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Kleiner Museumsführer


MAXXI

Museo nazionale delle arte del XXI secolo, Roma


Foto (C) Christa Blenk



Seit 2009 hat nun auch Rom ein Museum für zeitgenössische Kunst. Die 1950 in Bagdad geborene Zaha Hadid gewann die Ausschreibung und baute ein altes Kasernenareal des 19. Jahrhunderts im Viertel Flaminio in der Nähe vom Ponte Milvio zum MAXXI (Museo nazionale delle arte del XXI secolo) um. In Fußnähe hatte Renzo Piano vor über 10 Jahren Auditorium Parco della Musica errichtet.

Von außen ist der Museumsbau nüchtern und unauffällig, im Hof sieht er aus wie alle zeitgenössischen Museen, und im Inneren dominiert kruder Beton, der manchmal den Eindruck aufkommen lässt, das Museum sei noch nicht ganz fertig. Als erstes frappiert eine grenzenlose Platzverschwendung. Der Info Desk verschwindet fast in der großen und weiten Leere. Sogar widow, ein riesiges Trompe l’oeil von Anis Kapoor, erscheint klein und handlich. Eine gigantische schwarze Treppe rankt sich durch alle Stockwerke, unterbrochen von den riesigen roten Maccaroni von Federico Marchetti, die ungeordnet im Raum und zwischen der Treppe hängen. Man denkt an Kaufhaus-Rolltreppen oder die Gefängnis-Radierungen von Piranesi, vor allem aber an den deutschen expressionistischen Stummfilm (ich musste an Das Kabinett von Dr. Caligari denken und bin ziemlich sicher, Zaha Hadid hatte das womöglich auch getan). Höhenangst darf man keine haben. Man geht entweder über Gitter oder über durchsichtiges Glas; auf jeden Fall sieht man immer das, worüber man gerade schreitet - doch man kann natürlich auch den Lift benutzen. Ein Besuch des MAXXI ist aber auf jeden Fall lohnenswert und spannend, zumal – wie auch jetzt – meistens verschiedene Ausstellungen zur gleichen Zeit laufen.


* * *


Auf dem roten Teppich und in Anlehnung an Cannes betreten wir die Galleria Vezzoli:

Der Italiener Francesco Vezzoli ist 1971 in Brescia geborenen und hat mit 42 Jahren schon einen Namen in der zeitgenössischen Kunst. Von ihm präsentiert das MAXXI einen Teil der Trinity-Serie (die anderen beiden Teile sind im MoMA PS 1 New York und im MOCA in Los Angeles zu sehen). Er setzt sich sehr ironisch und provokativ mit unserer Zeit auseinander, obwohl seine römischen Marmor-Skulpturen auf rotem Teppich genauso gut in einem römischen Palast aus dem 17. oder 18. Jahrhundert stehen könnten. Wenn nur nicht die Remakes auf den Flachbildschirmen von hauptsächlich alten Filmen oder Serien aus den 50er und 60er Jahren (die von den Aphrodites und Heras gehalten werden) wären! Wir folgen dem roten Teppich vorbei an Portraits von allen möglichen Starletten mit weinenden Glitzersteinen in und über den Augen und kommen in das nächste Stockwerk. Dort hängen riesige Kinoplakate an den Wänden, aber erst beim zweiten Hinsehen erkennt man, dass diese auch bearbeitet sind; aus dem „blauen Engel“ wird dann der „Bauhaus Engel“ etc. Ein paar Schritte weiter landen wir in der Karikatur einer Reality Show - non amore. Hier fordert eine zurechtgezurrte und dekollierte blonde Fernseh-Animateurin bekannte Filmschauspielerinnen auf (in unserm Fall waren es Catherine Deneuve und Antonella Lualdi), den Trojaner Paris zu spielen. Aphrodite, Pallas Athene und Hera sind in diesem Fall drei knackige und sexy guys, die - vor allem mit Muskeln und Striptease - versuchen, ausgewählt zu werden und mit Helena den Abend zu verbringen. Antonella Lualdi hat die Spielregeln nicht beachtet und zog mit zwei Jungs ab. Anschließend durfte dann das Publikum die Wahl lautstark kommentieren.

