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Rezension


15. bis 21. September 2011, Filmhaus Köln

Visions of China 2011

5. Chinesisches Filmfestival


„Harmonie und Liebe sind das ewige Thema“

Mit Zhang Weis virtuosem Film „Shadows“ (China 2011) über das chinesische Schattentheater wird das diesjährige Festival „Visions of China“ eröffnet. Der Regisseur und Drehbuchautor Wei hat damit eine Tradition auf Leinwand verewigt, die mutmaßlich 1000 Jahre alt ist und deren Ursprünge aus China stammen. Der Schatten von beweglichen Figuren, die aus bunt gefärbten Lederstücken gefertigt werden, wird auf einen weißen Vorhang projiziert; so eine Art Vorläufer des Kinos, nur dass die Spieler live dazu singen und musizieren. Von Ehekrach über Schwertkämpfe ist thematisch eine große Vielfalt vertreten. Das Schattentheater ist eine Volkskunst, die sich mit den Freuden und Sorgen der chinesischen Bevölkerung beschäftigt.



Bild „Shadows“ © Visions of China “Der Puppenspieler Master Ma”


Der Held des Films ist der 72-jährige Puppenspieler Ma Qianli, der seine Kunst mündlich von einem Meister gelernt hat. Die Geschichten sind nie aufgeschrieben worden und das widerstrebt auch der Tradition. Meister Ma hat als Assistenten den behinderten Baogen, aber keinen richtigen Nachfolger, daher besteht die Gefahr, dass seine Kunst ausstirbt. Eines Tages kommt eine französische Filmemacherin in sein Dorf und will eine Dokumentation über ihn drehen, was ein paar eifrige Unterstützer auf den Plan ruft. Sie stellen bei den Behörden den Antrag, dass das Schattentheater unter offiziellen Schutz als kulturelles Erbe gestellt wird. Meister Ma wird in die Großstadt gefahren, wo er seine Kunst vorführen soll. Er ist überrascht, dass er sehr erfolgreich damit ist, als er vor jungem Publikum spielt und sogar einen Gastvortrag an der Universität hält. Die moderne Welt ist neu für ihn, aber er freundet sich schnell mit ihren Vorzügen an und hat viel Spaß an seinem Handy. Doch hat seine kleinformatige und handgemachte Kunst noch einen Platz in der lauten Welt der Moderne? Können seine subtilen Schatten es mit der grellen Neonwelt der Großstadt aufnehmen? Die Kameraführung von Shao Dan setzt erfolgreich auf Licht- und Schattenspiele unterschiedlicher Art und schafft so eine wunderbare atmosphärische Dichte. Der Film beleuchtet die Licht- und Schattenseiten der Tradition und der Moderne und wirft die Frage auf, inwieweit diese Welten im China der Neuzeit kompatibel sind.

Die berühmtesten Exporte der chinesischen Filmindustrie sind Martial-Arts-Filme. In diesem Jahr ist das Multitalent Chen Tianxing in Köln zu Gast, der in dem Actionfilm „Nunchucks“ (China 2011) Regie führte und die Hauptrolle übernahm. Chen Tianxing spielt den Drehbuchautor Dong Fangzhe, der mit seinem neuesten Drehbuch sein Idol Bruce Lee würdigen will. Aber er hat eine Schreibblockade. Deshalb steigert er sich in seine Arbeit hinein und vernachlässigt seine Familie. Das ändert sich, als eines Tages sein kleiner Sohn entführt wird und er sich auf eine abenteuerreiche Suche mit vielen Kung-Fu-Kämpfen begibt.



Bild „Nunchucks“ © Visions of China “Dong Fangzhe (Chen Tianxsing) hat zu kämpfen”


Chen Tianxing wurde 1970 in Luzhou in der Provinz Sichuan geboren und gehört zur jüngeren Generation unter den etablierten, chinesischen Kung-Fu-Stars. Er bedauerte allerdings während der Pressekonferenz am 14. September 2011, dass die Martial-Arts-Filme in China nicht mehr den Stellenwert haben, den sie mal genossen haben. Möglicherweise hat das mit der digitalen Technik zu tun, denn Tianxing beklagte die Verfälschung, die sich in den Martial-Arts-Filmen eingeschlichen hat. Die digitale Technik erlaube die unwahrscheinlichsten Kampfszenen, bei denen Menschen beispielsweise fliegen können: „Das Fliegen macht doch keinen Sinn“, meint Tianxing, „Film muss doch etwas mit dem Leben zu tun haben. Es geht doch nicht, dass immer nur geschlagen und gekämpft wird, ohne dass es um Werte geht. Martial Arts haben eine spirituelle Bedeutung. Man muss solchen Filme doch eine Seele geben“. In „Nunchucks“ geht es um Beziehungen, die Beziehung der Eltern zu ihrem Kind und der Eheleute untereinander. Tianxing behandelt damit eine soziale Frage, denn seit der Modernisierung Chinas arbeiten die Männer viel zu viel und kümmern sich mehr um ihre Karriere als um ihre Familie. Die Nunchucks sind Waffen, die aus zwei Stäben und einer sie verbindenden Kette bestehen. So sieht Tianxing auch die Beziehungen zwischen den Menschen. Im Film reißt diese Kette mehrfach und Dong Fangzhe ist damit beschäftigt, sie wieder zusammenzufügen. Das ist auch seine Aufgabe im übertragenen Sinne. Er muss seine Familie wieder zusammenbringen und lernen, dass Karriere allein nicht glücklich macht. „Harmonie und Liebe sind das ewige Thema“, erklärt Chen Tianxing. Und es ist schön, dass das gerade auch für einen Martial-Arts-Film gilt.

Bei den Beiträgen von „Visions of China“ erwarten uns ein weiterer Action-Film „Unusual Love“, mehrere Dramen, darunter „Once Upon a Time In Tibet“ sowie die moderne Komödie „Under the Influence“.

Am Sonntag, den 18. September 2011 ist um 19.30 Uhr die Preisverleihung. Bis Dienstag, den 21. September sind unter Panorama dann noch die Filme außerhalb des Wettbewerbs zu sehen.

„Das ist die Ausbeute aus über 100 Einsendungen“, erklärte der Leiter des Festivals Dirk Werner. „Wir haben feststellen können, dass die Filme insgesamt westlicher geworden sind als bei unseren Anfängen vor fünf Jahren. Viele Filme handeln vom alltäglichen Leben in China, deshalb eignen sie sich hervorragend für interkulturellen Austausch, den wir mit diesem Festival beabsichtigen“.

Zwei Filme „The Floating Shadow“ und „My Mongolian Mother“ mussten zurückgezogen werden, da sie für die Berlinale angefragt wurden. Das mag ein Zeichen sein, dass das Filmhaus Köln mit seinen „Visions of China“ durchaus visionär ist. Die beiden Filme werden durch Wiederholungen von „Nunchucks“ ersetzt.


Helga Fitzner - 14. September 2011
ID 00000005383

Weitere Infos siehe auch: http://www.visionsofchina.de


E-Mail an die Autorin Helga Fitzner



 

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