Die Heilige Elisabeth besucht
die Kranken von Adam Elsheimer
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Heutzutage gehören Krankenhausbesuche oder Klinik-Eröffnungen immer noch zum Pflichtprogramm der Damen des europäischen Hochadels. Ein protokollarischer Gewaltakt für alle, die den Besuch vorbereiten müssen. Die modisch gekleideten Prinzessinnen lächeln von hochhackigen Schuhen auf Kranke oder leidende Kinder herab, sagen ein paar mitfühlende Sätze und halten eine vorbereitete Rede. Abgerundet wird der Besuch mit einem Steh-Empfang, und wir betrachten später die Fotos in der einschlägigen Presse beim Friseurbesuch.
Die Königstochter im Bild Die Heilige Elisabeth besucht die Kranken von Adam Elsheimer (1578-1610) hat keine Ambitionen, Aufsehen zu erregen. Elisabeth besucht das Hospiz als Krankenschwester.
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Die Heilige Elisabeth besucht die Kranken von Adam Elsheimer | Bildquelle: Wikipedia
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Ein zarter Heiligenschein unterscheidet sie von den andern Helferinnen, nicht ein edles Gewand. Vorne links stehen die Betten der Männer. Elisabeth verteilt gerade Essen und Wasser an einen Kranken. Seine weiße Kopfbedeckung unterstreicht die ungesunde Gesichtsfarbe. Er hat sich mühsam aufgerichtet, um die Suppenschüssel nach dem Gebet in Empfang zu nehmen. Die Frauen hinter ihr halten einen Wasserkrug in den Händen. Vorne auf dem Boden steht ein voller Brotkorb und ein großer Suppeneimer mit Schöpfer. Der dicke Holzbalken erleichtert den Transport des schweren Eimers. Der Mann im mittleren Bett blickt sehnsüchtig auf die Szene und wartet, bis er an die Reihe kommt. An der Wand hinter den Betten hängt ein Bild des Gekreuzigten. Einen prominenten Platz hat der Mann im roten Umhang mit dem bandagierten Unterschenkel rechts vorne. Ob der Künstler hier einen Leprakranken malen wollte, wissen wir nicht. Im Mittelalter war diese Volksseuche ein großes Problem, zu Elsheimers Zeiten nicht mehr. Typische Lepra-Symptome, offene Wunden oder Ausschläge hat er nicht gemalt. Der stehende Mann mit der roten Rembrandt-Mütze und dem wertvollen Mantel dahinter könnte ein Arzt oder Apotheker sein. Nicht alle konnten sich seine Dienste leisten. Er befindet sich im Gespräch mit einer ärmeren Frau. Die Heilmittel beschränkten sich auf Kräuterprodukte, und viele Diagnose-Möglichkeiten hatte man auch nicht. Umso wichtiger war die Untersuchung des Harnes. Elsheimer weist darauf hin, in dem er gut sichtbar einen Nachttopf vor das Bett neben den Pantoffeln arrangiert. Weitere Uringläser sind hinten im Regal, direkt unter der lebensgroßen Muttergottes mit Kind, untergebracht. Die Butzenscheiben links sind geöffnet. Über dem Fenster hängt das ungarische Wappen, darunter steht eine Blumenvase. Der Vorhang, der den Männer- und Frauentrakt trennt, ist zurückgezogen und gibt den Blick auf die Betten der Frauen weiter hinten rechts frei. Elsheimers kerzenverrauchtes Krankenhaus ist voller religiöser Details, und an Pflegekräften scheint es nicht zu mangeln. Die Ausstattung ist schlicht, die Laken rein, der Boden geschrubbt. Hinter dem ersten Rundbogen hängt ein großer Leuchter von der Decke. An der langen Schnur wird er heruntergelassen, um neue Kerzen aufzustecken. Eine Lichtquelle ist die geöffnete Tür im Hintergrund, durch die gerade eine Frau in Velazquez-Position das Hospiz verlässt.
Das Bild entsteht 1598, hängt heute im Wellcome Institute fort he History of Medicine in London und misst knapp nur 28 x 20 cm.
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Im Mittelalter war es üblich, auch Geisteskranke, Pilger oder Obdachlose im Hospiz aufzunehmen. Dort bekamen sie zu Essen und konnten Kälte und Nässe entkommen. Schon ab dem 6. Jahrhundert gab es die Leprosorien. Konnte aber ein Lepröser dort nicht unterkommen, wurde er vor den Stadtmauern ausgesetzt. Es war ihm erlaubt zu betteln, vorausgesetzt, er machte sich durch Schellen oder Glocken als Aussätziger bemerkbar.
Das erste von der Heiligen Elisabeth gegründete Krankenhaus lag unterhalb der Wartburg. Sie ließ es während einer Hungersnot um 1226 bauen. Eine Legende weiß, dass sich Elisabeths Schürze immer wieder mit Brot füllte. Die Krankenpflege war ein Liebesdienst an Jesus Christus, und Krankenhäuser lebten von Spenden, mit denen sich der Wohltäter Pluspunkte vor Gott sichern konnte.
Die Heilige Elisabeth (1207-1231) war die Tochter eines ungarischen Königs. Vierzehnjährig wurde sie mit Ludwig von Thüringen verheiratet, der ein paar Jahre später auf seinem ersten Kreuzzug noch vor der Einschiffung in Otranto an einer Infektion starb. Elisabeth kümmerte sich schon als Landesfürstin um Arme und Kranke und webte mit ihren Dienerinnen Tücher. Sie hatte keine Angst vor Aussatz oder Schmutz. Während ihr Mann sie unterstützte, erntete sie am Hof nur Kritik für ihre Wohltätigkeit. Die 20jährige Witwe ließ ihre drei Kinder auf der Wartburg zurück, um ihr Leben ganz den Kranken und Bedürftigen zu widmen. Später gründete sie in Marburg ein Hospital.
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Christa Blenk - 23. April 2021 ID 12874
Die großen Fünf des 15./16. Jahrhunderts, nämlich Altdorfer (1480-1538), Cranach (1472-1553), Dürer (1471-1528), Holbein (1465-1524) und Grünewald (1480-1530) hinterließen nach ihrem Tod eine große Leere, die erst 100 Jahre später von Adam Elsheimer gefüllt werden sollte. Er lernte in Venedig die Arbeiten von Tintoretto kennen und in Rom die von Caravaggio, was seinen Malstil beeinflusst hat, nicht allerdings die Größe seine Werke.
Elsheimer Zeitgenosse Rubens hat ihn bewundert - und nicht nur er, sondern auch Rembrandt und Caspar David Friedrich kopierten Werke von ihm. In Rom ist Adam Elsheimer mit nur 32 Jahren an den Folgen einer Haft im Schuldturm verstorben. In seinem letzten Bild Die Flucht nach Ägypten malt er 1609 die Milchstraße. Bis auf sein Selbstportrait auf Leinwand sind alle der ca. 70 von ihm bekannten Arbeiten kleinformatig, auf Kupferplatten und wohl mit Lupe gemalt. Zu seinem Hauptwerkt zählen die sieben Tafeln des Frankfurter Kreuzaltares.
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