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Shakespeare ist immer ein Grund zum Feiern. 2014 war es der 450. Geburtstag und 2016 der 400. Todestag. Und nun im Jahr 2023 wird der Veröffentlichung der „First Folio“ ein kleines Denkmal gesetzt, einer Zusammenstellung sämtlicher Werke des unsterblichen Barden. Sieben Jahre nach seinem Tod vollendeten Shakespeares Schauspielkollegen John Heminges und Henry Condell die Vision, die 36 Stücke zu sammeln und in Buchform als „Fassung letzter Hand“ zu publizieren; ohne diese wäre viel weniger vom Gesamtwerk erhalten geblieben. Deren Existenz nehmen wir vielleicht als viel zu selbstverständlich an, denn wie sensationell das ist, zeigt die kleine Ausstellung im Raum der grafischen Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums in Köln, wo eine der nur 235 bekannten First Folios im Mittelpunkt steht. Das ganze Drama – Shakespeares First Folio von 1623 ist ein wunderbares Kabinettstück des Museumsdirektors Marcus Dekiert, des Direktors des Kölner Instituts für Theater- und Medienwissenschaft Peter W. Marx, des Direktors der Universitätsbibliothek zu Köln Hubertus Neuhausen und des Stars der Ausstellung: eine gut erhaltene Ausgabe der First Folio aus dem Besitz der UB. Der Begriff Folio bezeichnet ein Buchformat, das vom 15. bis zum 19. Jahrhundert angewendet wurde und die Anzahl der Faltungen des Papierbogens wiedergibt.

In Elisabethanischer Zeit gab es keinen Schutz der Urheberrechte, weswegen die Stücke seltener in vollständiger schriftlicher Form vorlagen. Die Schauspieler bekamen lediglich ihre Rollen, das war ein gerolltes Schriftstück, auf dem nur die für sie relevanten Texte standen. Die 36 Stücke zu vervollständigen und in literarischer Form zu bearbeiten und zu präsentieren, zeugt von einem Sinn für ihren Wert, denn die Folios waren kostbar aufgemacht. Ben Jonson, ein Rivale Shakespeares, der sich ihm wegen seiner universitären Bildung überlegen fühlte, hatte das Selbstbewusstsein, seine eigenen Stücke drucken zu lassen, obwohl die Folios bislang eher für religiöse Texte verwendet wurden. Der Bann war also schon gebrochen, aber trotzdem ist es ein herausragendes Ereignis und ein außerordentlicher Liebesdienst. - Im Juli 2022 hat das Londoner Aktionshaus Sotheby's eine der Ausgaben der First Folio für über zwei Millionen Pfund versteigert.

Marx zählt im Katalogtext auf, dass ohne die Folio rund die Hälfte der Stücke nicht erhalten geblieben wäre, darunter Macbeth, Der Sommernachtstraum und Der Sturm. Die Texte waren ursprünglich „Spielmaterial“, also nur eine Grundlage für die Aufführungen und konnten je nach Situation angepasst werden. Und es war genau entgegengesetzt wie es heute ist. „Theater verwandelte sich in Literatur“, sagte Marx, während es seitdem an den Theaterschaffenden liegt, Shakespeares Texte in möglichst gutes Theater zurückzuverwandeln. Das hat auch seine Fallstricke, denn die Stücke und die Person wurden als unantastbar angesehen und es fand eine Verherrlichung statt, die schon Ben Jonson in der First Folio betrieb, in deren Vorwort er Shakespeare „Süßer Schwan von Avon“ und „Seele des Zeitalters“ nannte.

Im 18. und 19. Jahrhundert überschlugen sich Künstler mit einer überhöhten Darstellung des Stückeschreibers. An der Wand rechts vom Eingang hängen Beispiele aus der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln. Robert Edge Pine hat den berühmten Schauspieler David Garrick abgebildet mit Shakespeare auf einem Podest im Hintergrund (1784), Benjamin Smith (1799, vergl. oben das Cover vom Katalog) und Moses Haughton (1810) inszenieren den Säugling William als Lichtgestalt mit Ähnlichkeiten der Darstellung des Jesuskindes. - Auf der gegenüberliegenden Wand befinden sich Abbildungen aus verschiedenen Stücken, darunter die zwölf Blätter zu Hamlet (1778) von Daniel Chodowiecki, Max Slevogts Illustrationen zum schottischen Stück von 1927/28 sowie Ernst Sterns Figurinen zum Sommernachtstraum von 1913.

Die 400-jährige Jubilarin selbst zeigt sich in bestmöglichem Zustand mit ihrem frisch restaurierten Ledereinband. Das Licht ist gedämpft und geblitzt werden darf auch nicht, aber dass sie behütet und gepflegt worden ist, sieht man ihr an. Ihr Kauf ist dem ehemaligen Kanzler der Universität zu Köln Wolfgang Wagner zu verdanken, der die First Folio in den 1960er Jahren für 425.000 DM erwarb, zusammen mit Ausgaben der zweiten, dritten und vierten Folio. Auch das war ein vorausschauender Akt, wie damals bei Heminges und Condell, auf den die Universitätsbibliothek heute noch stolz ist und der First Folio eine eigene Seite auf ihrer Website eingerichtet hat. Außerdem wird die Prachtvolle im Jubiläumsjahr digitalisiert und somit wird wieder ein Stück Zukünftigkeit erschaffen.

Das Wallraf-Richartz-Museum hat ein Begleitprogramm auf die Beine gestellt, bei dem u. a. Shakespeares Geburtstag am 23. April 2023 gefeiert wird. Die Ausstellung läuft vom 3. März bis 11. Juni 2023.



Die First Folio ist ein gut behüteter Schatz der Universitätsbibliothek zu Köln © Helga Fitzner

Helga Fitzner - 5. März 2023
ID 14086
Weitere Infos siehe auch: https://www.wallraf.museum/


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