Wüstentänzer erzählt vom Widerstandsgeist eines Teheraner Künstlers gegenüber staatlicher Reglementierung im Iran
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Bewertung:
„Tanzen kann so vieles ausdrücken“, sagt eine der Hauptfiguren in Wüstentänzer an einer Stelle, „es kann auch wie die Faust sein, die man aus Protest ballt“. Eine Kernaussage in diesem geradezu klassisch von der Sehnsucht nach Freiheit erzähltem Künstlerdrama, das auf dem realen Schicksal des Choreografen und Ausdruckstänzers Afshin Ghaffarian basiert. Ghaffarians Mutter war während der Ära des Schahs Balletttänzerin, musste nach der iranischen Revolution aber den Beruf aufgeben, da nach der iranischen Revolution öffentliche Tanzaufführungen (wie so viele künstlerische Betätigungen) vom islamisch-klerikalen Regime verboten wurden. Auch Afshin Ghaffarian konnte seine Tanzleidenschaft nur im Verborgenen ausüben, bis er sich vor einigen Jahren zur Flucht nach Europa entschloss -- während eines Gastspiels in Deutschland übrigens, nicht Paris, wie der Film es zeigt.
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Wüstentänzer - Foto (C) Senator Filmverleih
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Überhaupt erlaubt sich der Film einige dramaturgische Freiheiten, wie der echte Afshin Ghaffarian bei der Berliner Premiere des Films klarstellte. Die Zuspitzungen werfen den eher ruhig inszenierten Film gottlob nicht aus der Bahn. Regisseur Richard Raymond beweist Fingerspitzengefühl gerade bei jenen Szenen, die von Gewalt oder Liebe handeln und fügt sie überzeugend in die Geschichte ein, die insgesamt ein unmissverständliches Statement zugunsten einer universell gültigen und anzustrebenden Kunst- und Meinungsfreiheit ist. Nur zum Schluss, als der Held sogar im westlichen Ausland von der persischen Geheimpolizei verfolgt wird, lässt Raymond dem Pathos ein wenig die Zügel schießen. Zuvor erinnert der Film eindringlich an die so verhängnisvoll und blutig gescheiterte Revolution der Bürgerrechts- und Oppositionsbewegung während der Wahlen 2009 im Iran. Wer sich an Reportagen, Artikel und Dokumentarfilme wie Die grüne Welle erinnert, in denen die unbeschreibliche Gewalt gegenüber den Anhängern des gemäßigt-islamischen, liberalen Kandidaten Moussawi geschildert wurde, weiß, dass Wüstentänzer an diesen Stellen keineswegs übertreibt, sondern die Verbrechen von Polizei, Geheimdienst und Schlägertrupps eher noch dezent abbildet.
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Wüstentänzer - Foto (C) Senator Filmverleih
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Für Afshin Ghaffarian, der im Film eher als individualistischer Künstler denn als politischer Kämpfer innerhalb der großstädtischen Studentenschaft gezeigt wird, kommt die gewissenlose Niederschlagung der Proteste, die Vorboten für die arabischen Revolutionen in den Nachbarländern hätten sein können, einem Berufsverbot gleich – schlimmer noch: er kann seiner Gesundheit und seines Lebens nicht sicher sein. Im Film bleibt der von Ghaffarian gegründeten avantgardistischen Tanzgruppe der kleine Triumph, mitten in der Wüste zumindest eine Aufführung modernen Ausdruckstanzes absolviert zu haben, sodass die persischen Machthaber darauf keinen Einfluss hatten. Der echte Ghaffarian erklärte dazu in Berlin relativierend, dass Tanzen als moderne künstlerisch-individuelle Ausdrucksform im Iran ohnehin keine Tradition, sondern einen schlechten (sprich: erotisch konnotierten) Ruf habe und dies ein Grund für die Verbote sei. Auch wenn also Tanzen – als bloße Folklore verstanden – nicht so absolut und grundsätzlich im Iran verboten ist wie es die Werbesprüche zum Film suggerieren, so bleibt es doch ein großer Verdienst des sorgfältig gestalteten und überzeugend gespielten Dramas, die Ausmaße an Absurdität, ideologischer Verblendung und kulturpolitischer Abgründigkeit aufzuzeichnen, die ein Verdikt gegen moderne Choreografie bedeutet.
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Wüstentänzer - Foto (C) Senator Filmverleih
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Max-Peter Heyne - 8. Juli 2014 ID 7949
Weitere Infos siehe auch: http://www.senator.de/movie/desert-dancer
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