HAUS AM
WALDSEE
in Berlin-Zehlendorf
|
Haus am Waldsee, Fassadengestaltung Werner Aisslinger, 2013 | Foto (C) Daniele Manduzia; Bildquelle: hausamwaldsee.de
|
Ab kommendem Montag (11. Mai) werden die meisten der Berliner Museen und Galerien öffentlich wieder begehbar sein. Erlaubt wurde der Publikumsverkehr zwar schon ab 4. Mai, doch war man hie und da noch nicht mit eigenen Konzepten resp. Vorbereitungen, wie das mit der Hygiene und dem Abstandhalten in der Praxis umgesetzt sein soll, soweit; je größer und verwinkelter die Ausstellungsgegebenheiten sind, umso verfänglicher scheinen die fürsorglichen Aufgaben.
Ja und seit gestern (6. Mai) obliegen sowieso dann jegliche Verantwortungen, wie mit der Coronapandemie im Einzelnen sprich in den Ländern, Frei- und Stadtstaaten verordnungsmäßig zu verfahren wäre, den je zuständigen regionalen Ministerien und Behörden (übrigens: das war de facto vorher auch schon so, nur dass halt vorher eine überschriftenhafte "nationale Leitlinie" erkennbar war); ob und wie lange dieses flickenteppichartige Erlauben und Verbieten gut geht, wagt in Anbetracht dieses tollkühnen Menschen-Experiments, auf das sich nunmehr auch die Bundeskanzlerin, die dem sie in der Machtbefugnis aushebelnden föderalen Druck der Landesfürsten nicht mehr standzuhalten in der Lage war, einlassen musste, niemand weit und breit vorherzusagen... Und so gehen wir jetzt also, wenn man es ganz lax sieht, ebenfalls den schwedischen Weg; und weder dort (in Schweden) noch bei uns gibt oder gäbe es derzeit besorgniserregende Signale, dass das mutig Praktizierte und zu Praktizierende womöglich desaströs verlaufen oder enden würde. Virologen sehen das natürlich - vollkommen zurecht (!!) - grundsätzlich anders.
Und weil selbst der Schreiber dieser Zeilen, dem wegen der regulären Ein- und Ausgangssperren so wie vielen anderen kultur- und kunstaffinen Mitleidenden allmählich die Decke auf dem Kopf zu fallen drohte, sein rein menschliches Bedürfnis "auszugehen" nicht mehr länger unterdrücken wollte (weil er es in Anbetracht der aktuell bestehenden Beschluss- sowie Verordnungslage des Senats auch nicht mehr musste), machte er sich gestern Nachmittag per S- und U-Bahn auf den Weg von Berlins äußerstem Südosten in den äußersten Südwesten, um ab Bahnhof Krumme Lanke aus zufuß in zirka zwei Minuten bis zur "Argentinischen Allee 30" zu gelangen...
|
Haus am Waldsee, Hausansicht nach Umbau, 2019 | Foto (C) Bernd Borchardt; Bildquelle: hausamwaldsee.de
|
Exkursionsziel war das HAUS AM WALDSEE im Berliner Stadtteil Zehlendorf.
"Umgeben von 250.000 Bäumen liegt das Haus am Waldsee eingebettet in die Seenplatte zwischen Krumme Lanke und Schlachtensee. Um 1900 darbte hier noch das Vieh auf sandigen Böden und struppiger Kiefernheide, während auf der 1838 eingerichteten 'Stammbahn' die Eisenbahnzüge im Zehn-Minuten-Takt von Berlin nach Potsdam eilten. 1904 erwarben der Bankier Adolf Gradenwitz und der schlesische Unternehmer Guido Fürst Henckel von Donnersmarck das Gebiet östlich des heutigen Bahnhofs Mexikoplatzes. Sie gründeten die Landentwicklungsgesellschaft Zehlendorf-West, verwandelten in kurzer Zeit und mit modernsten Mitteln unattraktives Agrarland in Siedlungsgebiet und lockten reiche Berliner in den grünen Südwesten der Stadt. Gleich neben dem Bahnhof lag ein mooriges Fenn. Zum 'Waldsee' ausgebaggert, verlieh es dem Bauland ein Flair von Naturidylle, die den reformgestimmten GroßstadtbewohnerInnen eine willkommene Kulisse ihrer Lebensträume versprach. Dreißig Jahre später hatten berühmte Architekten wie Hermann Muthesius, Ludwig Mies van der Rohe, Walter Gropius oder Bruno Taut ein Dutzend Villen und Wohnanlagen rund um den Waldsee gebaut. Dazwischen entstand 1922 das von Max Werner entworfene 'Haus Knobloch', das seit 1946 als Ausstellungshaus genutzt ebenso sachlich, wie liebevoll 'Haus am Waldsee' genannt wird.
