Meteorit tat
Pope nicht
verfehlen
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Flyer zur Gruppenausstellung CLUJ CONNECTION 3D in der Berliner Galerie Judin | Vlad Olariu, Formula for General and Elementary Statistics, 2015; EPS foam, resin and cement 399 pieces, dimensions variable - (C) Galerie Judin
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Bewertung:
Die hierzulande am postsozialistischsten in Erinnerung gebliebene Assoziation zu Rumänien war und bleibt die subspontane (damals live gefilmte und sonach weltweit kommunizierte) Hinrichtung des Diktatoren-Paares Nicolae & Elena Ceaușescu am 25. Dezember 1989 - danach, Jahr um Jahr, verebbte das publike Interesse an der Balkanrepublik, die schon zur Zeit des Kalten Krieges, gleich hinter Albanien, zu den ärmsten Ostblockstaaten zählte. In der Schule (vor der Wende) kriegten Schüler dann vielleicht noch mit, dass es inmitten von Rumänien auch noch eine deutschsprachig-stämmige Minderheit gegeben haben soll: die sog. Siebenbürgen. Das in Hermannstadt beheimatete "Deutsche Theater" war auch ab und zu mal in der DDR auf Gastspielreise, heute wird es als sog. deutsche Abteilung vom Nationaltheater Radu Stanca Sibiu offiziell ausgewiesen und mit Ach und Krach am Leben gehalten; "während der Dezemberereignisse 1989 gab es erneut einen Brand, der dem Theater schweren Schaden verursachte. Auch schrumpfte durch die Massenauswanderung der deutschspachigen Bevölkerung sowohl das Ensemble als auch das Zielpublikum", heißt es sehr resignierend auf der hausinternen Website.
Gibt es eigentlich noch irgendwie befriedigende Aufklärungskampagnien (aus Rumänien oder Deutschland), die auf dieses kulturelle Phänomen der deutschsprachigen Siebenbürgen abheben? Gewiss - man müsste nur rein zufällig durch solche irgendwo und irgendwann tangiert sein...
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Ja, auch Kunst gab/gibt es in dem Landstrich - ganz konkret in Klausenburg (rumänisch: Cluj)!
Die Galerie Judin - in der aufwendig ausgebauten ehemaligen Druckereihalle des Berliner "Tagesspiegel" an der Potsdamer Straße - hat jetzt Jane Neal, welche als eine der weltweit bedeutenden und führenden Expertinnen für östeuropäische zeitgenössische Kunst gilt, zu dem Kuratieren einer der wohl aufregensten Ausstellungen, die man derzeit in Berlin zu sehen kriegt, beauflagen können:
"Die Gruppenausstellung Cluj Connection 3D bringt acht Künstler zusammen, die alle in der rumänischen Stadt Cluj studiert haben und mit den Medien Skulptur und/oder Installation arbeiten: Mihuț Boșcu Kafchin, Răzvan Botiș, Mircea Cantor, Radu Cioca, Ciprian Mureşan, Vlad Olariu, Cristi Pogăcean und Gabriela Vanga.
Cluj Connection 3D setzt die wegweisende Ausstellung Cluj Connection fort, die Jane Neal 2006 in Zürich für Juerg Judin kuratiert hatte – gemeinsam mit dem rumänischen Künstler und Galeristen Mihai Pop (Galeria Plan B). Für die Fortsetzung in Berlin zeichnen wiederum Neal, Pop und Judin verantwortlich, und es kommt zu einem Wiedersehen mit vier Künstlern der Ausstellung von 2006: Cantor, Mureşan, Pogăcean und Vanga.
In den neun Jahren seit der Zürcher Ausstellung haben Cluj und seine Kunstszene große internationale Anerkennung erlangt – etliche der Künstler sind zu 'Stars' in der Museumsszene und auf dem Kunstmarkt geworden. Doch es sind vor allem die Vertreter der figurativen Malerei wie Adrian Ghenie und Victor Man, für die Cluj bekannt wurde. Die Künstler der jüngeren Generation arbeiten häufig nicht nur in zwei, sondern in drei Dimensionen. Sie folgen den international erfolgreichen Multimedia-Künstlern Cantor und Mureşan und fordern mit Vehemenz die Kunstwelt zur Erweiterung ihres Blicks auf das Phänomen Cluj auf. In ihrer Vorgehensweise sind die acht in Cluj Connection 3D ausgestellten Künstler ihren erfolgreichen Malerfreunden ähnlicher, als zunächst ersichtlich ist: Tiefe Kenntnisse der Eigenschaften von Werkstoffen und ihrer technischen Handhabung verbinden sie mit einem ebenso profunden Wissen über die Theorien und Bewegungen, die die Entwicklung der Skulptur im 20. und 21. Jahrhundert prägten. Sie betonen die partizipatorischen Aspekte der Skulptur und erwarten beim Betrachter eine gewisse Kompetenz in der Auseinandersetzung mit dem vorgefundenen Objekt.
