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Werkbetrachtung

Der gekreuzigte Christus

von Francisco de Goya


In Anlehnung an die Vorgaben der religiösen, spanischen Malerei im 17. Jahrhundert und in Einbeziehung des Schönheitsideals von Mengs Klassizismus in Spanien, hat Francisco de Goya (1746-1828) in seiner Kreuzigung die grausamen und dramatischen Aspekte des Kreuzigungsthemas abgemildert und vor allem die Schönheit des nackten Körpers hervorgehoben. 1780 wurde das Kunstwerk in der Madrider Real Academia de Bellas Artes de San Fernando präsentiert und katapultierte Goya in den Rang eines Akademikers. Der spanische König Karl III. bewunderte es sehr und sorgte dafür, dass das Gemälde ein paar Jahre später im Franziskanerkloster von Madrid untergebracht wurde.

Der Hintergrund des 255 x 145 cm großen Werkes ist schlicht, bräunlich-schwarz. Das Kreuz ist aus massivem, hellem Holz, die Balken sehr stabil. Der schöne, weiße und makellose Körper schwebt schwerelos vor dem Kreuz. Er trägt keine Spuren von Geißelung oder Folter. Goya hat die Blut-und-Wasser-Seitenwunde einfach weggelassen und die vier durch Nägel verursachten Male höchstens angedeutet. Die Hände des Gekreuzigten liegen wie angeklebt am Kreuz, die Füße stehen makellos und fest auf einem Holzpodest. Eine dunkle Dornenkrone legt sich wie ein Heiligenschein um seinen Kopf. Die Augen sind noch oben gerichtet, der Mund, inmitten eines Drei-Tage-Bartes, zum Sprechen geöffnet. Sein Lendenschurz ist hellbraun-grau und sehr kunstvoll um seine perfekten Hüften drapiert. Dieser Körper wird nicht von den angenagelten Händen gehalten. Das Licht fällt auf seinen Oberkörper und lässt ihn weiß erscheinen, während der Rest des Körpers leicht gebräunt ist.

Goya zitiert mit einem angedeuteten und geschickten Sfumato Leonardo und die Renaissance. Von den mittelalterlichen Darstellungen mit den manieristischen Stigmen einer Kreuzigung ist sein Bild weit entfernt. Dieser Christus zeigt den immer noch von der Inquisition stramm stehenden Spaniern, dass ihm, Christi, nichts und niemand etwas anhaben kann und er über den Dingen steht. Die INRI-Inschrift im oberen Teil des Holzkreuzes ist in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache.



Goya, Der gekreuzigte Christus | Bildquelle: museodelprado.es


Im Entstehungsjahr war Goya 34 Jahre alt und schon recht bekannt. Er hatte die Tochter des Malerkollegen Bayeu geheiratet und fabrizierte vor allem Kartons mit ländlichen Szenen aus dem Volk für die Teppichmanufaktur Santa Barbara de Madrid. Ein paar Jahre später wurde er Hofmaler bei Karl III., später arbeitete er auch für König Karl IV. In der Zeit entstand das schonungslose, aber großartige Hofportrait Die Familie Karls IV. mit dem er sich insgeheim über die Familie lustig machte und sie verspottete. Goya war subjektiver Hofbeobachter, ein sturer, revolutionärer Streithahn, der ständig auch mit seinem Schwiegervater Auseinandersetzungen hatte. Gläubig war er eher nicht, abergläubisch schon. Er konnte mitten auf der Straße niederknien, wenn ein Priester mit einer Monstranz auf dem Weg zu einem Sterbenden seinen Weg kreuzte, aber nicht vor Andacht, sondern weil das ein schlechtes Zeichen war. Der Künstler Goya hatte desöfteren mit den spanischen Religionshütern Probleme. Ungefähr 10 Jahre nach dem Christus erschienen seine Caprichos, eine Sammlung von 80 Radierungen (aquatinta) von gesellschaftskritischen Blättern. Goya nahm die Serie allerdings nach 27 verkauften Exemplaren in nur zwei Tagen wieder aus dem Handel. Hier hatte sicher die Heilige Inquisitin eine Rolle gespielt. Die Caprichos waren der Beginn einer Stiländerung nach einer schweren Erkrankung, die dem 50jährigen Goya das Gehör nahm (man weiß nicht, ob es eine Syphilis oder eine Bleivergiftung war). Das höfische Leben trat in den Hintergrund, und er konzentrierte sich auf Gesellschaftskritik. Auch legte er fast alle seine öffentlichen Ämter nieder und versuchte, mit dem Verkauf auf dem freien Markt von seiner Arbeit zu leben, obwohl er weiterhin als Porträtist gefragt und gefeiert war. Die bekannten "schwarzen Bilder" (pintura negra) entstanden ab 1815 auf seinem Landsitz, wohin sich Goya, der in liberalen Kreisen verkehrte, gezwungenermaßen zurückziehen musste. 1824 wurde die Situation für ihn brenzlig, und er ging nach Frankreich, wo er vier Jahre später in Bordeaux verstarb.
Christa Blenk - 10. April 2020
ID 12153
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