[...]
Hermann Knobloch war bereits in seinen mittleren 40ern, als er beim gleichaltrigen Berliner Architekten Max Werner eine Villa im englischen Landhausstil bestellte. Auf dem weitläufigen Seegrundstück wollte der jüdische Textilunternehmer mit seiner Familie ein lichtes Haus beziehen. Es sollte genügend Raum für Kinder, Gäste und Autos haben. Man verfügte über eine private Tankstelle. Aber auch ein Bootshaus, ein Gewächshaus, ein Schweinestall, ein Hühnerstall und Angestelltenwohnungen gehörten zur Ausstattung. Die Selbstversorgung war zudem durch eine Streuobstwiese im Vorgarten sowie einen reichen Fischbestand im Waldsee gesichert. Im Park wurden Wege und Freisitze angelegt und seltene Bäume und Rhododendren gepflanzt.
Nach vier heiteren Jahren gelangte die Familie Knobloch 1926 in finanzielle Schieflage. Um die Firma 'Knobloch & Rosemann Herrenbekleidung, Gummimäntel, Fabrikation von Webwaren, Großhandel' zu retten, verkauften sie ihr Waldseeparadies und siedelten nach Charlottenburg über. Anfang der 30er Jahre konnte die Familie noch rechtzeitig vor der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten nach Uruguay emigrieren."
(Quelle: hausamwaldsee.de)
|
Haus Knobloch, 1926, heute Haus am Waldsee | Foto (C) Käthe Stoef, Hamburg; Bildquelle: hausamwaldsee.de
|
Nach mehreren Besitztumswechseln hatte 1942 die UFA mit ihrer Allgemeinen Film-Treuhand das Anwesen erworben, woraufhin Karl Melzer (der Generalsekretär der Internationalen Filmkammer und stellvertretende Präsident der Reichsfilmkammer) es als Dienstwohnung bis Kriegsende genutzt hatte. Dann wurde in dem Haus eine Erfassunggsstelle des Bezirksamtes für in Zehlendorf ansässige Künstler eingerichtet. Und:
"Mit der Übernahme des Bezirks durch die Amerikaner im Sommer 1945 wurde im Garten nicht nur konzertiert, sondern auch Theater gespielt. Eine kleine Delegation, zu der unter anderen Gustav Gründgens, Marianne Hoppe und Ilse Werner gehörten, hatten das Anwesen identifiziert und bei der Stadtkommandantur Unter den Linden vorgesprochen, um es als Kulturhaus umzuwidmen. Dies gelang schließlich mit der Eröffnung der ersten, durch den Künstler Ewald Vetter kuratierten Ausstellung, die im Januar 1946 Plastiken von Käthe Kollwitz vorstellte.
[...]
Seit seiner Gründung als Ausstellungshaus im Jahr 1946 nimmt das Haus am Waldsee einen festen Platz unter den ersten Häusern für internationale zeitgenössische Kunst in Berlin ein. Heute bietet es jenen Künstlern eine Plattform, die seit Ende der 1990er Jahre nach Berlin gekommen sind und international reüssiert haben. Dabei reicht die inhaltliche Bandbreite von den bildenden Künsten über Design und Architektur bis hin zu Positionen, die mit Komposition und Klang arbeiten. In bis zu fünf Ausstellungen jährlich werden Einzelpositionen, Themen sowie klassische Werke der Nachkriegsmoderne zur Diskussion gestellt."
