Spring Breakers zeigt, was passieren kann, wenn wilde Mädchen ihr Macho-Gen entdecken
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Russ Meyer hätte seinen Spaß gehabt
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Vier minderjährige Teenager wollen der Langeweile der US-Provinz entfliehen, lassen wie hunderttausende Gleichgesinnte am Frühlingsanfang (Spring Break) an Floridas Stränden die Sau raus, kommen kurzzeitig in den Knast und geraten an einen Drogendealer, der sie zu Komplizinnen und Gespielinnen macht. Spektakulär? Naja. Bizarr? Ein bisschen. Bissig? Aber hallo! Warum? –
Regisseur Harmony Korine ist gelungen, was heutzutage nur noch Wenigen (wie z.B. Lars von Trier) gelingt: Er provoziert und spaltet die Kritikergemeinde. Etwas verwunderlich ist das schon, denn in seinem zweiten Spielfilm Spring Breakers tut er nicht viel mehr, als zwei geschmacklose, grelle Phänomene der amerikanischen Subkultur zu kombinieren: Das tagelange Dauerkiffen, Komasaufen und Busen blank ziehen von partywilligen Teenagern mit dem machohaften, Gewalt und Waffen fetischisierenden Gehabe der Gangstaszene. Dass beide Phänomene hochgradig eskapistisch, infantil und Testosteron-gesteuert sind, macht einen Teil ihrer Faszination aus, den sie vor allem auf junge Menschen ausüben, die in der Regel nicht so angepasst sein wollen wie ihre Eltern.
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Selena Gomez, Rachel Korine, Vanessa Hudgens und Ashley Benson (v. l. n. r.) - Foto (C) Wild Bunch Germany
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Indem Korine zeigt, wie fließend der Übergang von den Twentyfour-Hour-Partypeople hin zur professionellen Drogenmafia ist, verweist er auf eine gemeinsame Wurzel, die für europäische Gemüter nur ansatzweise nachvollziehbar sein dürfte: Springbreaken (neu) und Drogenkriminalität (etabliert) sind Rebellionen gegen das miefig-spießige, auf Unterdrückung aller sexuellen oder sonst wie triebhaften Kräfte abzielende Leben in der amerikanischen Provinz, in der die Kraft der Liberalisierungsbewegung und der sexuellen Revolution weitgehend wirkungslos verpufft sind. Und wie einst im Mittelalter sorgen Drogen, BBQ und Karneval (auf amerikanische Art) für das notwendige Ventilieren des Triebstaus.
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Selena Gomez, Ashley Benson, Rachel Korine und Vanessa Hudgens (v. l. n. r.) - Foto (C) Wild Bunch Germany
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Was jedoch bei manchen Rezensenten und Zuschauern für Widerspruch führt, dürfte eine andere, untergründige Gemeinsamkeit sein, die Korine herstellt: Spring Break und Drogenkriminalität wirken wie Gegenkulturen einer zunehmend feminisierten und pazifistischen westlichen Gesellschaft, in der Destruktivität und Zügellosigkeit (bis hin zum Rauchen) sanktioniert, dafür aber kommunikative Eloquenz, Bildung und charakterlich-emotionale Ausgewogenheit gefordert und gefördert werden. Die dunklen und brüchigen Seiten dieser Zivilisation, die Spring Breaker und Kriminelle in unterschiedlichem Maße verkörpern, sind aber keineswegs nur Randerscheinungen eines asozialen Abschaums. Indem Korine ihre Verführungskraft auf junge, weiße Jugendliche aus gutbürgerlichem Hause zeigt, verweist er auch darauf, dass die sozialen Gräben zwischen Arm und Reich und den verschiedenen Rassen nicht einfach ignoriert oder verdrängt werden können, sondern als Pop- oder Anti-Kultur gleichsam durch die Hintertür ins wohlgeordnete Heim in den Suburbs wieder hineingelangen.
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Pussy Riot? Nein, Spring Breakers im Berliner Schnee! - Foto (C) Wild Bunch Germany
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Eine Verherrlichung der Exzesse ist dies andererseits auch nicht, denn sie stehen in diesem Film zwar im Mittelpunkt, aber nicht als Ausweg: Das sensibelste und vernünftigste Mädchen (Selena Gomez) reist nach ihrem kurzen Ausreißer-Ausraster zurück in die spießige, aber heile Welt der Provinz. Eine zweite (die Ehefrau des Regisseurs, Rachel Korine) wird durch eine Schusswunde an einer kriminellen Karriere gehindert, die nur die beiden zügellosesten und skrupellosesten Blondinen der Vierergruppe (Ashley Benson, Vanessa Hudgens) mit aller Konsequenz und sogar anstelle ihres neuen Gangsta-Lovers (kaum wiederzuerkennen: James Franco) weiterführen. Da stellt der Film die Emanzipation auf den Kopf: Während der Macker schon das Zeitliche segnet, machen die Mädels noch auf dicke Hose – im Bikini!
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Max-Peter Heyne - 26. März 2013 ID 6642
Weitere Infos siehe auch: http://www.springbreakers-film.de
Post an Max-Peter Heyne
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