Dramatischer und die Kehle zuschnürend sind die politischen Installationen von Fiona Tan - wie Inventory. Sie ist 1966 in Indonesien geboren. In einer Videoinstallation hat Tan 300 Gefangene und Wächter je einzeln gefilmt. Auf mehreren Bildschirmen, die in einem Kreis angeordnet sind, sehen wir in 40-Sekunden-Sequenzen immer eine andere Person. Gefangene und Wächter sind in dem Fall gleichberechtigt, und nur die Uniform oder Glück/Pech entscheiden, auf welcher Seite der Betroffene steht. Sie macht die Filme zu beklemmenden Fotos, es bewegt sich fast nichts, ab und zu die Andeutung eines nervösen oder unsicheren Lächelns oder das Zucken einer Augenbraue. Wir sitzen in der Mitte der Videos, können uns nicht aufraffen zu gehen und müssen uns immerzu drehen, um alle Personen wenigstens einmal zu sehen. Die Künstlerin gibt kein Urteil über die Gefangenen ab, man weiß nicht, warum diese im Gefängnis sitzen. Die meisten sind Afro-Amerikaner oder Latinos; die Wächter sind Anglo-Amerikaner. Alle sehen streng in die Kamera und versuchen nicht, uns zu verführen, damit wir sie sympathisch finden. Im Hintergrund die täglichen Geräusche wie Klappern von Blech-Essgeschirr oder Stimmen, aber selten laut. Bild und Ton sind für Fiona Tan wichtig. In einer anderen Installation, Disorient – voice-over, setzt man beim Betreten des exorbitanten Saales Kopfhörer auf. Diese schalten sich – ist man einmal vor dem Video angekommen - automatisch an. Eine Stimme liest emotionslos und unbeteiligt die Reisetagebücher von Marco Polo vor, sie spricht von romantischen Landschaften, schönen Menschen und friedlichen Begegnungen zwischen Armenien, Georgien, Turkmenistan und Persien, während Kriegsszenen (vielleicht Irak) über den Schirm laufen. Man versucht verzweifelt und erfolglos, das Gehörte auf dem Schirm zu finden.

Alighiero Boetti (1940-1994) war die dritte Ausstellung gewidmet. Er war einer der Mitbegründer der Arte Povera–Bewegung, aber dass Paul Klee einer seiner Lieblingsmaler war, kann er nicht verleugnen. Seltsamerweise hat ihn die Arte Povera in den 70er Jahren zur orientalischen Mythologie gebracht, und diese Passion führte ihn nach Afghanistan. Im MAXXI sind vor allem Werke aus dieser Zeit ausgestellt, wie Teppiche, geknüpfte Landkarten und Bilder mit arabischen Lettern und Buchstaben, farbig und eng aneinander angeordnet à la Paul Klee. Er hat sie zum Teil dort herstellen lassen. Diese Arbeiten haben die Zeit nicht überlebt und sind eher uninteressant.



Foto (C) Christa Blenk



Bewertung:    


Christa Blenk - 28. Juli 2013
ID 7000
Zwischendurch immer wieder mal Arbeiten von Francesco Clemente und die Installation von Giuseppe Penone, die er für die 52. Biennale gefertigt hat. Penone ist mit Mario Merz der interessanteste von den Arte-Povera-Künstlern.

Im Erdgeschoss läuft außerdem noch eine umfangreiche Ausstellung zum Thema „roadmap 2050“ und die Zukunft der Energieversorgung bzw -Umwandlung.


Weitere Infos siehe auch: http://www.fondazionemaxxi.it/


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= schon gut


= geht so


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= katastrophal


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