Islamische Kunst in den Scuderien
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Bewertung:
Schwerelos, gestützt nur vom Bilderrahmen, scheint er über der Welt oder auf Wolken zu schweben, vielleicht ja sogar auf einem fliegenden Teppich. Der junge Mann blickt konzentriert und ist ganz in seine Aufgabe versunken. Er strahlt eine meditative Ruhe aus. Dem Betrachter zeigt er seine linke Seite. Auf dem Kopf drapiert ein weißer Turban. Sein aufgeblähter, wertvoll wirkender hellbrauner Kaftan lässt die Vermutung zu, dass er sich im Schneidersitz befindet. Malt er gerade ein Eigenporträt? Jedenfalls trägt die Person auf dem Blatt, das er mit der linken Hand festhält, ebenfalls ein hellbraunes Gewand. Mit der rechten Hand hält er den Pinsel. Auf seinen Schultern liegt leicht ein hellblau mit Gold durchwirkter Schal, den er nicht wegen der kalten Temperaturen trägt.
Dieses nur 33 x 28 cm große Blatt ist ein wahres Meisterwerk islamischer Porträtkunst aus dem 17. Jahrhundert, wahrscheinlich die Kopie eines Blattes vom persischen Künstler Moghul Manohar aus dem 15. Jahrhundert. Nur drei Farben - weiß, blau und hellbraun - kamen hier zum Einsatz, ganz im Gegensatz zu den sonst so farbenfrohen islamisch-asiatischen Miniaturen.
Beeindruckend schön auch die nur 20 x 28 cm große Miniatur auf Seide (Zentralasien, 15. Jahrhundert). Ein in kostbare Kleider gehülltes Prinzenpaar (wahrscheinlich das Liebespaar Humay und Humayun) steht ausdruckslos auf der einen Seite des Baumes; während auf der anderen zwei ebenfalls luxuriös gekleidete Bewacher oder sanfte und gar nicht strenge Aufpasser stehen. Die Prinzessin hat ein Gesicht wie eine russische Babuschka. Der Baum und die sich um ihn rankenden Pflanzen und Blumen lassen darauf schließen, dass das Treffen in einem Garten stattfindet. Das perfekte Beispiel eines Zusammenspiels von islamischer und chinesisch-zentralasiatischer Kunst und Kultur.
Diese und alle anderen wunderschönen, farbenprächtigen und faszinierenden hier in Rom ausgestellten Miniaturen zeigen, dass im Islam, jedenfalls im privaten Bereich, durchaus Personendarstellungen möglich und erlaubt waren. Für öffentliche Darstellungen wählte man die uns eher bekannten unendlichen geometrischen oder vegetativ-floralen Formen. Die pauschale Behauptung, dass der Islam ikonoklastisch oder porträtfeindlich sei, stimmt so nicht. Der Kurator der Ausstellung, Giovanni Curatola, schreibt im Katalog: "Es ist einer der großen Fehler bei der Einschätzung des Islam, wenn man annimmt, dass der Koran die Darstellung von Menschen verbietet. Der Islam war nie ikonoklastisch. Deshalb haben wir für die Kunstschau in Rom viele Personendarstellungen aus über 1400 Jahren islamischer Kunst ausgesucht. Der einzige Unterschied, den der Islam in Sachen Personendarstellungen macht, ist der zwischen öffentlichem und privatem Raum."
