Hat der Mensch ausgedient?
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Das berühmte Trinity College in Dublin gründete im Jahr 2008 die Science Gallery als eine Art Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kunst. Sie gibt damit Projekten einen Raum, die in etablierten Museen nur schwerlich einen Platz finden würden. 2012 wurde nach diesen Maßgaben „Science Gallery International“ gegründet, das sich als globales interdisziplinäres Netzwerk versteht, dessen gemeinsame Mission die Entfachung der Neugier und des Forschergeistes sein soll, wie es in der Selbstbeschreibung heißt. Dies geschieht derzeit an sechs Standorten: Dublin, London, Melbourne, Bangalore, Venedig und Detroit
Die Science Gallery in Dublin hat schon über zwei Millionen Besucher in ihren Bann gezogen. Sie verfügt über moderne Räumlichkeiten, und von hier aus wurden bereits 14 Ausstellungen konzipiert, die dann auf Welttournee geschickt wurden. In der laufenden Humans Need Not Apply geht es um künstliche Intelligenz, und da verwundert direkt rechts hinter dem Eingang die Minimum Wage Machine (Blake Fall-Conroy, 2008). Es handelt sich um einen Plexiglasbehälter mit Hunderten von 1-Cent-Münzen; und wenn ein Mensch eine volle Stunde lang an der Kurbel dreht, hat er alle 925 Cents aus der Maschine befreit, das entspricht dem Mindestlohn in Irland. Darüber wundert sich möglicherweise auch Pinokio, eine animatronische Schreibtischlampe (Adam Ben-Dror, 2012), die erstaunliche Fähigkeiten hat, auf Gesichtsausdruck und menschliches Verhalten zu reagieren.
Künstliche Intelligenz könnte man sich auch ins Kinderzimmer holen. Die Pet Robots Cozmo und Roomba (Mixed Media, 2016 / Anki US und iRobot US) sehen ein wenig wie Wall-E aus dem gleichnamigen Disney-Film aus. Sie können Gesichter wiedererkennen, Hindernisse aufspüren und auf ihrem Display Gesichtsausdrücke und Stimmungen kopieren oder generieren. Sie geben Geräusche von sich und machen einen sehr verspielten Eindruck, was schon ziemlichen Spaß macht, da man mit ihnen interaktiv spielen darf. Faszinierend für Kinder, aber sinnvoll? Das neueste Modell von Roomba soll bereits Wi-Fi-fähig sein.
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Cozmo lädt zum Spielen ein, aber ist er kinderzimmertauglich? | (C) dublin.sciencegallery.com
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Wird der nächste Shakespeare eine Maschine sein? Zwei Self Typing Machines (Lorraine Oades mit Martin Peach, 2014) kommunizieren per elektronischer Schreibmaschine miteinander. Die Texte sind philosophischer, literarischer und kritischer Natur und im Frage-Antwort-Modus konzipiert. Auch die Besucher können etwas eingeben. Auf die Bemerkung „Good evening“ gab es 45 Zeilen Gedicht, darunter: „A window on the wall of the world was still in its stars. The stars are gone and the sun was still there.“ Immerhin.
Wird der nächste Rembrandt eine Maschine sein? The Next Rembrandt (J. Walter Thompson, 2016) ist eine Videodokumentation, die zeigt, wie ein Bild von künstlicher Intelligenz hergestellt wird. Ausgestellt ist das Bildnis eines Mannes, das viele Attribute von Werken Rembrandts aufweist. Der Computer hat gelernt, Rembrandts Themen, Bildkompositionen, die Nutzung des Lichts und sogar die Pinselführung zu imitieren. Was bedeutet das für die Zukunft von KünstlerInnen? Tröstlich in der Ausstellung ist der Fakt, dass das Bild von menschlicher Hand (Pan Fubin) in Öl kopiert werden musste, da das Original nicht verfügbar war.
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Der Ausstellungstitel Humans Need Not Apply bedeutet so viel, dass Menschen sich gar nicht zu bewerben brauchen. In vermutlich sehr naher Zukunft wird künstliche Intelligenz in der Lage sein, noch mehr menschliche Tätigkeiten zu ersetzen. Wenn wir uns an die Mindestlohnmaschine am Eingang erinnern, ist das bei stupiden Tätigkeiten auch sinnvoll. Die Frage, wo das enden soll und ob wir am Ende zu einem von Computern verwalteten Menschen-Zoo werden, steht im Raum. Die Ausstellung zieht bewusst keine Schlussfolgerungen, zeigt die Faszination und den Sog dessen, was heute bereits möglich ist, wovon noch viele andere Installationen eine konkrete Vorstellung geben. Am Ende werden wir aber auf die Frage zurück geworfen, was uns als Menschen ausmacht. Gibt es, zum Beispiel, einen Unterschied zwischen echter und maschinell generierter Empathie? Und wer bzw. was passt sich hier eigentlich an wen bzw. was an?
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Helga Fitzner - 2. April 2017 (2) ID 9952
Humans Need Not Apply ist eine technisch versierte Ausstellung mit interaktivem Spaßfaktor zu einer ganz wichtigen Fragestellung der Menschheit.
Die kommenden Ausstellungen sind Make Noise (01.06. - 03.09.2017) mit Workshops, wie man Elektroschrott zu Musikinstrumenten umfunktioniert und Collapse (21.09.2017- 21.01.2018) mit Ideen, wie man einer möglichen Apokalypse begegnen könnte.
Weitere Infos siehe auch: https://dublin.sciencegallery.com/
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