Die Bezauberung von Merlin
von Edward Coley Burne-Jones
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Der Zauberer Merlin gehört zu den bekanntesten Magiern der westlichen Mythologie. Vor allem in der Bretagne und in Großbritannien spielt er in Zusammenhang mit der Artus-Sage eine bedeutende Rolle. Unzählige Fernsehserien und Filme lassen ihn und seine Kumpanen immer wieder aufleben.
In der Literatur taucht Merlin zum ersten Mal im 8. Jahrhundert in der Historia Britonum auf, mitten in der Zeit der angelsächsischen Eroberungskriege in Britannien. Merlin, das vaterlose Kind, der Sohn einer Nonne königlicher Abstammung oder ein Abkömmling des Satans, soll geopfert werden. Der listige Knabe kann sich der Tötung allerdings entziehen, indem er eine Prophezeiung in den Raum stellt, die heißt, dass genau dort unter der Erde, wo der König Vortigern eine Burg bauen will, ein ausschlaggebender Kampf zwischen einem weißen und einem roten Drachen stattfinden wird. Das könnte als Kriegs-Metapher gewertet werden. Merlin taucht anschließend immer wieder in unterschiedlichen Rollen auf. Bei Chrétien de Troyes ist der Zauberer der Berater von König Artur und seiner Tafelrunde auf der Suche nach dem Gral. Die wichtigste Frau in seinem Umfeld ist Viviane. Sie ist auch unter dem Namen Nimue bekannt. Klare Verhältnisse gibt es aber nicht, und schon deshalb entstehen um Merlin und sein Gefolge immer wieder neue Legenden. Eine spielt im bretonischen Wald „Brocéliande“, an der Quelle von Barenton. Dort verliebt er sich in die schillernde Fee Viviane und errichtet ihr direkt ein Schloss aus Glas am See von Comper. Nur geladene Besucher von Viviane sollen es sehen können. Diese besondere Quelle hat aber noch viele andere Qualitäten, sie heilt Krankheiten, kann Regen hervorrufen und jungen Mädchen zu einem Ehemann verhelfen, man muss nur die richtige Formel kennen.
Der verzauberte Tourist kauft sich dort Schals, Mousepads, Kaffeetassen und Jutetaschen mit Merlin-Motiven und pilgert geheimnisvoll - manch einer sogar verkleidet mit Bart und Spitzhut - durch den Wald hin zu Merlins Grab.
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Der präraffaelitische Künstler Edward Coley Burne-Jones (1833-1898) malt um 1874 das Gemälde The Beguiling of Merlin (Die Bezauberung von Merlin). Und wie es sich für eine Merlin-Sage gehört, sind auch hier die Verkettungen nicht klar. Viviane oder Nimue tritt als Fusion der westlichen und griechischen Mythologie auf, sie ist die Hüterin der Quelle, aus der das Schwert Excalibur entsteht, sie wird Lancelots Ziehmutter, und sie ist es auch, die ihm den Ring gibt, der ihn vor magischen Kräften beschützen soll. Will Viviane ihn unter Zuhilfenahme von Merlins Zaubersprüchen aus den Dornen retten, oder ist sie gerade dabei, ihn in dieselben zu verbannen?
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The Beguiling of Merlin (Die Bezauberung von Merlin) von Edward Coley Burne-Jones | Bildquelle: Wikimedia
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Merlin, dem Burne-Jones ein Aussehen von Dante verleiht - schaut schmachtend zu seiner See-Lady auf, die fragend über ihre Schulter auf ihn blickt, um zu kontrollieren, ob der Zauberspruch, den sie gerade gelesen hat, auch wirkt. Am Ufer der Quelle wächst eine vereinzelte Pflanze, eine Schwertlilie. Im Jugendstil ein Symbol für Schönheit - die Iris steht aber auch für Sieg, Glauben, Treue, Kampf. Ist die Melusine eine Sterbliche, eine Beatrice, eine Jägerin wie Diana oder die griechischen Nereide Thetis? Oder ist sie sogar seine Lehrerin, und das große, aufgeschlagene, goldene Buch in ihren Händen gehört ihr. Burne-Jones legt sich nicht fest. Wirklich sichtbar sind die Dornen nicht, und Merlin scheint eher in sich selber gefangen zu sein. Nimues Kopfschmuck gleicht dem Schlangenkopf der Medusa, und auch die knorrigen Äste, ihr blaues Kleid oder Merlins Sandalen erinnern eher an eine blumengeschmückte Schlangengrube. Der Künstler klopft hier eindeutig an die Tür des bald aufkommenden Jugendstiles.
Burne-Jones malt das Bild als Auftragswerk eines Liverpooler Kunstsammlers. Das Modell ist sehr wahrscheinlich seine Muse und damalige Geliebte Maria Zambaco. Er lernt sie 1866 kennen und beginnt eine intensive, außereheliche Beziehung mit ihr. Sie wird seine Hexe, Zauberin und Verführerin, seine Viviane im Glasschloss. Diese Sinfonie in Blau-Gold hängt in der Livepooler Lady Lever Art Gallery und misst 186 x 111 cm.
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Christa Blenk - 24. Mai 2021 ID 12929
Die Präraffaeliten entstehen als Bündnis und als Reaktion auf die deutschen Nazarener in der Mitte des 19. Jahrhunderts - beeinflusst von den Italienern des Trecento und Quattrocento, Raffael und Botticelli. John Everett Millais und William Holman Hunt gründen zusammen mit den Brüdern Rossetti diese präraffaelitische Bruderschaft (The Pre-Raphaelite Brotherhood, PRB) 1848 im Haus von Millais' Eltern. Ähnlich dem sich in Auflösung befindenden Lukasbund der Nazarener haben auch sie ein Manifest mit festen Regeln und lehnen die akademische Malerei und den Individualismus ab. William Blake wird ihr Dichter, die Natur ihre Muse. Alle sollten nur mit PRB signieren. Edward Coley Burne-Jones gehört eher zur zweiten Generation dieser Bewegung und ist auch bekannt wegen seiner Glas- und Textilmalerei. Er stirbt 1898 in London.
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