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Die heiße Sommerpause überbrücken die Scuderien del Quirinale mit einer Ausstellung über Islamische Kunst: Arte della Civiltà Islamica. Es handelt sich hier um 360 Exponate der Sammlung Al-Sabah aus Kuwait, die einen Zeitraum von über 1000 Jahren (vom 8. bis zum 18. Jahrhundert) umfassen. Strahlende und farbenprächtige Miniaturen aus Iran und Indien, die das Leben am Hof aufzeigen, zierliche Elfenbeinschatullen, vergoldete Glasbecher und kostbare Schmuckstücke, Keramiken, Astronomieinstrumente, mit Diamanten verzierte Dolche und Säbel, Teppiche und schön-gewebte Stoffe aus einem Gebiet, das von Spanien bis China und vom Iran bis Sizilien reicht, werden hier gezeigt. Die meisten Exponate stammen aus dem Ostiran, von mythischen Orten wie Samarkand oder Isfahan, Afghanistan, aus Spanien, das 700 Jahre von der arabischen Kultur dominiert und beeinflusst war, oder aus Sizilien. Überfluss, Ästhetik, hohe Kultur und Wohlstand.
Eine reziproke und viele Bereiche umfassende Befruchtung und ein gegenseitiges Verbreiten und Erlernen der aktuellen Kunsthandwerke zwischen Orient und Okzident wird hier gezeigt.
Die Ausstellung ist in unterschiedliche Abschnitte unterteilt. Gleich am Eingang wird man mit einem monumentalen Gartenteppich konfrontiert; ihm gegenüber wertvolle alte Goldmünzen, Kapitelle; Säulen und edle Holzarbeiten beschreiben den Beginn der islamischen Kunst um das 8. Jahrhundert unter Einfluss von Byzanz. Vielseitigkeit und die expressionistische Reife im 14. Jahrhundert führen zu den Höhepunkten der großen Imperien um das 16. Jahrhundert. Man bestaunt kalligrafische und geometrisch-formal komponierte und sich endlos wiederholende florale Muster von außergewöhnlicher Virtuosität und unendlicher Phantasie. Die Schau endet mit besonderen Schmuckstücken aus der Moghulzeit. Gold und Juwelen gibt es hier im Überfluss, und sogar die Dolche und Säbel sind mit Rubinen und Edelsteinen verziert. Eine Schatzkammer! Am Ende der Ausstellung kommt man nicht umhin an den Wiener Jugendstil oder an psychedelische Tapetenmuster aus den 1960er Jahren zu denken.
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Scheich Nasser Sabah Al-Ahmad al-Sabah und seine Frau Hussah Sabal al Salim al-Sabah tragen seit 40 Jahren islamische und vor-islamische Kunst zusammen. Ihre erste Errungenschaft war eine emaillierte Glasflasche aus dem 14. Jahrhundert, die sie in einer Londoner Galerie entdeckten. Und von da an, so Frau Hussah Sabal, fühlten sie eine Verantwortung ihrer Kultur gegenüber, Kunstgegenstände zu sammeln, zu dokumentieren und der Nachwelt zu erhalten.
Schätzungsweise 35.000 Werke zählt die Sammlung und knapp 400 sind nach Rom gekommen und schicken die Zuschauer seit dem 25. Juli durch das islamische Reich auf Reisen. Quantitäts- und Qualitätsmäßig ist diese Sammlung eine der bedeutendsten dieses Genres weltweit. Seit 1983 ist sie als permanente Leihgabe im Nationalmuseums von Kuwait. Die komplette Sammlung wurde 1990 anlässlich der Invasion durch den Irak nach Bagdad transportiert. Mittlerweile, u.a. mit Hilfe der UN, ist sie fast wieder vollständig nach Kuwait zurückgekehrt. Seitdem werden viele Wechselausstellungen organisiert. Thematisch zusammengestellt, ist ein Teil der Sammlung fast immer auf Reisen zu den wichtigsten Museen weltweit.
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Christa Blenk - 10. August 2015 ID 8806
Vom 3. bis 15. September 2015 gibt es ein umfangreiches Vortrags- und Begleitprogramm zum Thema „Dialog der Kulturen“.
Die Ausstellung Arte della Civilta Islamica. La Collezione al-Sabah, Kuwait geht noch bis zum 20. September 2015; der umfangreiche Katalog kostet 38 Euro.
Weitere Infos siehe auch: http://www.scuderiequirinale.it/categorie/mostra-arte-della-civilta-islamica-la-collezione-al-sabah
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