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Interview

GERHARD

HADERER

macht Cartoons mit österreichischem Charme


Gerhard Haderer | Bildquelle http://www.scherzundschund.at


Gerhard Haderer hat seine eigene Handschrift. Wer einmal eine Zeichnung oder einen Cartoon von ihm gesehen hat, der wird ihn zweifelsohne wiedererkennen, sei es in einer deutschen Illustrierten oder bei einer Ausstellung - wie jüngst im Wiener Hauptbahnhof. Haderer verfügt über Standardfiguren wie den missmutigen Polizisten, der mit seinem Austrian-English mehr sagt als er eigentlich beabsichtigt: „Joints are a gift for young people.“ Der Polizist, fast schon skurrile Kultgestalt, ist auch ein Standardgast im sogenannten Schundheftl MOFF, das an jedem Achtzehnten des Monats erscheint.



Gerhard Haderer's neues Jahrbuch


Die Bilanz für 2015 zieht Gerhard Haderer in seinem Jahrbuch, das bitterböse eine Zeichnung zur Flüchtlingskrise ziert. Auf ihrer Yacht weist die aufgebrezelte Millionärin ihren Diener an: „Jean, werfen sie 5 Cent hinunter. Ich kann dieses Elend nicht mehr mit ansehen“, während im Hintergrund ein überbesetztes Flüchtlingsboot dahin dümpelt. Aber es geht im Jahrbuch, wie im MOFF, nicht nur zynisch zu, sondern einfach auch witzig. So karikiert Haderer die „Handyfotogesellschaft“, indem er u.a. den Selfie mit passendem Arm dazu aus dem Maul eines Hais schauen lässt. Diese seitenfüllenden, farbigen Bilder sind nicht nur witzig, sondern auch gestochen scharf und verfügen über ihre eigene Ästhetik.

Wie wird diese Ästhetik erreicht, überlegte ich und schickte die Frage mit noch weiteren an Gerhard Haderer, der sie mir [wie folgt] ausführlich beantwortete:


* * *

Gerhard Haderer: Meine großformatigen Bilder sind Ölmalerei auf Leinwand im Format 250x180 cm. Im Gegensatz zur kleinformatigen grafischen Arbeit (die Farbcartoons sind im Original etwas größer als Din A 4, die MOFF-Comics noch kleiner) reizt mich an der Malerei erstens das Riesenformat, das dramatische Inszenierungen zulässt, und zweitens die geradezu klassische Art der Lichtführung, wofür ich meinen persönlichen Lehrmeister Caravaccio bewundere. Daraus ergibt sich eine Ästhetik, in die man überraschende satirische Inhalte wunderbar verpacken kann. Vier dieser Bilder sind bereits fertig, am fünften arbeite ich gerade. Diese Maltechnik erfordert viel Geduld und Zeit für die Ausführung, bis zu drei Monaten pro Bild.


Es gibt Charaktere wie den österreichischen Polizisten, der immer wieder, gern auch in Gesellschaft seines Kollegen, seinen Senf zum Geschehen beisteuert. Wer ist er, wann haben Sie ihn kreiert, und was treibt ihn an?

G.H.:
Die Figur des österreichischen Polizisten, der mit seinem großteils schweigenden Kollegen seinen Senf zu allen möglichen Themen absondert, ist vor allem eine sprachliche Fingerübung. Das hierzulande wohlbekannte "Austrian-English", von dem man sagt, es sei nicht gerade "the Yellow of the egg", ist allerdings eng verwandt mit der Ausdrucksweise des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Lübke, der, als er mit Queen Elizabeth ungeduldig auf den Beginn einer Zeremonie wartete, meinte: "Equal goes it loose."


Sie sind Österreicher und sowohl in Ihrer Heimat als auch in Deutschland erfolgreich. Haben Deutsche und Österreicher einen unterschiedlichen Humor, gibt es da Besonderheiten?

