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Kunstmesse

Es ist so eine Sache mit der Kunst

P/ART – PRODUCERS ARTFAIR 2015


Bewertung:    



Hut ab vor der dritten P/ART - wieder im industriellen Ambiente, dieses Mal im ehemaligen Kraftwerk Bille in Hammerbrook. Erstmals gab es diese Kunstmesse 2013 auf dem Kolbenhof Gelände, danach im letzten Jahr [P/ART 2014] in den Phoenixhallen in Harburg - sie erfreut sich seither stetiger Beliebtheit. Die Organisatoren sind nun schon Profis, zu erwähnen: Justus Duhnkrack; und für die Pressearbeit zuständig: Sabine Hengesbach. Es wurde wieder großer Einsatz gezeigt, viel Arbeit steckt im Detail, die Organisatoren und Künstler sind freudig aufgeregt, Neue Kunst zu zeigen, man möchte präsentieren, was sonst nicht marktüblich ist.

Post Contemporary - sozusagen die Avantgarde von morgen.

producers artfair will anders sein als konventionelle Messen, kein White Cube, keine Boxen, es herrscht eine offene gemeinsame Atmosphäre nach dem Prinzip der Produzentengalerie. Jede/r Künstler/in hat einen passenden Raum oder Space bekommen für die so unterschiedlichen Exponate. Es gibt raumgreifende Installationen, eine von der Decke hängende und sich drehende Skulptur, Malerei, Fotografie, Film/Video und Performance. Und zur neuen Kunst gehört die Auseinandersetzung mit Bilderfluten im Netz, Thema Urheberrecht und einer autobiographischen Auseinandersetzung.

Obwohl es überwiegend etablierte Künstler sind - die meisten haben schon mehrfach ausgestellt - , redet man hier von Off-Szene, sieht sich außerhalb des kommerziellen Kunstbetriebes. Gut, die Organisatoren nehmen nur 25 Prozent der verkauften Kunstwerke als Provision (anstatt der galerieüblichen 50 Prozent). Mindestens zwei Arbeiten jedes Künstlers sollen für unter 1000 Euro zu haben sein. Jeder soll Kunst kaufen können. Letztes Jahr wurde doppelt soviel verkauft wie im Vorjahr, etwa eine Arbeit pro Künstler.

Gleichzeitig gibt es eine Zusammenarbeit mit anderen Kulturbetrieben wie Kunstvereine und Künstlerhäuser - man hat gemeinsam offen. Das Gemeinsame wird betont, und Selbstbestimmung wird groß geschrieben. Die Künstler kommen einem sehr entgegen, sind offen für Gespräche. Das Rahmenprogramm mit vielen Diskussionen findet auf Holzpaletten, ähnlich einer Spielwiese, statt, daneben eine Bar für Essen und Trinken.

Gemeinsam sollen also auch die Rezipienten die sogenannten Schwellenängste abbauen, es soll ein Social Event sein, wo man sich austauscht, nach dem Motto: Gibt es eine alternative Kunstbetrachtung?

Ein wenig subversiv, ein bisschen angepasst. Geht das zusammen?



Digitaler Exhibitionismus, Künstlerin Lotte Reimann | Foto (c) Liane Kampeter

Katakomben bieten eine eigene Faszination, Künstler Janine Eggert und Philipp Ricklefs | Foto (C) Liane Kampeter

Funkenbilder vom Kreisbeschleuniger, Künstler Marcel Grosse | Foto (c) Liane Kampeter


Nun stolpert man über das Broschüren-Titelbild von der Kultursenatorin Barbara Kisseler.

Ist das jetzt Kunst? Ironie? Vielleicht im Zuge des Selfie-Wahns? Man vermutet gar eine Referenz an Andy Warhol. Oder ist es bloße Anbiederung, Taktik zwecks Diskussion über den Kulturbetrieb? Vielleicht werden ganz neue Impulse beabsichtigt?

Die jährlich wechselnde sechsköpfige Jury ist schon mal, anders als üblich, breit aufgestellt; unter ihnen auch ein Musiker und ein Architekt. Man will keinen einzelnen Kurator, dessen Geist über allem schwebt. Es soll ein besonders motiviertes Team sein, welches auch ehrenamtlich arbeitet, wegen der Erfahrung.

Wie es heißt, legt man auch besonderes Augenmerk auf Nachwuchskünstler. Dabei wurde vor Ort geschaut, wie das Ganze zusammenfinden kann. Da kann man schon mal ein gewisses Niveau erwarten. Auch soll es keine Altersbeschränkung geben, doch wo sind die älteren Künstler? Beim Aufbau wurde auf Nachhaltigkeit geachtet, und die Macher haben sich für eine Modular-Bauweise entschieden, welche wieder einsetzbar ist. Alles in Eigenproduktion.

Auch in der Kunst wird Do-it-Yourself groß geschrieben, DIY genannt. Es tauchen neue Fragen auf wie: Was finden wir stilprägend? Was ist, wenn wir bewusst keine Kunst machen? Der dümmliche Spruch: "Ist das jetzt Kunst oder kann das..." verbietet sich fortan. Der Künstler will sich selbst bestimmen und auch extrem minimalistisch sein. An der Wand hängt ein hauchdünner kleiner Stab mit herunterhängendem Faden, kaum zu erkennen. Jeder darf pusten.

Kunst mit minimal invasiven Eingriffen. Ist das jetzt neu? Hat man noch nichts von Joseph Beuys oder Marcel Duchamp gehört?

Darf es fortan auch schlampige Kunst geben? Und was ist überhaupt der Wert eines Bildes?

In den Katakomben der großen Halle gibt es dann mein persönliches Highlight - eine Erfahrung für sich. Neben einem wie ein altes Artefakt aussehendes Kunstwerk gibt es ein Zusammentreffen ganz anderer Art, welches ich hier nicht verraten möchte. Es spielt mit der Theorie des Erhabenen, vereint Angst und Schönheit - so etwas wie eine Verwirbelung nach Innen.

Wenn Sie mich fragen - nur dort kann Kunst erfahrbar sein.

Wenn die P/ART nach dem Sonntag die Tore schließt, ist dort leider wieder Leerstand, aber sicherlich haben viele neuen Input bekommen.


Liane Kampeter - 26. September 2015
ID 8899
Weitere Infos siehe auch: http://www.producersartfair.com


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de



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