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Werkbetrachtung

Madame Cézanne en rouge

von Paul Cézanne



Marie-Hortense Fiquet (1850-1922) oder Biquette, wie sie von den Künstlern genannt wird, bessert ihr karges Buchbindergehilfinnen-Gehalt mit einem Nebenjob als Modell auf. Mit 19 Jahren lernt sie 1870 den 30jährigen Paul Cézanne kennen. Leichtfertig und ein wenig frivol bringt sie genau die Eigenschaften mit, die ein Modell braucht: eine Lammesgeduld und eine unermüdliche Beharrlichkeit. 17 Jahre lebt sie mit Cézanne in wilder Ehe - eine Verbindung, die der Maler vor seinem Vater geheim halten muss. Als der gemeinsame Sohn Paul im Teenager-Alter ist, heiraten sie schließlich. Gut war ihre Beziehung zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Für Malerei interessiert sich Hortense nur, soweit sie als Modell mit ihr in Berührung kommt. Cezanne stört das nicht. Biquette bleibt immer Lieblingsmodell und Muse, und er malt sie über 40 Mal. Hortense im Gewächshaus, im Lehnstuhl, im roten Sessel, im blauen Sessel, im blauen Kleid und: Madame Cézanne en rouge (Madame Cézanne in rotem Kleid).



Madame Cézanne en rouge von Paul Cézanne | Bildquelle: Wikimedia


Alles, was man über Hortense weiß, bestätigt dieses Bild eher nicht.

Seriös, einfach, ruhig und teilnahmslos sitzt die junge Frau im verwaschenen rot-braunen Schalkragen-Hauskleid geduldig auf einem Stuhl ohne Armlehne. Der Gürtel aus dem gleichen Stoff ist locker verknotet. Sie wirkt ein wenig ärmlich und ungepflegt und blickt ins Leere. Eher Bäuerin als Frau, die sich gern mit Luxus und schönen Dingen umgibt und sich nach der Mode kleidet. Cézanne hat ihr mit dem Portrait nicht geschmeichelt, aber das war auch nicht seine Intention. Das Bild ist eine Studie in Rot, in dem sich die Farben in einer diskreten Eigendynamik verselbständigen und ein Spiel um Formen und Farben initiieren. Der Künstler war sehr stolz auf sein Rot. Er soll einmal zu Pissarro gesagt haben „Il n’y a que moi qui sache faire un rouge.“ (dt.: „Nur ich kann die Farbe Rot wirklich malen.“) Den Farbton ihrer in der Mitte gescheitelten Haare hat Cézanne sich aus den grau-braun-roten Nuancen der Falten im Kleid geholt. Ihre im Schoß liegenden Hände werden zu seiner Farbpalette. Er scheint darauf die fauvistischen Farben für die grau-blauen, unscheinbaren Blumen zusammen gemischt zu haben. Der Hintergrund greift schon auf einen späteren Monet zurück. Die Ecken und Kanten im Gesicht zitieren den Kubismus, den Picasso erst 15 Jahre später mit den Demoiselles d’Avignon bekannt machen wird. Kein Künstler hat die Erneuerung der Malerei so vorangetrieben wie Cézanne. Später wird Picasso die maskenhaft-gezackten Formen in seinen Frauenportraits zu Hochtouren auflaufen lassen. Cézanne macht Hortense hier zum Stillleben.

Es gibt noch weitere Portraits im roten Kleid, allerdings hat sie nicht immer Modell gesessen, das war auch gar nicht möglich, da Hortense ihre Parisaufenthalte mit Sohn Paul immer mehr ausdehnte, während Cezanne ab den 1880er Jahren immer längere Zeitabschnitte in der Provence verbringen wird. Das Verhältnis der Beiden hat darunter weiter gelitten. Cézanne hat Hortense komplett von seinem Testament ausgeschlossen und sein nicht kleines Vermögen ausschließlich seinem Sohn Paul vermacht.


Christa Blenk - 1. Juli 2020
ID 12329
Paul Cézanne (1839-1906) war mit dem gleichaltrigen Claude Monet permanent auf der Suche nach anderen Kunstformen. 1872 malt Monet das Bild Impression Soleil levant welches einer der bedeutendsten Bewegungen im 19. Jahrhundert den Namen geben wird. Cézanne hat sich nur kurz mit dem Impressionismus befasst. Ein Grund dafür war sicher auch die harsche Kritik an seinen Gemälden. Die Pariser war noch nicht bereit für seine Bilder. Ab 1877 stellt er nicht mehr mit den Impressionisten aus. Während Seurat und ein paar andere Maler kurz mit einem langweiligen Pointillismus auftrumpfen, geht Monet in Beobachtungsstudien des Lichtes und der Vergänglichkeit der Natur auf und landet irgendwann bei den Seerosenbildern. Cezanne hingegen investiert in das Beständige. Direkt vor seinem Atelierfenster in der Nähe von Aix-en-Provence verfällt er seinem Berg: Dem Mont Sainte Victoire. In seinen letzten Lebensjahren malt er ihn immer und immer wieder. Die letzte Version entsteht 1906 und konzentriert sich nur noch auf den Berg. Eine großartige Studie, vielleicht seine interessanteste.

Der einflussreichste und bedeutendste Wegbereiter der Kunst im 20. Jahrhundert Paul Cezanne stirbt 1907 in seiner Geburtsstadt Aix-en-Provence nach einer Lungenentzündung, die er sich beim Malen geholt hatte. Sein Wunsch „beim Malen zu sterben“ geht somit in Erfüllung.

Als Sohn eines Bankiers hatte er weniger als andere Maler mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Als sein Vater allerdings von der Verbindung zu Hortense erfuhr, kürzte er ihm direkt den monatlichen Wechsel. Für die Bilder von Cézanne, der bis 1895 relativ unbekannt war, werden heute Höchstsummen bezahlt. Das Bild Madame Cézanne in rotem Kleid entsteht 1890, misst 93,3 x 74 cm und hängt im Museu de Arte de Sao Paulo (Brasilien).


Link zum Bild von Paul Cézanne


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