„The Missing“
USA 2003
Regie: Ron Howard
Starttermin: 12. Februar 2004
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“The Missing” gehört zu den Filmen, die sowohl das Herz wie auch den Verstand ansprechen. Wie kaum ein anderer berührt „The Missing“ aber auch die Seele. Er enthält viele Elemente des klassischen Westerns, ohne sich auf abgegriffene Stereotypen einzulassen. Während in der frühen Filmgeschichte die meisten Western aus der Sicht der Weißen gezeigt wurden, gab es in jüngeren Jahren zunehmend Filme, die auf indianischer Perspektive fußten. Nicht zuletzt haben die Indianer, oder politisch korrekter formuliert, die Native Americans, in bescheidenem Umfang eine eigene Filmkultur begründet. „The Missing“ ist insofern ein erstaunlicher Film, als er eine perfekte Balance zwischen beiden Kulturen hält. Beide existieren gleichberechtigt nebeneinander.
Samuel Jones (Tommy Lee Jones) ist ein Grenzgänger. Er hat als junger Mann seine Familie im Stich gelassen und sich den Apachen angeschlossen. Inzwischen ist er von einem Indianer kaum noch zu unterscheiden, so sehr hat er deren Gedankengut und tiefe Spiritualität verinnerlicht. Eines Tages taucht er bei seiner Tochter Maggie (Cate Blanchett) und deren Kindern auf, wird aber sofort wieder rausgeschmissen. Maggie gibt ihm die Schuld an dem frühen Tod ihrer Mutter und der Not, der der vaterlose Haushalt ausgesetzt war. Enttäuscht reitet der alte Mann davon.
Maggie bewirtschaftet eine kleine Farm und setzt ihre Fähigkeiten als Heilerin zum Wohle ihrer Mitmenschen ein. Sie ist tief im christlichen Glauben verankert. Der wird auf die Probe gestellt, als ihre Töchter und zwei ihrer Cowboys von einem Ausflug nicht zurückkehren. Sie bekommt die Härte des Lebens im Wilden Westen auf grausame Art zu spüren. Die beiden Männer wurden getötet und verstümmelt. Ihre jüngste Tochter Dot (Jenna Boyd) konnte sich verstecken, aber ihre ältere Schwester Lilly ist von einer Bande von Indianern und weißen Gesetzlosen entführt worden. Sie ist eine von mehreren jungen Frauen, deren Familien dahingemetzelt wurden und die als Sklavinnen nach Mexiko verkauft werden sollen. Die Kavallerie kann der verzweifelten Maggie nicht helfen, da sie anderslautenden Befehlen gehorchen muss. Maggie will ihre Tochter aber unbedingt befreien. Dabei kann ihr nur einer helfen: ihr Vater. Gemeinsam machen sich der alte Mann, seine zu allem entschlossene Tochter und seine zähe kleine Enkelin Dot auf den Weg. Dem alten Jones wird sehr schnell klar, dass der Anführer der Bande ein sehr mächtiger Gegner ist. Der Apache Pesh-Chidin (Eric Schweig) ist ein Hexer und in der Lage, schwarze Magie anzuwenden. Jones ist froh, als er auf die Apachen Kayitah (Jay Tavare) und Honesco (Simon Baker) trifft, mit denen er verbrüdert ist. Honescos Braut ist ebenfalls entführt worden und so schließt sich der kleine Trupp zu einer Gemeinschaft zusammen, die einen ungleichen und schweren Kampf zu bestreiten hat. Eines Tages wird Maggie krank. Ihr Vater merkt, dass Pesh-Chidin versucht, einen bösen Zauber auf sie anzuwenden. Dies verhindert er und seine Apachenfreunde mit indianischen Riten und Beschwörungsformeln. Und die kleine Dot liest dazu laut aus der Bibel vor...
Tommy Lee Jones und die anderen Indianer-Darsteller haben sich monatelang mit den heutigen Stammesältesten der Apachen zusammengesetzt, sich von deren Kultur erzählen lassen und die Sprache gelernt. Im Film wird die originalgetreue Sprache Chiricahua gesprochen, ein Dialekt der Apachen. Nur die magischen Beschwörungsformeln wurden erfunden. Wären die echten genommen worden, hätte das unter Umständen gefährlich enden können. Die Dialoge der Apachen sind äußerst humorvoll, besonders wenn sie sich über die Weißen auslassen. (Die indianischen Dialoge sind mit Untertiteln versehen).
„The Missing“ zeichnet sich durch ein sehr differenziertes Bild von Menschen aus. Ihre Spiritualität wird ernst genommen, egal ob indianisch oder christlich. Ob einer ein Schuft ist oder zu den Guten gehört, hängt nicht von seiner Rasse ab. Die Entführer sind aus Weißen und Roten zusammengesetzt, wie auch die Befreier. Trotz allem werden aber die Vorurteile, die beide Seiten gegeneinander haben, nicht ausgeklammert. Und eines der Themen dieses Films ist die Überwindung solcher Begrenzungen. Der äußere Kampf ist nicht zu gewinnen, ohne dass die inneren Konflikte gelöst sind. Maggie muss sich für ihren Vater die Vergebung für dessen Verfehlungen abringen und auch Jones hat längst erkannt, dass er ohne Aussöhnung mit der von ihm verlassenen Familie keinen inneren Frieden finden wird. Und der innere Friede ist oft die Voraussetzung für den äußeren. Am Ende des Films sind die Protagonisten um viele Einsichten reicher und haben neben all ihren Abenteuern einen tiefen spirituellen Prozess durchlaufen. Sie haben sich nicht nur mit einem bösen Hexer angelegt, sondern sich auch ihren eigenen, inneren Dämonen gestellt. Das macht die Traumata der Vergangenheit nicht ungeschehen, aber sie verlieren ihren Einfluss auf das jetzige Leben.
Bei diesem Film vergisst man leicht, dass es sich um einen amerikanischen Mainstream Film der Columbia Tristar handelt, denn da ist kein Raum für die übliche, fragwürdige Westernromantik. Irgendwann ist man derart im Sog der Handlung und des exzellenten Spiels der Protagonisten hineingezogen, dass auch die bekannten Gesichter der beiden Weltstars Tommy Lee Jones und Cate Blanchett verblassen und hinter der gespielten Figur zurücktreten. „The Missing“ hat alles, was das Herz des Cineasten nur begehren kann. Spannung, Action, Psychologie, Landschaftsaufnahmen, Hexerei, Humor, gründliche Recherche, einen guten Schnitt und eine sehr intelligente und überzeugende Kostümgestaltung. Dabei ist er keinesfalls überfrachtet, sondern eher sparsam, sehr unsentimental, sehr herb. Jones und Blanchett tragen den Film durch ihr intensives Spiel und auch ihren körperlichen Einsatz, mit dem sie die Strapazen bestreiten. Auch sonst ist „The Missing“ bis in die kleinen Rollen gut besetzt. Regisseur Ron Howard dürfte nach seinem spektakulären Erfolg mit „A Beautiful Mind“ unter einem hohen Erwartungsdruck stehen, aber dem kann er mit „The Missing“ gelassen entgegensehen.
h.f. - red / 12. Februar 2004
Siehe auch: www.the-missing.de
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