Lob der
Verrücktheit
|
|
Bewertung:
Ohrensausen (Orecchie) von 2016 kommt jetzt, im italienischen Original mit deutschen Untertiteln, in die deutschen Kinos. Der schwarz-weiße Low-Budget-Film ist eine trockene Komödie, die am ehesten an Jim Jarmusch denken lässt, weit entfernt von jenem schenkelklopfenden Pseudohumor, der uns seit Jahren in Kino und Fernsehen überflutet. Es ist der zweite abendfüllende Spiefilm, bei dem der Drehbuchautor Alessandro Aronadio auch Regie geführt hat – inzwischen hat er einen dritten vollendet.
Was sofort auffällt: der Film spielt mit Filmformaten. Er beginnt mit einem quadratischen Format, also dem ungebräuchlichen Seitenverhältnis von 1:1, das innerhalb von 90 Minten unmerklich immer breiter wird, den Horizont erweitert, nach und nach Totalen mit Stadtansichten von Rom zulässt. Der Grundeinfall könnte von Daniil Charms sein: Ein Mann bemerkt ein Klingeln in seinem Ohr. Das war‘s. Der Film beschreibt, wie einst Jacques Tati, die Reise durch die Tücken unseres ganz gewöhnlichen Alltags mit diesem banalen Problem. Lakonisch wie die Dialoge und die Einstellungen ist auch die Musik von Santi Pulvirenti, interpretiert von Ameen Saleem auf einem gezupften Kontrabass.
Stellenweise bleibt unklar, ob, was da besprochen wird, ernst gemeint oder eine Satire ist. Ist das Gespräch mit dem Pater – ein in der Weltliteratur beliebter Topos – ein Wendepunkt in der Handlung, oder ist er eine Parodie? Ist die Welt verrückt, wie eine Professorengattin meint, ist es der „Held“, oder erscheint uns bloß das „Normale“ absurd wie der alte Obdachlose, der auf der Straße wohnt und Telefonbücher sammelt? Der Schluss lässt keine Zweifel: Ein langer Monolog im Breitbild plädiert dafür, die Welt in ihrer Verrücktheit zu akzeptieren.
„Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?“ (Thomas Bernhard). Eins ist es auf alle Fälle: dezidiert human. Und ein Film, den man nicht versäumen sollte.
|
Ohrensausen | (C) Alpenway Media
|
Thomas Rothschild – 13. März 2019 ID 11279
Weitere Infos siehe auch: https://alpenway.com/ohrensausen/
Post an Dr. Thomas Rothschild
Filmkritiken
Neues deutsches Kino
THEATER-THEMEN
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Rothschilds Kolumnen
BERLINALE
DOKUMENTARFILME
DVD
EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM Reihe von Helga Fitzner
FERNSEHFILME
HEIMKINO
INTERVIEWS
NEUES DEUTSCHES KINO
SPIELFILME
TATORT IM ERSTEN Gesehen von Bobby King
UNSERE NEUE GESCHICHTE Reihe von Helga Fitzner
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|