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Ausstellung

Der späte Rembrandt

im Rijksmuseum Amsterdam


Ausstellungskatalog | (C) Rijksmuseum Amsterdam

Bewertung:    



Ein Flashmob, der in der Zeit um 1660 spielt? - Das hätte vielleicht Rembrandt gefallen. Unter dem Titel "Unsere Helden sind zurück" wurde das berühmte Gemälde Nachtwache von Schauspielern in einem Einkaufszentrum nachinszeniert. Genau diese Mischung von moderner und alter Kunst hatte mich angesprochen. Ich musste nach Amsterdam fahren, um mir diese einzigartige Ausstellung anzusehen. Ich fand (ehrlich gesagt) bisher seine Bilder nur düster und vielleicht technisch versiert.

Das Faszinierende an Rembrandt van Rijn aber sind nicht allein Technik, expressive Pinselstriche, Licht und Schattenspiel oder der äußerst bewusste Einsatz von Farbe - es ist auch seine Persönlichkeit und Lebenserfahrung, wie er die Welt sah, kontemplativ und von Äußerlichkeiten unbeirrt.

Deshalb heißt diese wunderbare Ausstellung im Rijksmuseum Der späte Rembrandt. Denn trotz vieler Rückschläge in seinem Leben oder gerade wegen dieser Einbrüche zeigt Rembrandt eine großartige Reife. Er schaute genau hin, war (wie man heute sagen würde) sozialkritisch, denn die Darstellungen von Bettlern und Krüppeln lösten eine heftige Kritik aus. Ist so etwas darstellungswürdig?



King Willem-Alexander eröffnet die Ausstellung Der späte Rembrandt im Rijksmuseum Amsterdam | Foto (C) Erik Smits


Zu jener Zeit sollte die Kunst grundsätzlich nur das Schöne darstellen. Rembrandt war anderer Auffassung, er wollte das Leben nicht an bestimmte Konventionen geknüpft wissen, zuweilen nutze er willkürlich gewählte Details, aber er zeigte stets Momentaufnahmen ohne idealisierte Pose. Er entdeckte, war offen für Wunder, machte den Betrachter oft zum heimlichen Beobachter seiner intimen Szenen. Rembrandt ist in gewisser Weise zeitlos, denn aus seinen Bildern schauen immer auch die Seelen dieser Menschen, obwohl sie schon lange tot sind.

Sehe ich Jugendliche vor der gigantisch großen Nachtwache stehen [Foto siehe weiter unten], sind sie wie alle anderen Altersgruppen gepackt von der subtilen Direktheit, werden fast Teil dieser Szene.

Seine Bilder sprechen für sich, sind stille Momente, welche uns herausfordern hinzuschauen. Sie haben eine starke atmosphärische Wirkung, sie scheinen aus sich selbst heraus, haben Räumlichkeit und Tiefe bis in den dunklen Hintergrund, wo der Meister sich selbst mit hinein gemalt hat, etwas versteckt, aber unverkennbar benutzt er sein Gesicht wie eine Marke. Branding nennt man das heute.

Spätestens bei dem Gemälde Die Vorsteher der Amsterdamer Tuchmacherzunft von 1662 bekomme ich eine Gänsehaut. Alle Augen sind auf mich gerichtet, sie prüfen nicht nur die Qualität der farbigen Stoffe, sondern auch mich. Durch den tiefen Blickpunkt scheint es, als rage der Tisch aus der Bildfläche hervor, das macht das Ganze ziemlich unangenehm. So betrifft es mich, als solle auch ich den Stoff prüfen, darf mich dem Geschehen nicht entziehen.

Seine Ölgemälde sind Auftragsarbeiten, und wie das in höheren Kreisen nun mal so ist, man hat traditionelle Anforderungen und ist gewissen Eitelkeiten ausgesetzt. Besonders die Porträts müssen imposante Größe ausstrahlen. Wahrscheinlich war das Rembrandts Ruin, er blieb sich treu, experimentierte auf subtile Weise, ließ Flächen leer, veränderte oder verstärkte Bildausschnitte, suchte stets nach einem authentischen Eindruck, der von innen kam. Er suchte das Wesentliche darzustellen, gab den porträtierten Personen auch eine beispiellose Lebendigkeit und bemerkenswerte reale Plastizität. Als Künstlergenie spielte er mit Perspektive, mit Lichtverteilung und zuweilen mit der frontalen Pose, die z.B. für eine Frau ungewöhnlich war.