G.H.:
Zwischen deutschem Humor und österreichischem Schmäh gibt es zwar eine nahe Verwandtschaft, aber wie es oft in Familien so ist, sind eben die feinen Unterscheidungen das Spannende. Rheinländischer Frohsinn zum Beispiel erschließt sich uns Österreichern ganz und gar nicht, die bayerische Färbung eines Gerhard Polt dagegen schon eher. Helmut Qualtinger, einer der größten österreichischen Satiriker, saß eines Tages in einem Münchener Kaffeehaus, wurde von einem Tischnachbarn erkannt, und dieser bestellte für ihn "ein Gläschen Wein für diesen lustichen Östraicha". Qualtinger wartete wortlos ab, bis es serviert wurde. Als es auf dem Tisch stand, nahm er das Glas, drehte es um, dass der Wein in alle Richtungen spritzte, und sagte trocken: "Soo lustig auch wieder nicht!"


Ihr feines Schundheftl MOFF gibt es seit 1997. Steht MOFF für das deutsche Wort „Muff“ und warum heißt es so?

G.H.:
MOFF ist reine Lautmalerei, ein Comic-Kürzel wie "UFF, POFF, PATSCH" etc. etc. Nett finde ich, dass diese Erklärung den Wenigsten ausreicht und deshalb immer wieder versucht wird, ein Geheimnis dahinter zu vermuten. Die schönste Interpretation kam von einer Leserin, die uns mitteilte, MOFF stünde für "Meine Oma Fährt Fischen". Wir haben der Dame selbstverständlich Recht gegeben und in aller Form zur Lösung des Rätsels gratuliert.


MOFF ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich, das fängt beim Format mit 7,5 x 20,5 cm an. Wie kamen Sie auf die Idee zu Moff?

G.H.:
Die Idee zu MOFF hatte ich Mitte der 1990er Jahre. Als meine opulenten, detailreichen Farbcartoons, die in diversen Zeitschriften erschienen, sogar in Museumsausstellungen gezeigt wurden, hat man diese Arbeiten vor Allem für deren aufwändige Gestaltung gelobt. Damit wollte ich mich aber nicht zufrieden geben und versuchte mich deshalb in einer extrem anderen Form, nämlich der puren Zeichnung. Schwarze Linie auf weißem Papier. Schluss aus. Beide Extreme sind es nämlich, die mich als Zeichner und Maler interessieren. So entstand eine Art Comic-Parodie mit allen Versatzstücken, die man aus herkömmlichen Comics kennt: Kurze Strips mit Hündchen, Politikern, Menschen wie du und ich und diversen Skurillitäten, die Tagesthemen mit sich bringen. Das auffällige Format des Heftchens leitet sich vom klassischen Pikkolo-Format der 1960er Jahre ab, in dem Comics wie Sigurd, Tibor (eine Tarzan-Abwandlung), Falk und ähnlicher Ramsch in Deutschland publiziert wurden. Ich habe diese Comics zwar ab und zu gelesen, aber nie gemocht.


Welche Lieblingscharaktere habe Sie in Ihren Cartoons und satirischen Zeichnungen?

G.H.:
Lieblingscharaktere für meine Cartoons? Hmmm. Muss ich wirklich drüber nachdenken. Ich glaube, ein Blick in den eigenen Spiegel ist immer wieder sehr anregend, denn mein Lieblingsmodell bin ich wohl selber. Also jemand, der versucht, sich in dieser absurden Weltordnung zurecht zu finden und sich bei diesen immer wieder scheiternden Versuchen niemals ganz ernst nimmt.


Interviewerin: Ellen Norten - 27.12.2015
ID 9056
Literatur-Tipps:

Gerhard Haderer | Jahrbuch

Cartoons und Illustrationen
80 S., Klappenbroschur
EUR 14,95
Scherz & Schund Fabrik e.U., 2015
ISBN 978-3-903055-01-8
http://www.scherzundschund.at

MOFF
Haderers feines Schundheftl
Erscheint jeden ACHTZEHNTEN
EUR 1,80
Scherz & Schund Fabrik e.U., 2015
http://www.onlinemoff.at


Weitere Infos siehe auch:


Post an Dr. Ellen Norten

Interviews



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