Vom Mensch
und seinen
Zeichen
ART AND ALPHABET in der Hamburger Kunsthalle
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Paulina Olowska: Alphabet, 2005, 1 von 26 farbigen Karten (eine für jeden Buchstaben des Alphabets) | (C) Courtesy Galerie Buchholz, Berlin / Cologne / New York
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Bewertung:
Unter dem Titel Art and Alphabet eröffnete am vergangenen Donnerstag eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle ihre Türen. Bis Ende Oktober können Besucher hier Kunstwerke erleben, die sich mit Schrift und dem Wechselverhältnis von Schrift und Bild künstlerisch auseinandersetzen.
Schrift und Schreiben ist ein Thema, das Menschen bereits seit der Antike beschäftigt – und das in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch in der Wissenschaft, insbesondere in der Literaturwissenschaft, wieder einige Aufmerksamkeit erfahren hat. Angesichts der steigenden gesellschaftlichen Aufmerksamkeit für Analphabetismus in Deutschland dürfte dieses Thema auch ein zukunftsweisendes sein, das diese Ausstellung aus künstlerischer Perspektive aufwirft und beleuchtet.
Die Ausstellung auf zwei Etagen der Galerie der Gegenwart legt den Fokus auf die letzten zehn Jahre – nicht wenige Kunstwerke entstanden sogar eigens für diese Ausstellung.
Einzelne Exponate aus den 1960er und 1970er Jahren stellen die Verbindung zwischen gegenwärtiger und vergangener Behandlung dieses Themas her. Auch wenn diese älteren Exponate im Rahmen des Ausstellungsthemas durchaus interessant sind: Ihre geringe Zahl und wenig transparente Einbindung in die Gesamtausstellung verhindert, dass sie als historische Bezugspunkte wirklich einordbar und verständlich werden.
Bei der Auswahl der Exponate der Gegenwartskunst jedoch überzeugt Art and Alphabet durch eine große Vielfalt, die das ganze Spektrum der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Wechselspiel von Schrift und Bild abbildet.
Exemplarisch seien hier drei Beispiele genannt:
Katie Holten übersetzt in ihrem Werk Tree Alphabet Texte in Wälder und experimentiert so auf Basis der Schrift auch mit dem Verhältnis von Mensch und Natur. Eine Übersicht zeigt, welcher Baum für welchen Buchstaben des Alphabets steht. Was so noch recht übersichtlich wirkt, wird bei der Transliteration ganzer Texte in Wälder jedoch schnell unübersichtlich, da sich die verschiedenen Bäume zum Wald überlagern. So wird der eigentlich lesbare Text zu einem unlesbaren Wald. Zugleich findet ein Shift statt: Die Schrift als rein menschliches Medium wird zu einem objektzentrierten Medium, das damit jedoch für den Menschen zugleich Bedeutung einbüßt.
Den umgekehrten Effekt kann man in den ausgestellten Werken Friederike Feldmanns beobachten: Während Holtens Wälder unlesbar wirken, aber der Konstruktion nach theoretisch lesbare Texte bleiben, suggerieren Feldmanns großformatige Banner und Wandmalereien Lesbarkeit, wo keine ist. Der Betrachter bemüht sich um Entzifferung – und muss doch scheitern.
Einen ganz anderen Weg wiederum geht Petrit Halilaj mit seiner Tapeteninstallation seiner kosovarischen Schulfibel. Diese zeigt die Buchstaben des Alphabets auf den Buchseiten – und verweist so als Kunstwerk nicht auf eine konkrete Bedeutung eines Zeichens oder einer Zeichenfolge, sondern auf die Bedeutung der Sprache als identitätsstiftendes Element von Kultur.
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In vielen der ausgestellten Kunstwerke wird die wechselnde Bedeutung von Zeichen oder deren Entleerung als Sinnelement politisch subversiv eingesetzt. Der Kunsthalle Hamburg ist es mit Art and Alphabet wirklich gelungen, dieses brandaktuelle Thema in eine gelungene Ausstellung umzusetzen, die ein breites Spektrum der künstlerischen Auseinandersetzung mit sprachlichen Zeichen abdeckt. Das macht die Ausstellung nicht nur für Freunde der Gegenwartskunst interessant, sondern für alle, die sich für das Thema „Sprache und sprachliche Zeichen“ interessieren.
Fazit: Eine sehenswerte Ausstellung mit einer Vielzahl faszinierender Werke – sollte man nicht verpassen!
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Rivane Neuenschwander: Erotisme, 2014; HD-Video, Größe variabel, 5:46 Min., Edition of 8 + 2 APs | (C) Courtesy Rivane Neuenschwander; Stephen Friedman Gallery, London; Galeria Fortes Vilaça, São Paulo and Tanya Bonakdar Gallery, New York
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Ann-Kristin Iwersen - 28. Juli 2017 ID 10163
Weitere Infos siehe auch: http://www.hamburger-kunsthalle.de
Post an Dr. Ann-Kristin Iwersen
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