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Museum im Check

MUSÉE

SOULAGES

in Rodez



Das Musée Soulages in Rodez mit der gotischen Kathedrale im Hintergrund | © RCR – musée Soulages Rodez - photothèque Rodez agglomération; Foto: A. Meravilles



Der Himmel ist blau, ruhig, die Sonne steht hoch, und die Luft ist mild an diesem Tag Ende Dezember 2022. Es sind noch ungefähr 200 km bergab bis zum Mittelmeer. Der Ort Rodez liegt im Aveyron, in Okzitanien, auf zirka 600 Meter Höhe und hat knapp 50.000 Einwohner. Rodez ist eine angenehm-dynamische, mittelalterliche Stadt mit einem historischen Zentrum, verwinkelten Gassen, einer gotischen Kathedrale, modernen Geschäften, Galerien und ausgezeichneten Restaurants. In Rodez wurde Pierre Soulages (1919-2022) in einem Handwerkerviertel geboren. Sein Vater betrieb dort eine Werkstatt, und aus dieser Zeit dürfte Soulages auch den Werkstoff Brou de Noix (eine Art Nussschalenbeize, wie sie auch gerne von Handwerkern benutzt wird) kennen.

2014 wurde in Rodez das MUSÉE SOULAGES eröffnet - 6.000 Quadratmeter aneinander gereihter Würfel aus Corten-Stahl im Park Jardin du Foirail. Das katalanische Architekturbüro RCR hatte die Ausschreibung gewonnen und einen großartigen Bau hingestellt, in dem die knapp 500 Schenkungen von Pierre & Colette Soulages eine Heimat gefunden haben und die das gesamte künstlerische Schaffen Pierre Soulages abdecken. Man spürt sofort, dass das Museum eigens für seine Werke errichtet wurde. Dort kann der Besucher Soulages‘ komplettes Lebenswerk nachvollziehen und den Künstler kennen lernen. Von seinen Anfängen, den starken, kalligrafischen Poesie-Bildern in der Brou-de-Noix-Technik auf weißem Papier, sein umfangreiches, grafisches Werk bis hin zu den oft dreidimensionalen Schwarznuancen-Bildern, den Outrenoir (auf deutsch: "jenseits von Schwarz"), die Soulages ab 1979 im Alter von 60 Jahren komponiert und konzipiert, mit denen er weltberühmt wird und mit denen er auf die Höhe von Rothko, Klein oder Hartung rutscht. Diese Technik, das Malen mit Licht, wird ihn bis zu seinem Tod nicht mehr loslassen.



Innenansicht vom MUSÉE SOULAGES RODEZ | (C) Rodez agglomération, musée Soulages, donation Pierre et Colette Soulages


Schwarz und lichtdurchflutet ist eigentlich ein Oxymoron: Alles dreht sich um Licht und Lichteinfall in diesem Gebäude. Nur Licht bringt all die Nuancen der Farbe Schwarz ans Licht, und die Outrenoir-Bilder verändern sich, sobald man sich bewegt, sie schimmern, glänzen, zeigen Tiefe, werden wellig, lebendig, hell oder einfach nur schwarz. Außer seinem Frühwerk, Ölgemälden, Papierbildern, Skulpturen, Grafiken in unterschiedlichen Techniken und den Outrenoir-Arbeiten sind im Museum auch die Entwürfe für eines seiner spektakulärsten Werke, die Kirchenfenster von Conques, zu sehen. Ein öffentlicher Auftrag, an dem er zwischen 1986 und 1994 arbeitete...

Das macht Lust auf einen Besuch zu der romanischen Abtei Sainte-Foy de Conques, die nur ein paar Kilometer von Rodez entfernt steht, und man wird nicht enttäuscht. Soulages hat die Kirche als 12jähriger zum ersten Mal besucht und war damals schon beeindruckt von deren Architektur und Lage. Seine Befassung und das Studium des Materials für diese Glasfenster sind in einem Film zu sehen, der auch im Museum gezeigt wird. Jahrelang hat er experimentiert, um diesen Effekt von lichtdurchlässig aber nicht durchsichtig zu erreichen.



