112 Galerien
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Bewertung:
Fünf Jahre lang bildete die art berlin contemporary (abc) das Flaggschiff der Berlin Art Week. Wegen schlechter Umsätze im letzten Jahr geriet die bis dato kuratierte Kunstmesse in Schieflage und tritt nun unter neuem Namen art berlin und mit neuem Partner, der Koelnmesse, wieder als klassische Verkaufsschau auf. Das bedeutet eine Rolle rückwärts in die Zeit der Kojen-Anordnung, weg von der freien Stellung einzelner Künstlerpositionen in der architektonisch beeindruckenden Weite der Hallen in der Station Berlin am Gleisdreieck. Einerseits schade, ist es doch anderseits nachvollziehbar - die Galerien wollen ihre KünstlerInnen für das interessierte Sammlerklientel präsentieren.
In der globalisierten Kunstwelt erhoffen sich art berlin-Chefin Maike Cruse und Art-Cologne-Direktor Daniel Hug durch die Kooperation der Galeriestandorte Köln und Berlin einige Synergien im Bereich der modernen und zeitgenössischen Kunst. Mit 112 Galerien platzt die Messe in diesem Jahr allerdings aus den Nähten. Doch Maike Cruse denkt bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der art berlin bereits an eine Erweiterung. Lieber nicht, denkt man sich da beim Rundgang durch die zwei großen, mit Galerie-Kojen vollgestellten Hallen. Masse ist nicht immer gleichbedeutend mit Klasse. Und zwischen den großen Stars der internationalen Kunstszene geht da so manches Neue unter.
Einen guten Überblick über den aktuellen Kunstmarkt bietet die erste art berlin dann aber schon.
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Es gibt eine Mischung aus altbekannten abc-Teilnehmern, jungen Galerien und klassischer Moderne zu sehen. 30 Galerien präsentieren auch weiterhin die traditionellen Soloshows einzelner KünstlerInnen. So zeigt etwa die Galerie Sprüth Magers in einer grünen Box eine wuselige Atelier-Installation des deutschen Kunst-Enfant-Terribles John Bock, der jüngst erst in einer Einzelausstellung in der Berlinischen Galerie zu bewundern war. Neugerriemschneider fokussiert sich ganz auf Gemälde, Skulpturen und Installationen des in Berlin lebenden chinesischen Künstlers Ai Weiwei. Die Galerie Karin Guenther hat die Wände ihrer Koje komplett mit den provakanten Text-Bildern aus dem Raumjournal für Schweinezyklen des Künstlers Gunter Reski ausgestaltet.
Recht interessant sind die von der Galerie Nagel Draxler präsentierten Werke des US-amerikanischen Objektkünstlers Mark Dion. Er beschäftigt sich in seinen Installationen mit der kulturellen Repräsentation von Phänomenen der Natur, die er für eine raffinierte Arena für die Produktion von Ideologien hält. So zeigt der Naturschützer Dion in Monster die Nachbildung eines fossilen Artefakts wie in einer zoologischen Monstrositätenschau. Monströs aber meist eher sehr ironisch geht es auch beim kanadischen Zeichner und Objektkünstler Marcel Dzama zu. Seine Papierarbeiten bei der schwedischen Galleri Magnus Karlsson werden von fotorealistischen Gemälden der schwedischen Malerin Sara-Vide Ericson und fantastischen Tierskulpturen aus glasiertem Steingut der tschechischen Künstlerin Klara Kristalova flankiert.
Starke Kunstpositionen von Frauen gibt es auch bei Soy Capitán mit Objekten von Camilla Steinum und Zeichnungen von Grace Weaver, oder bei Sperling mit Objekten und Collagen der britischen Künstlerin Anna McCarthy. Anna Vogel zeigt ihre abstrakten Pigmentdrucke von überarbeiteten Digitalfotografien bei der Düsseldorfer Galerie Conrads. Bei der Zilberman Gallery fällt die Großskulptur Entkettet der in Berlin lebenden türkischen Künstlerin Azade Köker auf.
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Camilla Steinum, Determined Nap, 2017 | Courtesy of the Camilla Steinum and Soy Capitán, Berlin; Foto Nick Ash
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Katharina Sieverding, Transformer I A-B, 1973 | (C) Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst; Foto: Klaus Mettig, VG Bild-Kunst Courtesy Galerie Wilma Tolksdorf
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Martin Dammann, Greetings, 2016-2017 | Courtesy the artist and Galerie Barbara Thumm
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Magische Schwarz-Weiß-Fotografien menschenleerer Orte von Gregory Crewdson und Katharina Sieverdings Doppelportrait Transformer I A/B hängen bei der Galerie Wilma Tolksdorf. Die Londoner Pippy Houldsworth Gallery kombiniert die Gemälde der britischen Künstlerin Jadé Fadojutimi mit denen des Berliner Malers Uwe Henneken. Kunst, die sich an der kolonialen Vergangenheit Europas abarbeitet, ist bei der Galerie Barbara Thumm mit Martin Dammanns Gemälde Greetings und Tuschezeichnungen des peruanischen Künstlers Fernando Bryce zu sehen. Surreale Mischtechniken von Hans Weigand zeigt die Gabriele Senn Galerie, und die Wiener Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Gemälde von Maria Brunner und Herbert Brandl.
Junge witzige Objekt-Kunst präsentiert die Leipziger Galerie Tobias Naehring. Wilhelm Klotzek bringt in seiner Zigarettenskulptur an einem Straßenschild die Erfurter Fotografin Gundula Schulze Eldowy mit dem kritischen DDR-Dichter Adolf Endler zusammen. Eva Grubinger hat mit Untitled (Problem No. 2) ein Kunstwerk aus Seil und Ringen zwischen Geschicklichkeitsspiel und Fetischobjekt geschaffen. Und wenn wir bei Leipzig sind, darf die Galerie Eigen+Art nicht fehlen. Im Programm sind dort Objekte von Olaf Nicolai und Gemälde von Martin Eder, Tim Eitel und Nicola Samori, die die insgesamt recht starke Malereisektion der art berlin komplettieren.
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Stefan Bock - 16. September 2017 ID 10254
Weitere Infos siehe auch: http://artberlinfair.com/
Post an Stefan Bock
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