Traumschöne
Scherben
der Südsee
UNCOVERING PACIFIC PASTS
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Scherbe aus der Sammlung des RJM (RJM 28576), Foto: Jim Specht
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Bewertung:
Was kann man machen, wenn man vor einem Scherbenhaufen sitzt? Ihn ignorieren? Oder ihn sorgfältig untersuchen, um herauszufinden, welche Perle der Weisheit er enthalten mag? Uncovering Pacific Pasts – Geteilte Geschichten zur Archäologie Ozeaniens ist ein neuartiges internationales Forschungsprojekt, für das über 30 Museen ihr Wissen und ihre Exponate zusammengeführt und online präsentiert haben. Im Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) sollte vom 3. März bis 28. Juni 2020 zusätzlich eine Intervention zu sehen sein, zu der Keramikscherben gehören. (Wie alle anderen Museen ist auch das RJM derzeit geschlossen). Diese Scherben hatte Pater Otto Meyer M.S.C. (1877-1937) im Jahr 1909 während seiner Missionarszeit auf der kleinen Insel Watom im Bismarck-Archipel in der Südsee entdeckt. Er ließ archäologische Grabungen unternehmen und schickte die Funde an verschiedene Museen, in Melbourne, Paris, Basel, Köln und andere, wo sie erst einmal relativ unbeachtet ins Depot wanderten, bis viel später, nämlich erst 1952, der amerikanische Archäologe Richard Shutler Jr. und der Anthropologe Edward W. Gifford Verbindungen zu anderen Objekten herstellten. Die Muster auf den Watom-Scherben ähnelten denen aus dem 2500 Kilometer entfernten Neukaledonien und halfen mit, eine gängige Theorie über die Migration nach Ozeanien über den Haufen zu werfen. Bis in die 1960er Jahre vermutete man, dass die Besiedelung eines Großteils der Pazifischen Inseln von Südamerika aus stattgefunden hätte, heute gilt es als erwiesen, dass Asien der Ausgangspunkt war.
Die Unternehmung ist eine Kooperation mit der Australian National University, Canberra, und Oliver Lueb kuratierte den Teil für das RJM: „Durch das Projekt werden wesentliche Puzzleteile systematisch erfasst, miteinander verbunden und anschaulich präsentiert. Dadurch werden die Geschichten der einzelnen Dinge, Akteure und ihrer Netzwerke, aber auch die übergreifende Erzählung lebendig.“
Pater Meyer war 35 Jahre lang als Herz-Jesu-Missionar auf Watom und studierte so intensiv die Kultur, Menschen und Fauna, dass seine Vorgesetzten nicht sehr zufrieden waren, schließlich war er zur Missionierung geschickt worden. Heute sind seine Studien und Aufzeichnungen Gold wert. Edward W. Gifford erkannte den Zusammenhang der Meyerschen Funde mit Objekten, die er selbst in Lapita auf der Foué-Halbinsel von Grande Terre in Neukaledonien entdeckte. Nach diesem Fundort wurde die Lapita-Kultur benannt, die sich geschätzt ab 1500 v.Chr. in Melanesien, auf Samoa und auf Tonga anzusiedeln begann. Sie waren dort die ersten, die Ackerbau betrieben und Keramiken herstellten.
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Die Webseite mit der Gesamtübersicht über die teilnehmenden Museen und Institutionen ist in englischer Sprache. Da kann man sich durch alle Orte einzeln durchklicken. Das MARKK in Hamburg ist mit Fotos, Landkarten und zwei Muscheltrompeten aus Mikronesien vertreten. Das nhm in Wien zeigt frühe Fotografien aus Papua Neuguinea, woher auch die Scherben und Konusschalen des Weltmuseums in Wien sowie die geschnitzten Konusschalen des British Museum in London stammen. Sie zeugen von der Suche nach Lebensraum, erstaunlichen seemännischen Fähigkeiten, handwerklichem Geschick und dem menschlichen Drang nach kreativem Ausdruck. Und immer wieder sind es auch Einzelleistungen wie die von Meyer und Gifford, die sich nicht beirren ließen und ihrer Neugier und ihren Überzeugungen folgten.
Die Digitalisierung ihrer Bestände gehört mittlerweile zu den Routineaufgaben von Museen, und es ist sicher ein zukunftsweisender Weg, diese im Rahmen solcher Projekte zusammenzuführen. Damals hat die Herstellung von Zusammenhängen zwischen Einzelobjekten tatsächlich zu einer Neubewertung der Sachlage geführt, heute wird das durch die Möglichkeiten des Internets sehr erleichert.
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Pater Otto Meyer (1877-1937), Rakival auf W(u)atom, ca. 1903, MSCV | © Herman Joseph Hiery (2005) Bilder aus der deutschen Südsee, Fotografien 1894-1914
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Helga Fitzner - 22. März 2020 ID 12104
Weitere Infos siehe auch: https://rautenstrauch-joest-museum.de/
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