Das erstaunliche Leben von Walter Mitty ist eine höchst unterhaltsame, geistreiche Komödie, die allen linkischen Träumern Mut zuspricht
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Wer kennt heute noch den amerikanischen Schauspieler, Komiker, passionierten Hobbykoch und Piloten Danny Kaye (1913-1987)? In meiner Jugend war er als Hans Christian Andersen (1952) und Der Hofnarr (1955) ein stetiger Begleiter im Feiertagsfernsehprogramm der Öffentlich-Rechtlichen. Meine bereits 1977 erworbene Enzyklopädie des Films brandmarkte den stets musicalmäßig-angehauchten Stil Kayes als zu sanft. In der Tat waren Kayes Charaktere ähnlich harmlos wie die Bob Hopes oder des frühen Jerry Lewis, so auch im Film Das Privatleben des Walter Mitty (1947), an den ich allerdings keine konkreten Erinnerungen mehr habe. Die Geschichte eines Tagträumers, der in seiner Fantasie ein Heldenleben führt, war aber gewiss amüsant, schon deshalb, weil Boris Karloff darin einer seiner wenigen Nicht-Monsterrollen gespielt hat. Für sein Remake hat Produzent und Hauptdarsteller Ben Stiller die romantisch-komödiantische Grundidee übernommen, aber auf die Spionagegeschichte verzichtet, die in der alten Fassung für den nötigen Drive sorgte.
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Ben Stiller beim Dreh - Foto (C) 20th Century Fox
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Stattdessen hat Stiller der Story gesellschafts- und medienkritische Aspekte hinzugefügt, die Das erstaunliche Leben von Walter Mitty erst so richtig erstaunlich macht: Er thematisiert das Sterben der großen US-amerikanischen Zeitschriften - in diesem Falle des Life-Magazins, das bereits im Jahre 2000 eingestellt wurde - und die kurzsichtige Arroganz der Vertreter der heutigen Wirtschaftsmanager, die nicht als gesellschaftliche Elite, sondern als moralisch heruntergekommene Dumpfbacken dargestellt werden. Einer dieser Manager stolziert eines Tages in das Redaktionsgebäude von Life und eröffnet den Mitarbeitern eine Schrumpfung auf eine Kernmannschaft für eine Online-Ausgabe. Betroffen von der radikalen Umstrukturierung ist auch der Chefarchivar, der Mitvierziger Walter Mitty (Stiller), ein linkischer und schüchterner Singlemann ohne erkennbare Ambitionen, der für die Arbeit im dunklen, abgeschiedenen Fotoarchiv wie geschaffen scheint. Mittys Schwarm ist eine Life-Kollegin, die von seiner Zuneigung allerdings nichts ahnt. Nur in seinen Tagträumen, die Mitty regelmäßig-unregelmäßig aus seinem Alltagstrott heraus lösen, ist Mitty ein unwiderstehlicher Abenteurer und Charmeur, was Stiller wunderbare Gelegenheiten gibt, Filme wie Spider Man oder Der seltsame Fall des Benjamin Button vortrefflich zu parodieren.
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Foto (C) 20th Century Fox
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Die neuen Situation bei Life und die Zusendung eines Briefes mit Fotonegativen eines der langjährigen Starfotografen des Magazins zwingen Mitty allerdings, eine weitreichende Initiative zu ergreifen und sich nicht nur in der Fantasie, sondern auch tatsächlich aus seinem Schneckenhaus zu begeben. Denn ausgerechnet jenes Foto des schwer erreichbaren Weltenbummlers (ein Gastauftritt von Sean Penn), das auf das Cover der letzten Printausgabe des Life-Magazins zieren soll, ist nicht angekommen. So folgt Mitty kurzentschlossen vagen Hinweisen auf den anderen Fotos, was sich als wahre Schnitzeljagd erweist und Mitty von Grönland über Island bis in die Gebirge Nordafghanistans führt. Dabei erlebt er innerhalb weniger Tage so viele Abenteuer - darunter die Reise mit einem stockbesoffenen Hubschrauberpiloten, ein unfreiwilliges Bad im Polarmeer und einen Vulkanausbruch aus nächster Nähe - wie andere nicht im ganzen Leben.
Ben Stiller gelingt die Gradwanderung zwischen spöttischer Gesellschaftssatire und sanfter Romanze, zwischen Humor und Abenteuer, grellen und sentimentalen Momenten erstaunlich gut. Der frech-skurrile Grundton des Drehbuchs, in dem Stillers Archivar als "Normalo" eine aufrechte Identifikationsfigur ist, hält die verschiedenen Bedeutungsebenen der Story zusammen. Der vielseitige Hollywood-Kreative gönnt sich und uns viele parodistische Übertreibungen und interessante Nebenfiguren, die den Film bereichern, aber nicht überladen. Ein ungebrochenes Hohelied auf die Macht der Fantasie ist dies allerdings noch weniger als die Fassung von 1947: Vielmehr plädiert Ben Stiller für das Besinnen auf eigene Stärken und mehr Mut zur Tat, um seine individuellen Wünsche wahr werden zu lassen.
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Foto (C) 20th Century Fox
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Bewertung:
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Max-Peter Heyne - 30. Dezember 2013 ID 7492
Weitere Infos siehe auch: http://www.waltermitty-derfilm.de
Post an Max-Peter Heyne
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