(Quelle: dto.)
*
Derzeit lassen sich Ölbilder und Zeichnungen von Bernhard Martin (Image Ballett, noch bis 5. 7.) über die zwei Stockwerke hinweg besichtigen. Im Wintergartenteil des Hauses kann man außerdem in Katalogen zu den Werkschauen des Künstlers nachschlagen.
Das HAUS AM WALDSEE tut "mit seinen Ausstellungen immer wieder an die eigene spektakuläre Ausstellungsgeschichte" verweisen und somit "die jüngere BesucherInnengeneration auch an Klassiker der Moderne wie Ernst Wilhelm Nay oder Lynn Chadwick" heranführen. Die Frage nach dem innovativen Gehalt der Künste, die in Berlin entstehen und darüber weit hinaus zur Ausstellung gelangen - also "Wie kommt das Neue in die Welt?" - wird daher auch in Zukunft ganz im Mittelpunkt der musealen Anstrengungern dieses Hauses stehen.
Seit inzwischen fünfzehn Jahren ist die Kunsthistorikerin Katja Blomberg Direktorin der seit 2004 in freier Trägerschaft existierenden Einrichtung.
|
Hinter dem Haus am Waldsee - Blick vom Wasser aus über den Park bis zur Villa | Foto (C) KE
|
Vom Kellerbereich (mit der Besuchergarderobe, den Besucherspinden und -schließfächern sowie WC) kommt man über ein paar Treppenstufen und durch eine Tür hinaus ins Freie; man passiert die großflächige Freiterrasse und spaziert dann in den bis zum Waldsee weit verlaufenden Skulpturengarten auf einem gepflegten Rasen mit viel schattenspendenden Gewächsen... Gelbe Gartenstühle laden zum Verweilen ein, ja und entweder blickt man auf den Teich oder zurück zur Villa, je nachdem, wie man es augenblicklich haben will. Idylle pur.
Aparterweise gibt es jeden Mittwoch zwischen 9 und 10.30 Uhr Yoga in der Kunst; Interessierte können sich hierzu gern vorher anmelden [wegen Corona muss das Angebot jedoch erst einmal bis auf Weiteres entfallen].
Auch das schöne kleine Café hat leider [und ebenfalls wegen Corona] vorerst zu.
|
Andre Sokolowski - 7. Mai 2020 ID 12223
HAUS AM WALDSEE
Argentinische Allee 30
14163 Berlin
Tel. 030 / 801 89 35
Fax 030 / 802 20 28
info@hausamwaldsee.de
Tickets
7 EUR | ermäßigt 5 EUR
Öffnungszeiten
Di - So | 11 - 18 h
"Unsere Ausstellung mit Bernhard Martin ist nun wieder zu den regulären Öffnungszeiten für Sie geöffnet. Das Haus am Waldsee nimmt damit seinen Ausstellungsbetrieb unter Einschränkungen gern wieder auf. Eigenverantwortung und Solidarität, Hände waschen und Abstand halten, haben bei uns höchste Priorität. Sollte es wegen der Besucherzahlbeschränkungen zu Wartezeiten kommen, sind Sie herzlich eingeladen, sich am Büchertisch unsere Publikationen anzusehen oder unseren Skulpturenpark zu besuchen. Das Café bleibt noch geschlossen." (Quelle: hausamwaldsee.de)
Weitere Infos siehe auch: https://hausamwaldsee.de/
http://www.andre-sokolowski.de
Ausstellungen
Museen im Check
Porträts
Werkbetrachtungen
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
AUSSTELLUNGEN
BIENNALEN | KUNSTMESSEN
INTERVIEWS
KULTURSPAZIERGANG
MUSEEN IM CHECK
PORTRÄTS
WERKBETRACHTUNGEN von Christa Blenk
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|