Jugendliche von heute mitten im 17 Jahrhundert - Der späte Rembrandt im Rijksmuseum Amsterdam | Foto (C) Liane Kampeter


Rembrandt fordert sich unaufhaltsam selbst heraus, sucht letztlich nach innerer göttlicher Weisheit. Zu jener Zeit ist man streng gläubig. Ein Selbstporträt in der Darstellung des Apostels Paulus, thematisiert, dass durch den Akt des Glaubens der Mensch befreit ist von der Macht der Sünde. Für ihn zählt das Liebesgebot, nicht das Gesetz mit seiner Selbstgerechtigkeit. Sein Lebenswerk ist der Wunsch nach Erlösung der Menschen, wichtig war ihm stets die Nächstenliebe. Wie oft hat er Märtyrertum von Menschen dargestellt! In seinen Selbstbildnissen erkennt man all sein Leiden ohne Selbstmitleid zu haben, den Kampf - Angst gegen Hoffnung. Expressive Pinselstriche drücken das Kämpferische aus und gleichzeitig das Akzeptieren der Abhängigkeit von der Gnade Gottes. Er unterstreicht die kontemplative Stimmung, die Besinnung in die Einsamkeit, der in sich gekehrte Ausdruck zeigt seine konzentrierte Entschlossenheit aber auch ein melancholisches Gemüt.

Die übergroßen Werke sind stark emotional geladen, stellen innere Kämpfe dar. Oft steht die Frau im Mittelpunkt, Teil seiner Suche nach Ganzheit. Wenn man vor seinen Bildern steht, wird man irgendwann besinnungslos, man kann nicht entkommen. In meinem Taumel drehe ich mich um, wähne plötzlich einen Sammler vor mir, frage ihn, ob er mir das Bild kauft (das, wo sie sich entscheiden muss). Tatsächlich war meine Intuition dermaßen geöffnet, dass dieser stattlich aussehende Mensch verschreckt antwortet: "Ich besitze bereits zwei Rembrandt!"

Im Moment der Erkenntnis mag sich der Kreis schließen, den der Maler andeutet, aufgeteilt in Halbkreisen zu beiden Seiten eines Selbstporträts. Bildinterpretationen meinen, er wolle sein Können unter Beweis stellen. Vielleicht aber wusste Rembrandt, es ist nicht möglich den perfekten Kreis in der Natur zu finden. Im asiatischen Raum gibt es meist unvollendete Kreise mit Tuschpinseln gemalt. Sie sind lediglich Symbol für Ganzheit und Vollendung. Rembrandt selbst war in seinem Leben stets gegen Perfektion, ihm ging es um andere Werte, für ihn war die Vollendung seines Lebens, Versöhnung und den inneren Frieden mit sich selbst zu finden.



Betrachtung des Rembrandt-Gemäldes Der Segen Jakobs von 1656 | Foto (C) Erik Smits


* * *

Wie kann man nun an den "späten Rembrandt" anknüpfen? Eine Möglichkeit ist, die früheren Bilder im gleichen Haus anzuschauen, es gibt auch eine Serie von Ausstellungen in anderen Häusern, wo der Meister gewohnt und gelehrt hat, Stadtrundgänge bieten sich an und Bootstouren.

Das Rijskmuseum zeigt mehr als 100 Gemälde, Zeichnungen und Radierungen aus der Zeit von ca. 1652 bis 1669 aus Sammlungen führender Museen und Privatsammlungen in der ganzen Welt.

Organisiert wurde diese Ausstellung in Zusammenarbeit mit The National Gallery in London.

Rembrandt van Rijn lebte von 1606 bis 1669, während seine Schaffensphase ab ca. 1652 begann.


Liane Kampeter - 3. Mai 2015
ID 8616
Weitere Infos siehe auch: https://www.rijksmuseum.nl/de/der-spate-rembrandt


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de


Siehe auch unser Porträt des Rijksmuseum Amsterdam



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