Faust- Ausstellungen in München
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Du bist Faust verspricht [nur noch bis 29. Juli 2018] eine Ausstellung in der Kunsthalle München. Man muss sich also beeilen, um es schnell noch zu sein. Goethes Drama in der Kunst ist der Untertitel dieser großen Schau um das wohl weltweit bekannteste Werk der deutschen Literatur, dem seit Februar diesen Jahres auch ein ganzes Festival mit Führungen, Vorträgen, Konzerten, Filmen, literarischen Veranstaltungen und Theaterproduktionen gewidmet ist. Der Deutschen bekanntester Dramengestalt kann man aber auch noch weiterhin [bis zum 2. September 2018] im Deutschen Theatermuseum München begegnen. Wobei sich die dortige Ausstellung Faust-Welten. Goethes Drama auf der Bühne mehr mit der Aufführungsgeschichte dieses großen dramatischen Zweitteilers beschäftigt. Ein Muss für alle Theaterkenner, -wissenschaftler und -theoretiker, aber auch Liebhaber der darstellenden Kunst.
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In die Münchner Kunsthalle wird es dagegen wohl eher die Kenner und Liebhaber der bildenden Kunst ziehen. Man wartet hier mit Kunstwerken auf, die sich mit Goethes Drama und dessen Hauptfiguren auseinandersetzen. Wobei der Fokus mehr auf der Tragödie erster Teil liegt. Nach einem kurzen Prolog zur Entstehungsgeschichte handeln die nächsten Räume dann auch jeweils in kurzen Erläuterungen und ausgewählten Gemälden, Papierarbeiten und Skulpturen aus der Kunstgeschichte bis in die heutige Zeit die Protagonisten Faust, Mephisto und Margarethe ab. Bestimmend ist da in erster Linie natürlich die Romantik, der sich Künstler wie Carl Gustav Carus oder Ary Scheffer verschrieben hatten. Aber auch der Fotokünstler Robert Mapplethorpe ist mit einem Selbstportrait als Mephisto (1985) mit kleinen Hörnchen am Kopf zu sehen. Mephisto als spitzbärtiger Teufel in Eduard von Grützners Gemälde von 1872, als ungegenständliches Gemälde von Sigmar Polke (1988), oder von Schauspielern wie Gustaf Gründgens oder Klaus-Maria Brandauer in Filmausschnitten dargestellt, dem Geist, der stets verneint, wird hier in vielen Facetten Raum gegeben.
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Robert Mapplethorpe, Selbstporträt, 1985, 40,6 x 50,8 cm, Silbergelatineabzug, © Robert Mapplethorpe Foundation, Used by permission-1
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Marc Quinn gießt einen Faustkopf (2018) in Blei, Damian Sowada malt ihn 1989-92 als Denker auf 2x2 m in Öl. Faust der sinnende und strebende Gelehrte, Mephisto der dämonische Widerpart und Gretchen als das ewige Opfer, die büßende Sünderin, so will es die klassische, herkömmliche Interpretation. In vielen der hier ausgestellten Szenendarstellungen sieht man Gretchen als Kirchgängerin, am Spinnrad oder an der Seite von Faust. Die keusch Liebende und Verführte mit Hang zum Gode steht vorm Schmuckkästchen oder wird vom Präraffaeliten Frank Cadogan Cowper gar als Sinnbild der Eitelkeit (1907) gemalt. Anselm Kiefer setzt sie symbolisch als strohblonde Ikone in Dein goldenes Haar Margarethe (1981) in die deutsche Geschichte und in den Zusammenhang mit Paul Celans Gedicht Todesfuge. Erst in der Fotoserie Faustus (1995) des Modezars Karl Lagerfeld darf Claudia Schiffer als Gretchen ihre Lust am Geschmeide sinnlich ausleben.
