Noch bis 12. 8. 2012 / Museum Kunstpalast, Düsseldorf
EL GRECO UND DIE MODERNE
Kurator: Beat Wismer
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Der Farbenrausch ist schon überwältigend, wenn man sich die „alten“ Meisterwerke von El Greco anschaut, der als Domenikos Theotokópoulos 1541 auf Kreta geboren wurde und 1614 als „Der Grieche“ („El Greco“) im spanischen Toledo verstarb. Im Kunstpalast sind die Bilder aber auch idealtypisch ausgestellt. Die Räume sind relativ dunkel gehalten. Die von oben angestrahlten Gemälde spiegeln, wenn man nicht richtig steht, so dass sich die Besucher automatisch in die richtige Position begeben, um in die leuchtenden Bildgewalten eintauchen zu können. Die Untersicht ist Teil der Wahrnehmung, da einige der Bilder in einer Überlänge gemalt sind. - El Grecos Zeitgenossen konnten mit seinen Werken jedoch nicht viel anfangen. Zu sehr wichen z. B. die Portraits von den Ebenmäßigkeiten bisheriger klerikaler Malerei ab, wie sie vor allem von Michelangelo geprägt worden war. El Grecos Ekstase wurde als Provokation empfunden, seine Visionen als gemalter Wahnsinn.
Seine Bilder von Jesus, Maria und anderen Heiligen zeigen menschliche Züge, Gesichter, in denen die Abgebildeten irgendwie schon gelebt haben. Sie sind unebenmäßig, zeigen Spuren des inneren Ringens, im Idealfall der Befreiung von den Fesseln des Zweifels. Die Heiligen, die El Greco auf die Leinwand gezaubert hat, unterscheiden sich nur durch heilige Attribute, die ihnen zugeordnet werden, von anderen Menschen. Das mag damals der Skandal gewesen sein, weil die katholische Kirche bis heute postuliert, dass der Weg zu Gott ausschließlich über die Kirche führen kann. El Grecos „Erleuchtete“ scheinen dagegen ihre eigenen Erfahrungen gemacht zu haben und dies auch auszustrahlen.
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Nachdenklich: Jesus mit den Attributen des Heiligenscheins und der Hand auf der Weltkugel / El Greco, Christus als Erlöser, um 1600, Öl auf Leinwand, 73 x 56,5 cm, National Gallery of Scotland, Edinburgh
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Als unzumutbar und hässlich galten diese Meisterwerke den Zeitgenossen, und so gerieten sie fast in Vergessenheit. Es dauerte rund 300 Jahre, bis die Expressionisten und andere Künstler El Greco wiederentdeckten. Die Gründe mögen vielfältig gewesen sein, aber mutmaßlich ist es die Kreatürlichkeit der Gestalten, ihre Geworfenheit in die Welt, die Künstler wie Cézanne, van Gogh, Picasso, Kokoschka, Beckmann und viele andere faszinierten. Wie modern El Grecos Bilder sind, zeigt die Gegenüberstellung mit wesentlich jüngeren Werken, die durch sie inspiriert wurden. So wird das berühmteste Werk El Grecos Laokoon Ludwig Meidners Drei Klagende in der Apokalyptischen Landschaft gegenüber gestellt. Die Ausstellung erlaubt auch einen Vergleich zwischen El Grecos El Espolio mit Max Beckmanns Kreuzabnahme. Neben insgesamt 40 Gemälden von El Greco sind außerdem noch Bilder von Max Oppenheimer, Franz Marc, Albert Bloch, August Macke, Egon Schiele, Heinrich Nauen, Wilhelm Lehmbruck und vielen anderen ausgestellt. Eine Ausstellung, die schon ohne El Greco beachtlich genug wäre.
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El Greco, Laokoon, 1610-14, Öauf Leinwand, 137,5 x 172,5 cm, National Gallery of Art, Washington, Samuel H. Kress Collection 1946.18.1
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Ludwig Meidner, Drei Klagende in der Apokalyptischen Landschaft, 1915, Zimmermannsblei auf Zeichenkarton, 46,5 x 59 cm, Winfried Flammann, Karlsruhe © Ludwig Meidner-Archiv, JüMuseum der Stadt Frankfurt am Main
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El Greco verdankt seine Wiederentdeckung dem Kunsthistoriker und Schriftsteller Julius Meier-Graefe, der in seinem 1910 veröffentlichen Tagebuch Spanische Reise von dem Kunsterlebnis berichtete, das ihm El Greco in Spanien beschert hatte. Einige der Bilder wurden in der Folgezeit in Deutschland ausgestellt und El Greco von den Avantgarde-Künstlern gefeiert. Die traumähnlichen Landschaften, die Suggestivität durch die Farbgebung, die Übersteigerung der Motive und die Psychologisierung der Figuren waren ein wahres Füllhorn an Anregungen für die Künstler um 1910. Als die dann 1912 im Rahmen der legendären Sonderbundausstellung in Köln ein Forum für ihr Kunstverständnis kreieren wollten, waren folglich auch Gemälde von El Greco dabei, obwohl die schon rund 300 Jahre alt waren.
Was heute an seinen Bildern so „modern“ ist, ist ihre offensichtlich zeitlose Spiritualität. Gezeigt werden Menschen, die den göttlichen Funken in sich suchen oder bereits entfacht haben, aber auch die Verzweiflung an der Welt durchgemacht haben oder noch durchmachen. Das Ganze spielt sich bei El Greco im Rahmen des christlichen Weltbildes ab, entspricht aber durchaus der Sinnsuche und Sinnfindung in unserer heutigen Zeit.
Im Jahr 2014 wird es in Madrid und Toledo große Ausstellungen geben, um El Grecos 400. Todestag angemessen zu zelebrieren.
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Helga Fitzner - 19. Juli 2012 ID 6099
Weitere Infos siehe auch: http://www.smkp.de
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