Neugier auf
Westberlin
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Flyer (C) Stadtmuseum Berlin
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Bewertung:
Als die Wende kam, war ich schon Rentnerin. Weit über 40 Jahre stand ich im Beruf, die letzten und zugleich auch meisten der Berufsjahrzehnte arbeitete ich als Journalistin. Aus der DDR kam ich, seit sie bestand, nie richtig raus (von Dienst- und Urlaubsreisen in die sozialistischen Länder des RGW mal abgesehen). Westen war für mich - so wie für alle andern DDR-Bürger, die keine Westverwandten hatten oder nicht zu den "Privilegierten" zählten - unerreichbar und tabu.
Dann kam es - quasi über Nacht - ganz anders, und die Mauer fiel.
Mit meinem damals 30jährigen Sohn fuhr ich im Frühjahr 1990 mit der S-Bahn erstmals vom Berliner Ostbahnhof nach Westberlin, im Bahnhof Zoo stiegen wir in die U-Bahn um, und unser Ziel war "Deutsche Oper". Dort wollten wir Götterdämmerung von Richard Wagner sehen; der auch an der Deutschen Staatsoper Berlin zu dieser Zeit noch engagiert gewesene Spas Wenkhoff war an diesem Tag als Siegfried angezeigt - wir hatten ihn (in allen großen Wagner-Rollen) vor der Wende schon Unter den Linden oft erlebt... Zuvor wollten wir uns noch etwas stärken; und mein Sohn - der auch zu dieser Zeit das erste Mal in Westberlin gewesen war - tat mich zu einem Döner-Imbiss (meinem allerersten!) überreden. Und es schmeckte herrlich gut und sättigte ganz angenehm; die Finger reinigten wir uns dann auf der Opern-Toilette.
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In der sehr, sehr publikumsfreundlichen Ausstellung unter dem Titel WEST:BERLIN (im Ephraim-Palais des hauptstädtischen Stadtmuseums) wird auch der zentrale Bühnenbild-Entwurf der mittlerweile Operngeschichte gemacht habenden Produktion vom Ring des Nibelungen (mit jenem spektakulären Tunnel als Zentralmotiv des Ausstatters Peter Sykora) als Modell gezeigt. Das wäre dann gleichsam die Klammer zu der o.g. Einführung.
"Mit über 500 Exponaten der Berliner Alltags- und Kulturgeschichte und medialen Inszenierungen bietet die Ausstellung eine emotionale 'Zeitreise' mit unerwarteten Assoziationen und Begegnungen, Wiederentdeckungen und Überraschungen.
Die Ausstellung gliedert sich in vier Themenfelder: Politik und Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Ihnen sind einzelne 'Inseln' zugeordnet – angefangen mit der Rolle der alliierten Schutzmächte und der Westanbindung über Teilung und Transit, Wirtschaft und Alltag, Urbanität und Kiez bis zu Schickeria und Alternativszenen, Lifestyle und Kultur mit internationaler Ausstrahlung.
Neben künstlerischen Positionen von Fred Thieler über Rainer Fetting bis zu den 'Genialen Dilletanten' und Stephen Willats werden Fotoarbeiten von Will Mc Bride, Nan Goldin, F.C. Gundlach, Gisèle Freund, Nelly Rau, Herbert Maschke und Gerhard Ullmann präsentiert. Zu entdecken sind aber auch das Amphicar aus West-Berliner Produktion, der Zoo-Liebling Knautschke und – in einer Hörlounge – der 'Sound of West:Berlin'."
(Quelle: west.berlin.de)
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Ephraim-Palais (C) Stadtmuseum Berlin | Foto: Michael Setzpfandt
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Lautsprecheranlage für das Studio am Stacheldraht; TxBxH: 100 x 245 x 242 cm; Masse: 230 kg; Fuhrpark Senat Berlin (C) Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin | Foto: Michael Setzpfandt
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Das Personal West-Berlins (C) Stadtmuseum Berlin | Foto: Michael Setzpfandt
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Dieses uns DDR-Bürgern v.a. durch die Westmedien (besonders durch das Westfernsehen) fast allgegenwärtig scheinende Berlin-West "strahlte" doch in erster Linie wegen seiner Hoch-, Szene- und/oder Underground-Kultur. Das stimmte schon dann bitter, dass man all die Vielfalt und das Bunte der für uns so fremden Teilstadt nie direkt in Augenscheine nehmen konnte; und so waren wir natürlich auch auf Dauer etwas "neidisch"...
Aber nicht nur Kulturelles wird (durch viele Fotos und Plakate) mittels WEST:BERLIN erinnerungenträchtiger Weise nachgereicht. Wir können beispielsweise auch im sog. Goldenen Buch der Stadt (einer Kopie oder Attrappe) herumblättern und all die "großen Namen" lesen, die sich dort gelegentlich diverser Staats- oder Privatbesuche nach und nach verewigten.
Dass alle damaligen Straßenbahnwege bis in die Endfünfziger weggebaggert worden waren, um der "fließenden" Stadtautobahn, die nach dem damaligen amerikanischen Vorbild errichtet werden sollte, Platz zu schaffen, wusste ich auch noch nicht.
Über die aufmüpfigen Studenten- und Protestbewegungen und über Subkulturen, die sich (nur) in Westberlin so stark und schnell behaupten konnten, wird selbstredend auch und aufs Ausführlichste per Bild und O-Ton-Dokumente informiert.
Es muss ja auch dort einen ziemlich argen "Filz" zwischen Senat und andern Mächtigen zu dieser Zeit gegeben haben; ja, auch so was ließen die Konzeptler überhaupt nicht außen vor.
Als ich mich heute Nachmittag auf den drei Ausstellungs-Etagen umschaute, vermeinte ich einen beachtlichen (ehemals) West-Berliner Anteil hochbetagter Ausstellungsbesucher ausgemacht zu haben. Nostalgie - ja, warum nicht? In diesem Falle durchaus angebracht und nachvollziehbar.
Schöne Schau.
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Gisela Herwig - 21. November 2014 ID 8264
WEST:BERLIN | Eine Insel auf der Suche nach Festland
(Ephraim-Palais, 14.11.2014 - 28.06.2015)
Öffnungszeiten:
Di, Do–So | 10–18 Uhr
Mi | 12–20 Uhr
Adresse/Telefon:
Ephraim-Palais
Poststraße 16
10178 Berlin
Tel. (030) 24 002-162
Weitere Infos siehe auch: http://west.berlin
Post an Gisela Herwig
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