hingabe zubereitete Essen von Ila mundet ihm sehr, und mit der Zeit wird die Mittagspause zum Höhepunkt des Tages.
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Saajan (Irrfan Khan) ist irritiert und fasziniert zugleich - Foto © NFP
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Als Ila Zweifel kommen, dass ihr Mann das Essen bekommt, legt sie einen Zettel bei, den Saajan auch beantwortet. Die Lunchbox wird allmählich zum geheimen Briefkasten für zwei einsame Menschen, die sich dadurch näher kommen. Sie träumen davon, nach Bhutan zu gehen, weil es heißt, dass die Menschen dort glücklicher sind. Die soziale Sicherheit und der kleine Wohlstand, den sie erworben haben, ersetzt nicht das fehlende Glück. Vor allem Ila trifft es hart, als ihr Vater stirbt und ihr Mann einfach seinen Geschäften nachgeht. Sie erfährt auch, dass er fremdgeht und dass sich das Eheglück nicht durch Kochen zurückgewinnen lässt.
Etwas glücklicher ist Saajan dran, denn er öffnet sich allmählich für die Menschen in seiner Umgebung. Insbesondere freundet er sich mit seinem Nachfolger Shaikh an und arbeitet ihn ordentlich ein. Er verbringt gelegentlich auch seine Freizeit mit ihm und wird sogar sein Trauzeuge. Shaikh ist ein Waisenkind und hat keine eigene Familie. Saajan wird so zum Vaterersatz für ihn.
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Saajan (Irrfan Khan) freundet sich langsam mit Shaikh (Nawazuddin Siddiqui) an - Foto © NFP
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Der Film beginnt mit einem Fehler im logistischen System, wie er in Realität wohl nicht vorkommt. „Ich habe auf der unwahrscheinlich Fehlerquote ein Märchen aufgebaut“, erklärt Batra. “Ich möchte ja, dass man den Fehler auch als Fügung begreifen kann. 'Der falsche Zug kann einen zum richtigen Ziel führen', heißt es dazu in meinem Film.“
Das melancholische Märchen ist mit subtilem Witz gewürzt und mit wundervollen Schauspielern besetzt. Irrfan Khan erlangte Weltruhm mit Life of Pi: Schiffbruch mit dem Tiger und Slumdog Millionaire. Er überzeugt durch seine zurückgenommene Spielweise, wie auch seine Kollegin Nimrat Kaur. Eine der wundervollsten Ideen ist „Auntie“, eine Nachbarin von Ila, die ihr Ratschläge fürs Leben und zum Kochen gibt. Sie ist aber nur durch das Fenster zu hören und wird von dem Fernsehstar Bharti Achrekar gesprochen. Ihre Stimme wurde aber nicht nachsynchronisiert, sondern sie saß während des Drehs neben dem Regisseur und sprach unmittelbar ihren Text. Das war eine der Maßnahmen, den Film so authentisch wie möglich zu gestalten. „Ich wollte einen Film machen, der bis ins kleinste Detail aufrichtig ist“, erklärt Regisseur Barta. Diese Akribie, ein außerordentliches Gespür für Nuancen und viel Herzenswärme zeichnen dieses Erstlingswerk aus.
Bewertung:
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Helga Fitzner - 20. November 2013 ID 7384
Weitere Infos siehe auch: http://www.lunchbox-derfilm.de/
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