Faust und Gretchen als Liebespaar vom Jugendstil über den Biedermeier bis zur Neuen Sachlichkeit und auch als große Oper der Gefühle von Charles Gounod, der hier ein ganzer Raum gewidmet ist. Goethes Drama in der vertonten Lieddichtung ist ebenso vertreten wie in der gedruckten Buchkunst und im Comic. Weiter beschäftigen sich die Ausstellung mit der Walpurgisnacht mit Fausts Traum von Gretchen sowie deren Verdammnis und Erlösung. Vom französischen Spätromantiker Eugène Delacroix über den großen österreichischen Salonmaler Hans Makart bis zur frühen Käthe Kollwitz, das Sujet des leidenden Gretchens im Kerker zieht sich durch die Kunstepochen. Für ihre Zeit sicher sehr gewagt waren die barbusige Margarete auf dem Hexensabbat (1910) von Dagnan-Bouvere oder Luis Ricardo Faleros sinnlich-erotisches Gemälde Aufbruch der Hexen (1878). Recht sparsam dagegen das zeichenhafte Walpurgis (1951) des deutschen Informel-Künstlers Willi Baumister.
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Luis Ricardo Falero, Der Aufbruch der Hexen, 1878, 145,5 x 118,2 cm, Öl auf Leinwand, © Privatsammlung, Monza/Italien
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Mit einer strahlenden Apotheose Margaretes (1885) von Jean-Paul Laurens und einem zeichnerischen Ausblick auf Faust II von Max Beckmann und Max Slevogt ist diese reich bebilderte Ausstellung fast schon am Ende, bevor die drei Protagonisten als Videoprojektionen aus der Faust-Inszenierung des Noch-Residenztheaterintendanten Martin Kušej nochmal zu Wort kommen. Dann kann man endlich auch zum Selfie vor den „Wer bist du?“-Spiegel treten. Wie viel Faust, Gretchen Mephisto steckt in uns allen? Das finde jeder selbst heraus. Für 29 Euro gibt’s den dicken Katalog dazu.
Bewertung:
Wem die Faust-Ausstellung in der Münchner Kunsthalle vielleicht etwas zu populärwissenschaftlich war, kann im Deutschen Theatermuseum am Rande des Residenzgartens sicher noch etwas mehr über die Aufführungsgeschichte von Goethes großem Lebenswerk erfahren. Dazu stellt man hier die drei Grundsatzfragen: Wer - wo - was? Wer spielt die Hauptrollen? An welchen Schauplätzen spielt sich das Drama ab? Und nicht zuletzt: Was wird gespielt? Zu allererst geht es hier also um den Text von Goethes Faust. Verschiedenste Textfassungen des ersten und nicht nur der Länge wegen fast unspielbaren zweiten Teils der Tragödie werden wechselnd auf zwei Videoscreen präsentiert. Auch hier u.a. die von Martin Kušejs Inszenierung von 2014 am Residenztheater, an der Angela Obst und der Dramatiker Albert Ostermaier mitwirkten. Fotos der Aufführungen gibt es als Multimedia-Show dazu. Natürlich sind das fast allesamt Strichfassungen. Selbst die Uraufführung von Faust I 1829 im Hoftheater Braunschweig und die postume Uraufführung von Faust II 1875/76 im Hoftheater Weimar sind nicht ohne Striche abgegangen. Die bekannteste ungekürzte Faust-Fassung unserer Tage dürfte die von Peter Stein für die Expo 2000 in Hannover inszenierte zweitägige Aufführung mit Bruno Ganz in der Titelrolle sein. Im obersten Geschoss sind Szenen der Mammutaufführung zu sehen.
Ganz ohne Entstehungsgeschichte kommt auch diese Ausstellung nicht aus. Goethes Werdegang als Leiter des Weimarer Hoftheaters und erste eigenhändige Federzeichnungen zwischen 1797 und 1812 zum Faust-Drama sind hier zu sehen. Dazu gibt es Storyboards und Bühnenbilder von der 1908 von Karl Weiser anlässlich der Eröffnung des neuen von Max Littmann gebauten Weimarer Hoftheaters inszenierten Faust I und II, für den Max Brückner die opulenten Bühnendekorationen entwarf, oder von der legendären Inszenierung von Max Reinhardt 1909 am Deutschen Theater Berlin mit der illusionistischen Bühnenmalerei von Alfred Roller. Reinhardt setzte hier erstmals eine Drehbühne ein. Im großen Hauptraum der Ausstellung kann man einige Modelle dazu bewundern. Wie etwa auch die Reliefbühne des Münchner Künstlertheaters, das 1908 eine Inszenierung des Faust I herausbrachte.
