Der Marschall
und die
Marschallin
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Huguetta Duflos und Jacques Catelain spielten Marschallin und Octavian im ROSENKAVALIER-Stummfilm von 1925, der in einer einmaligen Aufführung des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin im Schinckelschen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt zu sehen und zu hören war - Foto (C) Filmarchiv Austria
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Es gingen einem nach dem Film (109 min) schon die Augen auf:
Wie gut es ERSTENS tut, den rein(st)en Bildern, die das Laufen damals lernten, ohne jedwede Dazutuung von sinnlosen Geschwätzigkeiten - das meint nicht die gottlob ausgespart gebliebne O-Vorlage des genial gezimmerten Librettos eines Hofmannsthales - nachzusehen.
ZWEITENS der gewaltig-schönen Orchestralzusammenstellung eines Strauss - und noch dazu in dieser sachertortengleichen Edel-Dargereichtseinsweise durch den Chrysler aller deutschen Rundfunksinfonieorchester (dem Janowski-RSB, diesmal unter dem Dirigat von Filmmusikfachmann Frank Strobel!) - willenlos zu lauschen.
Ja und DRITTENS - dieses wohl der prononcierteste der Singulärgewinne meiner eingestandnen Dürftigkeit als Individuum - vermittelt zu bekommen:
Dass die Gattin (Feldmarschallin) ohne ihren Gatten (Feldmarschall), um jenen Selbigen es zwar in Hofmannsthals & Straussens Oper den Berichten und Erzählungen (der Feldmarschallin) nebensächlich auch dann geht, recht eigentlich nicht aufzutreten bräuchte, denn:
Der Film von Robert Wiener klärt ihn uns (den Feldmarschall) dann endlich ganz und gar auch einmal auf; und Hofmannsthal muss Blut und Galle gespuckt haben, als er mitkriegte, dass sich die Filmfirma - schon damals galten Drehbuchschreiber nicht als Individualpersönlichkeiten, sondern mussten sich einer zu zahlenden/bezahlbaren Idee gefälligst unterordnen - einen Scheiß um seine eingereichte Filmvorlage, die das (s. o.) überhaupt nicht wollte, scherte...
Also kommt uns dieser Feldmarschall (Paul Hartmann spielt ihn) als ein männlich-imposanter und sehr gut aussehender Erzmilitär ins Spiel; und uns wird plötzlich völlig klar, warum sich dann die Feldmarschallin (dargeboten von Huguette Duflos) als junges Ding, das aus dem klösterlichen Mädchenpensionat in diese majestätisch anmutende Ehe elterlicherseits hinzugereicht wurde, gewiss verliebte - einziges Problem der jungen Ehe war, dass dann der Feldmarschall ins Feld gemarschallt wurde oder war, und das sehr oft... und also langweilte sich dann die Feldmarschallin (ohne Feldmarschall), ja, und ging fremd.
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Sie brillierte noch und noch: Huguetta Duflos als Feldmarschallin Fürstin Werdenberg im Stummfilm DER ROSENKAVALIER von Robert Wiene - Foto (C) Filmarchiv Austria
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Und Octavian - auch das begreifen wir während des Filmes - wird natürlich nicht der Erste oder Letzte in dem Liebessehnen unsrer Feldmarschallin (ohne Feldmarschall) gewesen sein; es käme bloß auf die Gelegenheiten an.
So wird dann Hofmannsthals & Straussens Oper - durch den Film - ins Menschlich-Wesentlich(er)e konterkariert:
Die Oper zeigt eine sich welkende (verwelkende) Mittdreißigerin OHNE Mann; Klein-Octavian könnte ihr Sohn sein - darum geht es hier.
Der Film jedoch stellt die "Familie" wieder auf die Beine, und er lässt den Gatten zu der Gattin rück-(nein!) vorwärtskämpfen; eine "männliche Manschette", die ihm intrigantisch von Annina auf dem Postweg zugestellt wird (und es wäre die Manschette Klein-Octavians, ihres neuen Liebhabers), ist schuld an der Bewusstseinsauferweckung eines Gattin-Gatten usw. usf.
(Zehntausende Statisten spielen Krieg im Film - auch daran ging die Firma nachmals Pleite.)
Wie im wahren Leben.
Ungeheuerliche Glückshormone spritzten durchs Konzerthaus. Schluchzen, Taschentücher, fröhliche Gesichter wo man hinsah. Alles Kitschtriebtäter; eine Klientel zum Selberwohlfühlen.
Ist's wirklich möglich, dass ein tonloser Schwarz-Weiß-Film derart auf die Herzmembrane zielt?
Na selbstverständlich, was denn sonst.
Der orchestrale Teppich, fast im Dunkeln, einer frühlingsblumenübersäten Spielwiese für Frischverliebte nachempfindbar.
Wonnen über Wonnen, was für'n schöner Abend!!!!!
Andre Sokolowski - 26. Oktober 2008
ID 4056
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DER ROSENKAVALIER (1925)
Stummfilm von Robert Wiene
nach dem Libretto von Hugo von Hofmannsthal
mit der Originalmusik für großes Orchester
Regie: Robert Wiene
Musik: Richard Strauss
Drehbuch: Ludwig Nerz und Robert Wiene
(nach Hugo von Hofmannsthal)
Bauten und Kostüme: Alfred Roller, Stefan Wessely, Hans Rouc
Kamera: Hans Theyer, Hans Androschin, Ludwig Schaschek
Produktion: Robert-Wiene-Produktion der Pan-Film AG, Wien
Darsteller:
Der Feldmarschall Fürst Werdenberg ... Paul Hartmann
Die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg ... Huguetta Duflos
Der Baron Ochs auf Lerchenau ... Michael Bohnen
Octavian ... Jacques Catelain
Herr von Faninal ... Karl Forest
Sophie ... Elly Felice Berger
Valzacchi ... Friedrich Féher
Annina ... Carmen Cartellieri
Filmrekonstruktion: Filmarchiv Austria, 2006
Musikeinrichtung für den rekonstruierten Film: Bernd Thewes
Synchroneinrichtung: Frank Strobel
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Dirigent: Frank Strobel
Einmalige Aufführung am 25. Oktober 2008 im Konzerthaus Berlin
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Weitere Infos siehe auch: http://www.rsb-online.de
http://www.andre-sokolowski.de
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