Andersweltliche
Magie
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Cover des Ausstellungskataloges vom Hirmer Verlag
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Bewertung:
Mit großer Spannung durfte man der Ausstellung Karl Schmidt-Rottluff: expressiv, magisch, fremd entgegensehen, denn erstmals überhaupt widmet sich eine ganze Ausstellung der künstlerischen Verarbeitung außereuropäischer Masken durch den bekannten Brücke-Künstler. Inhaltlich ist dieses Thema hochrelevant – gerade in Zeiten, in denen wir uns gesellschaftlich wieder vermehrt dem Thema „Kulturkontakt“ auseinandersetzen. Zugleich ist es natürlich auch ein ästhetisch wesentlicher Aspekt des Schmidt-Rottluff'schen Werkes.
Das Bucerius Kunst Forum überzeugt mit einer umfassenden, gut strukturierten (sonst keine Stärke des Bucerius Kunst Forums) und selbst geradezu magischen Ausstellung von rund 80 Gemälden, Skulpturen, Aquarellen, Druckgrafiken und Zeichnungen Schmidt-Rottluffs und einigen seiner außereuropäischen Inspirationsquellen, die aus der Sammlung des Künstlers stammen.
Die Werke sind chronologisch nach Entstehungszeit im Ausstellungsrundgang angeordnet und zeigen so die verschiedenen Epochen in Schmidt-Rottluffs Auseinandersetzung mit und Appropriation von außereuropäischen Kultobjekten. Zugleich wird deutlich, wie sehr diese Auseinandersetzung auch vom Leben des Künstlers – insbesondere der Erfahrung des Berufsverbotes zur Zeit des Nationalsozialismus – geprägt ist.
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Bei einer solch „völkerkundenahen“ Ausstellung drängt sich dem Besucher automatisch die Frage auf, inwieweit sich der Künstler auch mit dem kulturellen Kontext der von ihm zitierten und appropriierten Werke auseinandergesetzt hat – zumal Schmidt-Rottluff zu den wenigen Künstlern seiner Epoche gehörte, der außereuropäische Kunst nicht nur ästhetisch rezipiert, sondern tatsächlich in nennenswertem Umfang gesammelt hat.
Dennoch: Schmidt-Rottluff ging es beinahe ausschließlich um Form und Gestaltung der Objekte – dies teilte er mit allen Künstlern des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, die sich von außereuropäischer Kunst inspirieren ließen, von Paul Gauguin vielleicht einmal abgesehen. Mit dem kulturellen Kontext der von ihm gesammelten Werke suchte sich Schmidt-Rottluff entsprechend auch nicht auseinanderzusetzen.
Was man jedoch beobachten kann, ist, dass die Masken für Schmidt-Rottluff aus sich selbst heraus eine Art „magischer Aura“ hatten, die er in verschiedenen Werken, beispielsweise in Die schwarze Maske aus dem Jahre 1956, durch eine Umrandung kenntlich macht, die den Gegenstand von ihrem Hintergrund ablösen und sie gleichsam schweben lässt.
Man darf vermuten, dass Schmidt-Rottluff um den grundsätzlich sakralen Kontext seiner Sammelstücke wusste, auch wenn er deren konkrete kulturelle Form nicht kannte. Diesen sakralen Kontext hat er mit seinen eigenen Ausdrucksmitteln auf Basis seiner eigenen Eindrücke erkundet. Die außereuropäischen Masken und Kultobjekte waren ihm Inspirationsquelle und dienten ihm als Mittel dazu, ein unbestimmt Numinoses, Magisches ausdrücken.
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Der Katalog zur Ausstellung [s. Cover o. re.] hält das hohe Niveau der Ausstellung und überzeugt mit hochwertigen wissenschaftlichen Beiträgen. Sie setzen sich zum einen, natürlich, mit der Verarbeitung außereuropäischer Kunst im Werk Schmidt-Rottluffs auseinander; dabei fokussiert der Beitrag von Janina Dahlmanns die Werke der 1920er Jahre, Christiane Remm setzt sich mit den Stillleben Schmidt-Rottluffs auseinander.
Vervollkommnet wird der Band jedoch durch zwei Beiträge, die eher den Rahmen des Schmidt-Rottluffschen Schaffens thematisieren: Magdalena M. Moeller widmet sich der Sammeltätigkeit des Künstlers und untersucht so den Prozess, in dem Schmidt-Rottluff seine außereuropäischen Inspirationsquellen fand. Katharina Wilkens Beitrag zu „Masken und Skulpturen in afrikanischen Religionen“ erklärt den tatsächlichen Hintergrund der „Fundstücke“ Schmidt-Rottluffs und ermöglicht uns so, den künstlerisch-kulturellen Dialog, den wir im Werk Schmidt-Rottluffs sehen, besser zu verstehen und einzuordnen.
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Fazit: Der Ausstellung gelingt es auf wundervolle Weise, die vielen großartigen Werke Schmidt-Rottluffs zu vereinen, in denen die Auseinandersetzung mit dem kulturell Anderen erkennbar wird – und sie kontextualisiert diese Auseinandersetzung historisch und ethnologisch auf eine Weise, dass die Ausstellung nicht nur einen einzigartigen Einblick in das Werk Karl Schmidt-Rottluffs bietet, sondern zugleich selbst ein Statement für den Wert kulturellen Austauschs ist.
Diese Ausstellung ist ein absolutes Muss für Freunde des Expressionismus – und ebenso für Menschen, die sich für die Appropriation außereuropäischer Kunst in der westlichen Kunstwelt interessieren.
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Ann-Kristin Iwersen - 11. Februar 2018 ID 10511
Weitere Infos siehe auch: http://www.buceriuskunstforum.de
Post an Dr. Ann-Kristin Iwersen
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