MANIFESTO
von Julian Rosefeldt
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Julian Rosefeldt, Manifesto, 2015, Video © Julian Rosefeldt | Bildquelle: sprengel-museum.de
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Bewertung:
Die australische Schauspielerin Cate Blanchett spielt 13 verschiedene Charaktere in modernen Alltagsszenen und zitiert dabei Passagen aus Künstler-Manifesten. Durch ihre überzeugende Spielweise bekommen längst vergangene und oft rebellische Texte von André Breton oder Wassily Kandinsky, auch Neueres von Jim Jarmusch, etwas Visionäres.
Man betritt einen offenen verdunkelten Raum, 12 Großleinwände sind installiert und können in beliebiger Reihenfolge angegangen werden. Spontan zieht es einen vielleicht zum Estridentismus oder auch Kreationismus. Nicht dass man wüsste, was das ist, aber eine verruchte Bar kennt jeder, in der die Protagonistin abhängt, Alkohol verschüttet, raucht und lässig ihr Oberarmtatoo zeigt.
Kann man hier Hochgeistiges erwarten oder eher besoffenes Künstlergeschwafel?
Manuel Maples Arce's "Auf den elektrischen Stuhl mit Chopin!" schreit sie heraus. Auf wunderbare Weise wird der Betrachter hier in das größte Vorurteil über Künstler geschmissen, man müsse nur einfach ordentlich verkorkst sein und sich gehen lassen. Ja, sie macht es überzeugend, gleich will man alle Filme sehen.
Diese projizierte Film-Installation erzählt mit eindrucksvollen Bildern Absurditäten, überführt Texte in die Gegenwart, setzt dabei neue Dialoge. Angefeuert vom Geiste vergangener Zeiten, geht es nicht immer um Sinnhaftigkeit; nach Kurt-Schwitters-Manier entsteht vielmehr eine Collage ohne Logik, aber mit Denkverbot.
Episodenhaft spielt sie mal eine Obdachlose, dann eine coole Brokerin oder auch ernsthafte Nachrichtensprecherin. Humorvolle Assoziationen entstehen oft aus der Spontaneität heraus oder durch die Provokation im spießbürgerlichen Ambiente. Es gibt Tabubrüche, dann plötzlich ein gebetsartiger Singsang, wo sie Texte rezitiert, Sinnzusammenhänge in die Gegenwart überführt.
Amüsant auch Cate Blanchett in der Rolle als Lehrerin, wie selbstverständlich trichtert sie Kindern Lars von Triers Dogma-95-Formeln ein.
Der Filmemacher Julian Rosefeldt legt damit eine brennende Zündschnur von Film zu Film, von Kunstgattung zu Kunstgattung. Themen wie Dadaismus, Pop Art, Surrealismus oder Futurismus haben Manifeste in die Welt gebracht, die zum Himmel schreien.
"Ich bin für Kunst aus dem Maul eines Hundes, der fünf Stockwerke tief vom Dach fällt." (Claes Oldenburg, 1961)
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Es wurde wirklich Zeit für dieses Projekt [MANIFESTO], denn was soll man halten von dem Kunstmarkt, der immer mehr nach wirtschaftlichen Richtlinien funktioniert. Gibt es denn noch freie Künstler?
Gab es sie jemals? Vielleicht immer mal wieder. Manche haben Glück und können selbstbestimmt arbeiten. Fakt ist, nur reiche Leute kaufen Kunst. Und selten kaufen sie Schönes, es soll in ihr Ambiente passen, dekorativ sein oder ihr Image heben. Man kauft was "in" ist.
Schade, dass es keine künstlerischen Manifeste mehr gibt, die aufräumen mit dem wohl temperierten Geschwafel in den Galerien, wo man Häppchen und Sekt abgreift und sein soziales Image pflegt.
Und hier zu guter Letzt aus einem Manifest:
"Wer von uns ist am aufrichtigsten? Diejenigen von uns, die sich durch den Filter persönlicher Emotionen reinigen und sich zeigen? Oder all jene 'Künstler', die nur versuchen, sich bei der amorphen Masse eines ungenügenden Publikums einzuschmeicheln? Eines Publikums von rückwärtsgewandten Idioten und streikbrechenden Kunsthändlern?" (Manuel Maples, 1921)
Lasst uns die Welt verändern!
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Berliner Ausstellungskatalog zu: Julian Rosefeldt, Manifesto
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Liane Kampeter - 10. August 2016 ID 9470
Weitere Infos siehe auch: http://www.sprengel-museum.de/ausstellungen/130-sprengel.htm
Post an Liane Kampeter
http://www.liane-kampeter.de
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