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Museum im Check

The Family

of Man

Permanente Ausstellung von Edward Steichen im Schloss Clervaux


Foto (C) Helga Fitzner


Als die Ausstellung The Family of Man 1955 eröffnete, damals noch in New York, muss sie noch atemberaubender gewesen sein als jetzt. Sie traf auf Menschen, die noch nicht flächendeckend Fernseher hatten oder derart massiven Bilderfluten ausgesetzt waren wie wir heute. Auch das Bereisen ferner Länder war noch keine Selbstverständlichkeit. Viele Fotos stammen zwar aus den USA und der westlichen Hemisphäre, aber es gibt auch imposante Bilder aus Afrika, Asien und Südamerika, die keine Urlaubs- oder Reisefotos sind, sondern die Menschen im Umfeld ihrer Familie, ihres Alltag, ihrer Arbeit und ihres Landes darstellen. Deshalb sind sie zeitlos, weil sich an unserem essentiellen Menschsein nichts geändert hat und wir angesichts der anhaltenden Säbelrasselei in der Politik den Spiegel um so dringender benötigen, dass die Gemeinsamkeit und die Einheit mit dem Rest der Menschheit unsere eigentliche Natur ist. Oder wie der Kurator Edward Steichen es ausdrückte: „Fotografien, die sich mit den Träumen und Bestrebungen des Menschen befassen, und Fotografien der leidenschaftlichen, kreativen Kraft der Liebe und Wahrheit und das zersetzende Übel, das der Lüge innewohnt.“

*

Family of Man begab sich viele Jahre lang auf Welttournee, und heute ist sie eine feste Dauerausstellung im Schloss Clervaux, das mitten in der wundervollen Landschaft der Ardennen und je nach Verkehrslage rund eine Stunde Autofahrt (ca. 70 km) von Luxemburg Stadt entfernt liegt. Da fast alle Fotos Originale sind, wurden nach der Neueröffnung 2013 strenge Auflagen erfüllt, um den Erhalt möglichst lange zu sichern. Sie wird vor Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit und Licht geschützt, weshalb die Öffnungszeiten notwendigerweise ziemlich eingeschränkt sind. Ein Besuch dort sollte daher schon geplant sein, lohnt sich aber. Die einzigartige Ausstellung besteht aus 503 Fotos von insgesamt 273 FotografInnen aus 68 Ländern und gehört zum UNESCO-Dokumentenerbe.

The Family of Man gilt als Meisterwerk des gebürtigen Luxemburgers Edward Jean Steichen (1879-1973), dessen Familie schon während seiner frühen Kindheit in die USA auswanderte. Steichen wuchs zu einem der innovativsten und ambitioniertesten Fotografen seiner Zeit heran. Während der beiden Weltkriege diente er, überwiegend als Kriegsfotograf, in der US-Armee. Nach dem Zweiten Weltkrieg avancierte er zum Direktor der Fotoabteilung des MoMA (1947-1962), des berühmten Museums of Modern Art in New York, und widmete sich der Mammutaufgabe der damals größten Fotoausstellung aller Zeiten. Nach den Kriegserfahrungen wollte er ein Werk schaffen „in einem leidenschaftlichen Geiste von ergebener Liebe und Vertrauen in die Menschheit“. Aus zwei Millionen Fotos suchte er solche aus, die er für universell hielt und die Stimmungen aus dem alltäglichen Leben darstellten „als Spiegel des grundlegenden Einseins der Menschheit auf der ganzen Welt“.



Raum zum Thema Arbeit. Rechts ein Foto von Walter Sanders - Portrait eines Schmieds mit seinem Sohn, der das Werkstück u.a. wegen seines Alters nicht zusammensetzen konnte - 1947 - Oberammergau“ | (C) CNA/Romain Girtgen, 2013


Die Ausstellung ist ein Gegenpol zu Gewalt und Krieg, die Trennung und Hass schaffen, und zeigt anschaulich, was den Menschen vieler Völker gemeinsam ist. Und das ist so ziemlich alles. Es beginnt mit dem Urknall und dem entstehenden Leben direkt hinter dem Eingang, gefolgt von diversen Partnerschaften zwischen Mutter und Kind, Vater und Kind sowie Mann und Frau. Die Hochzeitsfotos stammen u.a. aus Indien, Mexiko und Japan. Schwangerschaften, Geburt, Kindheit, Unterricht, Arbeitsleben, Konflikte, Krieg, Leid, Lebensfreude, Spaß, Freundschaft, Jugend, Alter, Liebe, Trauer und Tod: Steichen illustriert das ganze Spektrum menschlicher Emotionen und Erfahrungen unabhängig von der Herkunft der Menschen. In unserer Kreatürlichkeit sind wir alle gleich.



Familienleben in Japan und in den USA | (C) CNA/Romain Girtgen, 2013


Der Familie und der Herkunft kommt eine besondere Bedeutung zu. Im Vordergrund ist oben links ein Foto von Carl Mydans "Die Kasakawas, japanische Bauernfamilie der Nachkriegszeit, posieren mit ihren Werkzeugen auf dem Feld" - 1949 – Japan und Mitte schräg rechts eins von Nina Leen "Vier Generationen einer Bauernfamilie des Ozark-Plateaus posieren vor einer Wand mit Portraits ihrer fünften Generation" - 1946 - Bellevue, Missouri, Vereinigte Staaten von Amerika. Auf der anderen Seite der Installation sind Bilder mehrerer Generationen aus Betschuanaland (heute Botswana), Sizilien u.a. ausgestellt. Darin liegt aber nichts Trennendes, vielmehr geht es um die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Zusammenhalt. Einige Bilder zeigen auch Armut, die niederdrückend ist, egal wo die Menschen herkommen. Not und Elend setzen allen zu. Die meisten Fotos strahlen aber Zuversicht aus, insbesondere die von Kindern. Das Foto unten rechts zeigt ein altes Ehepaar auf der Schaukel und stammt von Kosti Ruohomaa - "Die Schaukel" - Vereinigte Staaten von Amerika, und das Foto von der Oper von Walter Sanders - "Hunderte Zuschauer an der Oper" - 1949 – Frankreich.



Auch Spaß gehört dazu. Ein altes Paar auf der Schaukel rechts, in den oberen Bildern Tanz und im Hintergrund ein Foto der Oper Paris, bevor sie die Decke von Chagall bekam | (C) CNA/Romain Girtgen, 2013


Die Fotografien sind teilweise großformatig und waren in dieser Größe damals innovativ. Selbst heute fragt man sich, wie sie mit der Technik von 1955 überhaupt angefertigt werden konnten. Sie sind alle schwarz/weiß, so dass der Einfluss von Licht und Schatten sowie die einzigartige Tiefenschärfe, die nur alte Aufnahmen aufweisen, auch für heutige Verhältnisse noch eindrücklich sind. Aufgrund schwieriger Urheberrechte sind die Vervielfältigung von Einzelbildern oder Nahaufnahmen nicht gestattet. Aber der englischsprachige Katalog ist als Nachdruck immer noch erhältlich und gibt einen eingehenden Überblick über diese fotografischen Meisterwerke.

Helga Fitzner - 26. Mai 2018
ID 10716
Catalogue: The Family of Man
Created by Edward Steichen
Prologue by Carl Sandberg
The Museum of Modern Art, New York
renewed 1983


Weitere Infos zu The Family Of Man


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