Die Gesichter
des Architekten
|
|
Bewertung:
Baumeister Solness ist ein altes Ibsen-Stück von 1892, wo ein norwegischer Bauunternehmer die Hauptrolle spielt. Gut möglich, dass das Drehbuchautor/Regisseur Michael Klette (der auch vom Theater kommt) kurz in den Sinn geraten war, als er für seinen Film nach einem Titel suchte: Solness
"Solness führt noch immer eines der angesehensten Architekturbüros, aber kreativ ist er schon lange nicht mehr. Er schart begabte junge Menschen um sich, lässt sie für sich arbeiten. Er beutet sie aus, tritt mit ihnen in den Wettbewerb. Er weiß, er wird es nicht ewig durchhalten; die Jungen werden ihn irgendwann besiegen, demütigen, triumphieren.
Sein Privatleben liegt auf Eis. Seit dem Tod seiner beiden Kinder hat sich seine Frau Aline emotional immer weiter von ihm entfernt. Die Ehe steht vor dem Scheitern. Im Moment der Krise bricht die 22jährige Architekturstudentin Hilde Wangel in sein Leben. Wie aus dem Nichts. Golden glänzt ihr Haar im Gegenlicht der Sonne, eine mädchenhafte Erscheinung, unschuldig wie ein Botticelli-Engel.
Hilde, der Solness zehn Jahre zuvor ein Königreich und ein Schloss versprochen haben soll, fordert die Einlösung dieses Versprechens. Solness erinnert sich nicht mehr an das junge Mädchen von damals. Aber Hilde bleibt und dringt mehr und mehr in Solness‘ Leben ein."
(Quelle: solness.de)
|
Hilde will zu Solness | (C) Basis-Film Verleih Berlin
|
Solness´nordländische Kirche | (C) Basis-Film Verleih Berlin
|
Thomas Sarbacher als Solness | (C) Basis-Film Verleih Berlin
|
Die Attraktion dieses fast schon surrealistisch anmutenden und doch wiederum "realen Filmmärchens" ist der sich selbst und uns, die Zuschauer, in seinem hochrasanten Alterungsvollzug des Solness weder körperlich noch psychisch schonende Thomas Sarbacher! Dessen Gesicht ist Landschaft pur - es ist so schön und schroff wie die von unzähligen Fjorden durchgetälerten norwegischen Gebirgszüge, die von 'nem altmodisch dahinrumpelnden Propellerflugzeug (gleich zu Filmbeginn) von oben ins Visier genommen werden...
Harald Solness hatte eine Art von nordländischem Kirchenbau zu Babel - als er höchstwahrscheinlich noch als Weltstararchitekt gegolten haben sollte - einst entworfen. Aus der Zeit stammt seine Erstbegegnung mit der Norwegerin Hilde. In diversen Rückblenden ist sie als vielleicht Vierzehnjährige, die einsam und verloren einer Party mit Erwachsenen beiwohnt, gezeigt; mehrdeutig auslegbare Filmsequenzen lassen einen etwaigen Sexualmissbrauch im Nachhinein vermuten - alles bleibt jedoch im Fortverlauf der Handlung nebulös, unaufgeklärt... Jetzt (im ganz aktuell-"realen Filmmärchen", das auf Berliner Wohnungsbaustellen, in Solness' Loft-Wohnung und Solness' Firma sowie in Berliner Kneipen, Clubs und Absteigen von Kamermamann Ralf Noack und den zwei Cuttern Beatrice Babin und Till Ufer brutalnüchtern, farbverrauscht und hektisch-aufgekratzt gedreht sowie geschnitten wurde) taucht sie plötzlich wieder auf:
Die Hilde Julia Schachts ist von verstörend-anziehender Suggestivkraft. Ihre Art zu sprechen und sich zu bewegen ist nordlichtern, sphärisch, nicht von dieser Welt.
Solness-Gattin Alina wird von Doris Schretzmayer aufs Imposanteste verkörpert.
André M. Hennicke spielt den alten Hausfreund des Familienrumpfs - als Neurologe Herdal konfrontiert er Solness mit der Tatsache eines real vorhandenen Gehirntumors; das war und ist (womöglich) auch der Grund gewesen, warum Solness sich partout nicht an das norwegische Mädchen, also das von früher, rückerinnern konnte.
Auch Robert Stadlober (als aus dem Kreis der Jungen Wilden rausfallender und zugleich herausragender Architekten-Eleve Jakob) überzeugt - Jakob stand kurz davor, eine Kirche in Warschau entwerfen zu können; Solness stellte seine Zeichnung vor Allen bloß, verbesserte und korrigierte sie und zog sich damit schlussendlicher Weise die Verachtung und den Hass nicht nur von Jakob sondern auch von allen Anderen im Kreis der Jungen Wilden zu...
Ein stark erschütterndes und auch bemitleidenswertes Psychogramm einen Karrieresturzes - - Solness' Ende freilich war (von Anfang an) eindeutig absehbar: ein kleinster Fehltritt vom Gerüst.
Sarbacher (nochmals): Super!!!!!
|
Andre Sokolowski - 24. Juni 2016 ID 9403
SOLNESS (D 2016)
Drehbuch und Regie: Michael Klette
Kamera: Ralf Noack
Schnitt: Beatrice Babin und Till Ufer
Szenenbild: Annette Lofy
Musik: Stefan Maria Schneider und Héctor Marroquin
Besetzung:
Solness ... Thomas Sarbacher
Hilde ... Julia Schacht
Herdal ... André M. Hennicke
Aline ... Doris Schretzmayer
Jakob ... Robert Stadlober
Katja ... Lise Risom Olsen
Knut ... Dieter Meier
Filmpremiere im Berliner Kino Hackesche Höfe: 23. Juni 2016
Weitere Infos siehe auch: http://solness.de
http://www.andre-sokolowski.de
Rosinenpicken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Rothschilds Kolumnen
BERLINALE
DOKUMENTARFILME
DVD
EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM Reihe von Helga Fitzner
FERNSEHFILME
HEIMKINO
INTERVIEWS
NEUES DEUTSCHES KINO
SPIELFILME
TATORT IM ERSTEN Gesehen von Bobby King
UNSERE NEUE GESCHICHTE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|