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Faust-Welten. Goethes Drama auf der Bühne im Deutschen Theatermuseum München | Bildquelle: deutschestheatermuseum.de
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So verfolgt die Ausstellung anhand verschiedenster Faustinszenierungen auch die Geschichte des Bühnenbilds von den barocken Kulissenbühnen der Goethezeit über die Reliefbühne zu Anfang des 20. Jahrhunderts, die expressionistische Reduktion, erste Drehbühnen und die Drehbühne der 2. Generation, die in den 1920er Jahren von Walter Gropius und Friedrich Kiesler entworfen wurde, bis zur langgestreckten Simultanbühne von 1933, bei der Max Reinhardt für die Salzburger Festspiele sein Faust-Drehbühne von 1909 einfach aufklappte. Zu den großen modernen Drehbühnenbildern zählt u.a. natürlich der von Alexandar Denić für Frank Castorfs Faust an der Berliner Volksbühne entworfene Bühnenbau. Aber auch für Martin Kušejs Faust am Residenztheater München hatte Denić eine ähnlich geartete, nur etwas aufgeräumtere Variante geschaffen. Weiter sind große Einheitsräume wie etwa die Spirale von Josef Svoboda für Girogio Strehlers 1991 in Mailand entstanden Faust I und II oder die ebenfalls spiralförmige Bühne von Robert Kautsky für Adolf Rotts Faust I 1958 am Burgtheater Wien zu sehen. Und auch Ferdinand Wögerbauer und Stefan Meyer nahmen in ihrer großen Simultan-Bühne die Spirale für den Expo-Faust von Peter Stein wieder auf.
In den 1990er Jahren des gerade wiedervereinigten Deutschlands fanden ebenfalls legändere Faust-Gesamt-Aufführungen statt. Beispielhaft dafür sind die Modelle der Bühnenbilder von Frank Hänig für Wolfgang Engels dreitägige Inszenierung von 1990 im Staatsschauspiel Dresden und von Andrea Viebrock für Christoph Marthalers 1993 für das Deutsche Schauspielhaus Hamburg inszenierten Faust I und II. Zu bewundern sind auch Bühnenbilder und Aufführungsfotos von Inszenierungen so namhafter Regisseure wie Einar Schleef, Dieter Dorn oder Robert Wilson. Mag sein, dass die Ausstellung da kein allumfassendes Bild der Aufführungsgeschichte bieten kann. Aber es scheint zumindest so, dass Goethes Drama vor allem eine Herausforderung für das männliche Regiegeschlecht ist und bleiben wird. Wer vom Schlendern zwischen den vielen Faust-Bretterhäusern, die immer auch eine ganze Welt bedeuten sollen, noch nicht ermüdet ist, der kann es am Ende auch mal mit Humor versuchen, und sich das satirische Faust-Making-of des TV-Comedian Jan Böhmermann ansehen.
Bewertung:
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Stefan Bock - 27. Juli 2018 ID 10817
Die Ausstellung Du bist Faust. Goethes Drama in der Kunst wurde in Kooperation zwischen der Kunsthalle München und dem Forschungsverbund Marbach Weimar Wolfenbüttel exklusiv für die Kunsthalle entwickelt und maßgeblich von der Klassik Stiftung Weimar unterstützt. Die Inszenierung der Ausstellung wurde gemeinsam mit dem Bühnenbildner und Künstler Philipp Fürhofer konzipiert.
Faust-Welten Goethes Drama auf der Bühne (im Deutschen Theatermuseum München - noch bis zum 2. September 2018)
Weitere Infos siehe auch: http://www.kunsthalle-muc.de
und http://www.deutschestheatermuseum.de
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