[...]
Viele Künstler greifen auf die klassische Skulptur der Antike zurück. Figuren werden aktualisiert und neu kontextualisiert: der Heroe (Cristi Pogăceans Optimus Prime – die Neuinterpretation eines Charakters der Transformers-Spielzeugserie mit Stilmitteln des Rokoko) und Artemis, die Göttin der Jagd (Gabriela Vangas No Secondary Thought – ein Pfeil und Bogen vollständig aus Lego gebaut). Diese sehr bildhaften Symbole werden in der Ausstellung mit weniger eindeutigen Ausdrucksformen kontrastiert, wie sie sich in Mihut Boscu Kafchins ausufernder Installation aus Stahlskulptur, Gipsrelief und Wandzeichnung finden lassen und in der Poesie von Radu Ciocas Inner Song, das zwei Porzellantauben zeigt, deren Körper sich gegenseitig durchstoßen.
Auch Humor und Ironie zeigen sich in vielen Werken der Ausstellung und bieten ein Gegengewicht zu den ernsteren Themen. Ein schönes Beispiel schwarzen Humors ist Ciprian Mureşans 1 : 666 [s.u.], das Bronzemodell einer geplanten neuen Kathedrale, die in Bukarest wegen ihrer Gigantomanie und Lage (genau gegenüber von Ceausșescus verrufenem 'Volkspalast') zu Kontroversen geführt hat. Der Titel, der sich auf den Maßstab des Modells bezieht, macht klar: Der Künstler hält diese Kathedrale für ein Werk des Teufels."
(Quelle: nolan-judin.de)
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Ciprian Mureşan, 1:666, 2013/2015; Bronze; 21.5 × 21 × 12 cm - (C) Galerie Judin
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Mircea Cantor, Hypothetical Geriatric Selfie, 2015; Installation; 3.14 × 3.14 m - (C) Galerie Judin
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"Während sich die Künstler lustvoll im Fundus der Mythen und Volkstraditionen bedienen, sind auch Bezüge zur Populärkultur augenfällig. In einer der überraschendsten Installationen, Mircea Cantors Hypothetical Geriatric Selfie [s.o.], bietet der Künstler dem Besucher ein Hintergrundsujet für die allseits beliebten 'Selfies' an. Es handelt sich um ein riesiges Loch in der Form eines Sterns, das er mit brachialer Gewalt in eine der perfekten Ausstellungswände gebrochen hat – mithin auch um einen Kommentar zur Ästhetisierung der Kunstpräsentation im white cube."
(Quelle: dto.)
Wer um den Kopf des durch den Meteoriten versehentlich zu Tod gerat'nen Popen aus Ciprian Muresans "Das Ende des Fünf-Jahres-Plans" [s.u.] herumzugehen Lust hat, der erreicht dann irgendwo so eine Stelle, wo der leere und gebroch'ne Popenblick beinahe Aug-in-Auge mit höchsteig'nem Wahrnehmungsempfinden ineinander auf- und übergeht. Das gibt zum Grübeln über Religion und Glaube einen ganz abrupten Anlass: Die Vergänglichkeit an sich kann also derart lichtgeschwindig mittels runterkrachender Materie, ohne jede Vorwarnung, de facto abgebrochen und/oder verendlicht sein?? o Gott!!
Dieses zu wissen, allerdings, beruhigt am Ende irgendwie. Nichts lässt sich halt so bis zum bittern Ende durchplanen.
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Links: Ciprian Muresan, The End of the Five-Year Plan, 2004; Mixed media; Dimensions variable - (C) Galerie Judin
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Andre Sokolowski - 24. Februar 2015 ID 8462
Cluj Connection 3D (Galerie Judin, 7. 2. - 11. 4. 2015)
Gruppenausstellung mit Werken von Mihuț Boșcu Kafchin, Răzvan Botiș, Mircea Cantor, Radu Cioca, Ciprian Mureşan, Vlad Olariu, Cristi Pogăcean und Gabriela Vanga
Öffnungszeiten:
Di - Sa | 11 - 18 h
oder nach Vereinbarung
Galerie Judin
Potsdamer Straße 83
10785 Berlin
T+49.30.39 40 48 40
F+49.30.39 40 48 420
info@nolan-judin.com
Weitere Infos siehe auch: http://www.nolan-judin.de
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
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