Magie der Farbe
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Bewertung:
Schon beim Betreten der Ausstellung wird man von den kräftigen Farben überrumpelt. Diese begeisterten, vibrierenden, grellen, optimistischen Pinselstriche erwartet man sonst eher in einer Fauvisten-Ausstellung. Jetzt erhellen sie das MUSEUM PFALZGALERIE KAISERSLAUTERN, wo seit Ende Oktober Arbeiten von Rudolf Levy (1895-1944) gezeigt werden. Es ist die erste umfangreiche Retrospektive in Deutschland dieses heute in Vergessenheit geratenen Künstlers, obwohl er in einigen deutschen Museen zu finden ist.
Das ansprechende Museum hat der Ausstellung zwei Stockwerke gewidmet und den Bildern viel Platz eingeräumt. Levys Bilder schreien auch kurz vor seiner Inhaftierung noch vor Optimismus wie das Bild Atelierstillleben vor geöffneter Balkontür im Florentiner Palazzo Guadagni [s. Foto unten]. Bei diesem Werk kann man ganz besonders gut erkennen, dass Matisse sein Lehrmeister war.
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Rudolf Levy, Atelierstillleben vor geöffneter Balkontür im Florentiner Palazzo Guadagni, 1943; Öl auf Leinwand, 77 × 99,5 cm, Privatsammlung | Foto: Wolfgang Fuhrmanek
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Auch das ruhigere Stillleben mit Madonnenlilien und Buch (1942) ist außerhalb der Ausstellung nicht zu sehen. Aus Salzburg kam ein expressionistisches Werk aus dem Jahre 1910. Liegender Akt vor Stillleben, eines der wenigen Frühwerke von Levy. Ansonsten beleuchtet die Schau hauptsächlich seine Zeit in Frankreich und Italien. Besonders anrührend das in sich gekehrte Bild Genia lesend, das 1921 entstand. Die Landschaft Blick auf die Bucht von Rapallo gehört einer Privatsammlung in Florenz. 1934 malt Levy das Bild Torero. Es gehört der Pfalzgalerie wie auch sein letztes Selbstporträt aus 1943: Ein altersmäßig schwer einzuschätzender Mann in Hemd und brauner Jacke. Er trägt eine dunkle Brille, die Augen fast geschlossen, der Gesichtsausdruck fragend, desorientiert, der Mund leicht geöffnet. Kubistische Schatten liegen auf seinem Gesicht und lassen das Porträt wie eine lebende Maske daher kommen. Der Hintergrund ist beunruhigend blau-grün. Dieses Porträt entsteht nur wenige Monate vor seiner Deportation nach Ausschwitz und spiegelt die Gewaltherrschaft ab den 1930er Jahren wider, während die Stillleben und Landschaften Zeugen der kreativen, glücklichen Jahre der Weimarer Republik, seine Italien-Zeit oder der Pariser Jahre sind.
Die Kunstkritiker haben Levys Werk in den 1950er Jahren sinnlich, schön und sensibel bezeichnet und geradezu geschwärmt von den farbenprächtigen Landschaften, dem mediterranen Ambiente oder seinen tiefsinnigen Porträts. Dennoch haben es seine Bilder nicht geschafft, im Nachkriegsdeutschland einen Platz einzunehmen. Dies will die Pfalzgalerie nun ändern. Rund 50 Werke, darunter Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen, verschaffen einen guten Überblick über das Werk dieses Künstlers und Matisse-Schülers.
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1875 wird Rudolf Levy in Stettin geboren. 22-jährig geht er nach München, um Kunst zu studieren. Dort bewegt er sich im Umfeld von Hans Purrmann, Paul Klee, Albert Weisgerber und Alfred Kubin. Levy ist vor allem in der Münchner Studentenbohème unterwegs und gehört zur Künstlervereinigung Sturmfackel, die sich regelmäßig in einem Schwabinger Cafe trifft. Auch in der angesehenen Zeitschrift Der Querschnitt ist er immer wieder vertreten. München war gerade dabei, zu einem bedeutenden Kunstzentrun in Deutschland aufzusteigen. 1903 geht Levy nach Paris, wird Schüler von Matisse, stellt in den Pariser Herbstsalons aus und trifft Picasso und andere Vorreiter der Moderne im Café du Dôme. Vor dem Ersten Weltkrieg geht der Künstler nach Berlin und meldet sich - wie Beckmann, Dix, Macke oder Marc - freiwillig. Levy bekämpft nun das Land, in dem seine Künstlerkarriere begann. Obwohl er zweimal ausgezeichnet wird, kann er als Jude die höhere Offizierslaufbahn nicht erreichen. Vier Jahre malt er kein einziges Bild. 1919 kehrt er nach Deutschland zurück und lässt sich in Düsseldorf im Umkreis des Kunsthändlers und Galeristen Alfred Flechtheim nieder, der sich schon vor dem Ersten Weltkrieg das Exklusivrecht zum Verkauf von Levys Bildern sicherte. Der unstete und unruhige Levy heiratet die Schauspielerin Eugenie Schindler, verbringt die Goldenen Zwanziger in Berlin, wo er mit Erika und Klaus Mann sowie mit der Bildhauerin Renée Sintenis befreundet ist. Hochgelobt nimmt Levy an vielen Ausstellungen im In- und Ausland teil. 1924 ist er erneut in Paris. 1928 wird Levy Vorstand der Berliner Secession und engagiert sich dort bis zu seiner Emigration 1933. Anschließend beginnt seine Odyssee durch Europa, Levy verbringt eine Zeitlang bei Kokoschka in Rapallo, fährt nach Mallorca, wo er nach dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges wieder weg muss und landet schließlich in New York. Leider, muss man sagen, kehrt er 1937 nach Europa zurück und lässt sich in Kroatien und später auf Ischia nieder. In dieser Zeit werden wenigstens 11 seiner Werke aus den deutschen Museen als entartet entfernt. Levy lebt von gelegentlichen Bilderverkäufen. Bei Kriegsausbruch wohnt er auf der Insel Procida. Seine Aufenthaltsgenehmigung wird nicht erneuert. Ein Visum für die USA, Brasilien oder Chile bekommt er auch nicht. 1940 geht Levy nach Florenz und beginnt wieder zu malen. 1943 im Mai hält er sich mit Purrmann in Saltino-Vollombrosa auf. Im September 1943 wird Florenz besetzt. SS-Leute, die ihn als Kunsthändler getarnt aufsuchen, locken ihn in eine Falle und Levy wird im Dezember 1943 von der Gestapo verhaftet. 1944 wird er nach Auschwitz deportiert und stirbt wohl schon auf dem Transport dorthin.
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Christa Blenk - 2. Dezember 2023 ID 14505
Die Ausstellung Rudolf Levy. Magier der Farbe ist in Kooperation mit den Florentiner Uffizien entstanden, wo sie Anfang 2023 zu sehen war. Während die Schau in Florenz hauptsächlich seinem kurzem Exil dort gewidmet war, zeigt die Pfalzgalerie den Farbenzauberer Rudolf Levy ab den 1920er Jahren.
Sie ist noch bis zum 11. Februar 2024 im MUSEUM PFALZGALERIE KAISERSLAUTERN zu sehen - geöffnet von Diensttag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet 8 Euro. Es lohnt aber auch unbedingt, die permanente Sammlung für nur 2 Euro mehr zu besuchen. Der gut gemachte Katalog kostet in der Ausstellung 39 Euro.
Weitere Infos siehe auch: https://mpk.de
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