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Werkbetrachtung

Gleisdreieck von Esther Ernst

als "Objekt des Monats" im Märkischen Museum Berlin

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Im Märkischen Museum zeigt das Stadtmuseum Berlin Ausstellungen und Objekte zur Geschichte, zur Kultur und zum Alltag der Stadt. Das charakteristische Gebäude im Köllnischen Park entstand zwischen 1899 und 1908 als reiner Museumsbau. Eine historisierende Architektur sollte regionale Baustile aus verschiedenen Epochen verdeutlichen. Je nachdem, von wo man schaut, erinnert das Haus an eine Kirche oder ein hanseatisches Lagergebäude.

Das Stadtmuseum Berlin mit seinen 40 Sammlungen bewahrt heute rund 4,5 Millionen Objekte. Versteht sich von selbst, dass das meiste davon in dunklen Archiven lagert. Das Format "Objekt des Monats" im Märkischen Museum soll Einblick in diese Archive geben - und dabei helfen, dass sich das Märkische Museum für das 21. Jahrhundert fit macht, wie man auf deren Website lesen kann. Diesen Monat ist eine Zeichnung von Esther Ernst (42) das Objekt des Monats.



"2018 dokumentierte Esther Ernst erstmals ihre Berliner Wohngegend am Kreuzberger Gleisdreieck in einer kartografischen Faltzeichnung. Diese wurde von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa noch im selben Jahr aus Fördermitteln der Deutschen Klassenlotterie Berlin für die Sammlung des Stadtmuseums Berlin erworben." (Quelle: stadtmuseum.de)



Die Zeichnung Gleisdreieck ist also nochmal kurz zu sehen, bevor sie wie die meisten der 4,5 Millionen Objekte im Archiv verschwindet. Schade eigentlich, setzt diese Arbeit doch wunderbar die Tradition fort, Stadtgeschichte anhand ihrer Gebäude und Stadträume zu erzählen. Einige klassische Stadtmodelle der Sammlung sind auch ausgestellt und werben auf der Website des Museums. Holzmodelle aus den verschiedenen Jahrhunderten, die zeigen, wie die Dörfer Berlin und Cölln sich zum heutigen Berlin entwickelt haben. Der Kontrast zur Zeichnung Gleisdreieck besteht allerdings darin, dass Ernsts Arbeit keine reine Dokumentation ist. Persönliches Erleben und die ganz spezielle Wahrnehmung eines Stadtflaneurs sind in die Zeichnung subtil eingewoben. Aus der künstlerischen Auseinandersetzung mittels Bleistift, Buntstift, Tusche und Pastellkreide ist so eine ganz persönliche Landkarte der Gegend um den Gleisdreieckpark entstanden. Man denkt daran, wie der polnische Philosoph Alfred Korzybski mit seinem Zitat „The map is not the territory“ in den 1930er Jahren die Diskussion um Realität und Konstruktivismus beeinflusst hat. Künstler wie René Magritte haben sich an diesem Diskurs beteiligt. Sein Bild Ceci n'est pas une pipe ist ein bekanntes Zeugnis davon.

Die Zeichnung Gleisdreieck könnte ein wunderbarer Ansatzpunkt sein, wie das Stadtmuseum dem selbstgesteckten Anspruch, sich fit für das 21. Jahrhundert zu machen, einlösen kann. Die Zeichnung wird dem Auftrag des Museums gerecht, Stadtgeschichte zu dokumentieren. Auf der anderen Seite zeigt sie die Entwicklung der künstlerischen Auseinandersetzung mit Gebäuden und Stadträumen. Also bitte nicht zusammenfalten und ins Archiv verbannen!




Esther Ernst: Gleisdreieck, 2018 (Bleistift, Buntstift, Tusche, Pastellkreide, Acrylgrundierung auf gefaltetem Papier), erworben aus Mitteln der Deutschen Klassenlotterie Berlin von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, 2018 | © Stadtmuseum Berlin

Steffen Kühn - 22. Dezember 2019
ID 11898
https://www.stadtmuseum.de/objekt-des-monats/gleisdreieck-2018


Post an Steffen Kühn

https://www.hofklang.de

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