Conques vitraux abbatiale Ste Foy | (C) Foto: Hisao Suzuki


Abgesehen von der permanenten Sammlung verfügt das Museum auch über einen großen Saal für Wechselausstellungen und ein ausgezeichnetes Bistro, das Café Bras. An keinem Ort der Welt kann man so viele Werke von Soulages auf einmal sehen.

Die Abstraktion ab dem Zweiten Weltkrieg lebt auch durch kalkulierte Zufälle. Da reicht ein konventioneller Pinsel nicht aus. Der Künstler benutzt andere Zutaten, dafür verzichtet er auf die Staffelei. Soulages malt auf dem Boden. Er konstruiert sich seine Bürsten, Besen, Holzflächen oder Stangen je nach Gebrauch selber. Das war auch schon bei seinen grafischen Arbeiten so, vor allem bei den Ätz- und Kaltnadeltechnik-Arbeiten, wovon das Museum eine beachtliche Anzahl besitzt. Mit diesen selbst gebastelten Bürsten oder Besen trägt er die Farbe Schwarz auf und schafft die lichterzeugenden Rillen. Die Outrenoir-Bilder sind viel mehr als nur schwarze Flächen, sie sind ein komplettes Lichtuniversum und fangen an zu leben, wenn dosiertes Licht die schwarze Oberfläche trifft. Soulages erinnert sich in einem Dokumentarfilm fünf Jahre vor seinem Tod daran und meint: „Diese besondere Nacht 1979, als ich merkte, dass ich mit Lichte malte und nicht mehr mit der Farbe Schwarz. Nicht die Farbe war von Bedeutung, sondern die Lichtreflexe auf der Farbe.“

*

Pierre Soulages verlässt als junger Mann seine Heimat, um in Paris zu studieren. 1942 heiratet er Colette. Sie leben in Montpellier, in Sète, an der Mittelmeerküste und in Paris. 1948 stellt er zum ersten Mal in Deutschland aus, 1953 im Guggenheim Museum New York, und 1979 zeigt das Centre Pompidou Paris zum ersten Mal seine Outrenoir-Bilder. In den 1950er Jahren ist Soulages als Bühnenbildner für das Pariser Théâtre de l’Athénée tätig. Dreimal ist er Teilnehmer der Kasseler documenta. Immer schwarz gekleidet, rigoros und sehr fordernd sich selber gegenüber, zerstört er gnadenlos seine Werke, wenn sie seine Anforderungen nicht erfüllen. Schon als Kind malt er schwarze Balken auf weißem Papier, blätterlose, karge Äste im Winter, und selten haben seine Bilder einen Titel oder Namen.

Seine Frau Colette unterstützte ihn sein Leben lang und schaufelte ihm den Weg frei. Seinen 90. Geburtstag feierte das Pariser Centre Pompidou mit einer großen Retrospektive; der Louvre organisierte 2019 eine Ausstellung anlässlich seines Hundertsten. Der strenge Licht-Hexenmeister Soulages stirbt im Oktober 2022 mit 102 Jahren in Nîmes. Er war bis kurz vor seinem Tod künstlerisch aktiv. Soulages zählt heute zu den bekanntesten französischen Künstlern des 20. Jahrhunderts.



Pierre Soulages, 2019 | Bildquelle: Wikipedia


Christa Blenk - 10. Januar 2023
ID 13994
Das MUSÉE SOULAGES in Rodez ist mehr als nur ein Museum, es ist ein Gesamtkunstwerk, ein Lichttempel, ein Ort der Meditation zwischen Architektur, Licht, Umfeld und Malerei. Es ist ganzjährig geöffnet. Je nach Jahreszeit ändern sich allerdings die Öffnungszeiten. Montags ist es geschlossen. Der Eintritt kostet 11 Euro. Führungen werden angeboten.

Weitere Infos siehe auch: https://musee-soulages-rodez.fr/


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