Die Aura
um Aural
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Eingangszone zu James Turrell's Ganzfeld "Aural", 2018; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Dieter und Si Rosenkranz, Foto: Florian Holzherr
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Bewertung:
Im Deutschen gibt es die Vokabel "Aura", was so viel wie "Ausstrahlung" bedeutet; auch mit "Nimbus" ist sie übertragbar. Eines meiner Fremdwörterlexika beschreibt sie gar als "Sinnesempfindungen verschiedener Art von Anfällen aller Art, auch vor See- und Luftkrankheit" [lat.: "Lufthauch. Luft"] - hintan erfolgt dann prompt die Nennung der Vokabel "aural", die dann gleichbedeutend mit "aurikular" [auris "Ohr"] benannt, aber nicht fortführend erklärt wird. Auch im Englischen gibt's die Vokabeln "Aura" und "aural". Tippe ich dann z.B. die "aural"-Vokabel in die Suchleiste der PONS-App ein, wird mir "akustisch" als deutschsprachiges Pendant gezeigt. Ich konstatiere also, dass es zwischen "Aura" und "aural" einen nicht wegleugbaren Unterschied in puncto visueller und/oder akustischer Bedeutung gibt. Ja, Sprache ist schon eine Welt an sich!
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Jetzt präsentiert das Jüdische Museum Berlin Aural, eines der weltweit bedeutendsten Projekte des amerikanischen Lichtinstallateurs James Turrell (geb. 1943) - eine Schenkung Dieter und Si Rosenkranz' an die Stiftung JMB.
"Die begehbare Installation auf einer Fläche von mehr als 200m² gehört zu Turrells Werkserie der Ganzfeld Pieces. Sie bilden die Krönung seines künstlerischen Schaffens. Mit Aural wird erstmalig ein Ganzfeld des weltweit bedeutendsten »Bildhauers des Lichts« in Berlin präsentiert.
[...]
Beim Betreten der Installation Aural tauchen die Besucher in die Atmosphäre eines entgrenzten und entmaterialisierten Raumes ein. Die Quelle des Lichtes lässt sich kaum erahnen. Es kommt kraftvolles aber weiches Licht zum Einsatz, das die Kontraste gänzlich auflöst. Durch die gleichmäßige, monochrome Ausleuchtung erscheint der Raum konturlos. Das Auge findet keine Anhaltspunkte mehr, sodass sich ein Gefühl der Orientierungslosigkeit einstellen kann. In diesem dimensionslosen Raum verschmelzen Licht, Farbe und Raum in eins. Der Blick verliert sich im diffusen Farbnebel."
(Quelle: jmberlin.de)
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James Turrell, Ganzfeld "Aural", 2018; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Dieter und Si Rosenkranz, Foto: Florian Holzherr
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Ungefähr ein halbes Dutzend Leuten lässt der Einlassdienst wohl austarierten Platz und ausbedachte Muse, sich den zeitlupigen und licht-, farbabändernden Wahrnehmungen des Ganzen auszusetzen. Hierzu kann sich der Besucher (möglichst vorab und am günstigsten über die HP) ein sogenanntes Zeitfensterticket buchen - und auch falls dann wer womöglich etwas länger an dem wundersamen Ort verweilen sollte als sein Zeitfenster bestimmt; nein, "rausgeschmissen" wird er sicher nicht...
Ich blieb dann gestern über eine Stunde in dem Raum, der sich in dem Moment, wo ich ihn schuhlos über die paar Stufen von der Eingangszone aus betrat, in einem allmählichen "Übergang" von zartem Rosa in ein abenddämmerliches Blau befand. Die Farbverwandlungen erfolgen derart langsam, dass du sie ganz ungehetzt und fast schon "unbeeindruckt" nach und nach um dich herum verstreichen lassen kannst. Vor dir scheint eine Extra-Wand, die sich im Licht- und Farbton meistensteils vom Rest des Raumes, dessen räumliche Begrenzungen du dann mitunter überhaupt nicht mehr erkennen kannst, nach hinten (vor dich hin) zieht. Ein fast magisch anziehender Zwang - doch Vorsicht! Jene abfallende Schräge, die du unter deinen Füßen spürst, leitet dich in der Tat fast zwanghaft in genau die Richtung, wo du plötzlich eine Kante siehst und einen unheimlichen Abgrund ahnst / dort musst du stoppen.
Nicht ins Bodenlose fallen!
Alle acht Minuten wird die von Turrell beabsichtigte und von dir, dem Aural-Wahrnehmer, vollauf gewünschte "Langeweile" durch ein buntpastell'nes Hacklicht unterbrochen. Danach ändert sich wieder der insgesamte Licht- und Farbgehalt...
Ein visueller Rausch in atemloser Stille.
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Andre Sokolowski - 24. April 2018 ID 10666
Weitere Infos siehe auch: http://www.jmberlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
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