Ludwig XIV. im Krönungsornat
von Hyacinthe Rigaud (1659-1743)
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Der Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638-1715) wurde mit vier Jahren zum König von Frankreich gekrönt. Bis zu seiner Volljährigkeit kümmerten sich seine Mutter, Anna von Österreich, und der Kardinal Mazarin um die Regierungsgeschäfte und orientierten sich dabei an Ideen des mächtigen Kardinal Richelieu. Zusammen legten sie den Grundstein für den Absolutismus (der Staat bin ich) und zementierten den Katholizismus in Frankreich. Konzentration der Verwaltung und der Geldmittel sowie Entmachtung des Adels waren Folgen davon. Ludwig XIV. war ein Perfektionist, der sein Leben lang an der Verbesserung der Inszenierung seiner Macht arbeitete; die Kunst hierbei war sein Werkzeug. Der Umbau des kleinen Jagdschlosses von Versailles in eines der prächtigsten Schlösser Europas war Teil seiner Selbst-Inszenierung. Eines des aussagekräftigsten Bilder in diesem Sinne ist das Hauptwerk des Hofmalers Hyacinthe Rigaud (1659-1743). Er malt 1701 im Auftrag des Königs den 63-jährigen Monarchen in einer beeindruckend theatralen Inszenierung. Versailles repräsentiert durch das Porträt Ludwig XIV. Im Krönungsornat wird zum Modell in Europa.
Das Bild ist geradezu mathematisch aufgebaut, jede Aussage berechnet, entsteht im Atelier und enthält alle Daten, die der König und seine Propagandaexperten verbreiten wollen.
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Ludwig XIV. im Krönungsornat von Hyacinthe Rigaud (1659-1743) Bildquelle: Wikipedia
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Der nicht mehr ganz junge Herrscher trägt Spitze, Samt, Seide und Pelz. Die Culotte ist nur angedeutet. Sein alterndes Gesicht unter der dunklen, langhaarigen Perücke ist weiß geschminkt. Die Mode dieser Zeit verlangt lange, toupierte Haare. Da dies die meisten Männer ab einem gewissen Alter nicht mehr bieten könnten, mutiert die Perücke zu einem Haupt-Accessoire. Rigaud lässt den Herrscher das überlebensgroße Bild beinahe ausfüllen, obwohl der Monarch nur mit Hilfe von “High Heels” stattlich daher kommt. Auf dem Porträt sind die zierlichen, femininen Schuhe mit rotem Absatz und kecken Schleifen sehr gut zu sehen und heben seine weißbestrumpften Beine noch hervor. Er ist der Staat! Dementsprechend von oben blickt er auf seine Welt herab. Das Zepter in dem ausgestreckten rechten Arm landet direkt neben der Krone auf einer Truhe rechts von ihm. Es bildet mit seinem Arm und seiner Haltung ein V für "Victoire" (Sieg). Genau in diesem V-Eck, am Sockel einer Säule, sitzt hell Justizia mit ihren Attributen Waage und Schwert. Hinter der Krone liegt ein zweiter Stab, der in einer Hand mit ausgestreckten Fingern endet. Diese zeigen auf etwas außerhalb des Gemäldes und evozieren die unendliche und allumfassende Macht von Ludwig. Der linke, angewinkelte Arm ist unter dem um ihn drapierten, aufwendigen Hermelinmantel nicht zu sehen. Das Schwert darunter umso mehr. Thron, Kissen und Mantel sind mit den Königslilien verziert. Über dieser Theaterszene bauscht sich ein roter, luxuriöser Samtvorhang, der halb die Säule umspielt. Links daneben Fragmente eines Tempels, nur leicht angedeutet. Denn der Roi Soleil, der Sonnenkönig, ist noch nicht soweit, er wird noch zehn Jahre regieren, bis er wie Herkules in den Götterhimmel aufsteigen wird. Dies wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Nachdem seine religiöse, österreichische Mutter nach vielen Fehlgeburten endlich Louis de Borbon zu Welt brachte, ein Gottesgeschenk sozusagen, verlieh man ihm den Beinamen Dieudonné (der Gottgegebene). So hat ihn der Künstler in weiser Voraussicht in der Position des Herkules dargestellt. Seit der Entdeckung im 16. Jahrhundert des Herkules Farnese wird die römische antike Skulptur gerne als Vorbild für Königsporträts zitiert.
Ludwig XIV. vermittelt gerne den Eindruck, in seiner Person die Lebensfreude der Borbonen, die Kunstliebe der Medici und das würdevolle, strenge Zeremoniell der Habsburger sowie den Mut von Herkules zu vereinen. Seine gesellschaftliche Stellung ist unantastbar, die Choreografie, an die sich auch der am Hof lebende Adel zu halten hat, ist perfekt, das Hofzeremoniell streng und minutiös durchgetaktet. Aber auch der König übt sich in Disziplin, arbeitet viel und wird nie müde, und wenn, dann zeigt er es nicht. Verbote und Pflichten stehen an erster Stelle - auch für ihn. Er zelebriert seinen Alltag in aller Öffentlichkeit vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Seine Untergebenen werden permanent über seine Taten auf dem Laufenden gehalten. Rigaud benutzt für sein Werk kräftige Farben, setzt meisterhaft Hell-Dunkel-Kontraste ein und modelliert geradezu den Luxus der Stoffe. Dass über allem ein Geruch schwebt, den nur viel Parfüm überdecken kann, sieht man im Gemälde nicht.
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Ludwig war charmant, klug, höflich, besaß eine großartige Menschenkenntnis und einen scharfen Verstand. Er war ein Egozentriker, liebte die Frauen, die Kunst und den Tanz und war mit Moliere und Lully befreundet. Die sechs Überlebenden seiner elf unehelichen Kinder hat er allesamt anerkannt und standesgemäß verheiratet.
Auch seine Nachfolger wussten sich zu inszenieren, aber erreichten nicht den Status des Sonnenkönigs, allerdings regierte auch selten ein König länger als er. Ludwig XV. und Ludwig XVI. haben sich jeweils von Van Loo und von Callet in ähnlicher Position malen lassen und natürlich Napoleon I. nach der Revolution. Das Gehabe um Ludwig XIV., die Ausschlachtung von allem was er tat und sagte, wird heutzutage von renommierten Werbeagenturen übernommen. Der Katalog des Machbaren ist unendlich.
Das Bild misst 277 x 194 cm, entsteht 1701 und hängt im Pariser Louvre (allerdings ist das Werk zur Zeit nicht zu sehen, da der Raum von Louis XIV gerade umgebaut wird).
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Christa Blenk – 8. Oktober 2024 ID 14957
Der Flame Anthonis van Dyck war der Lehrmeister von Hyacinthe Rigaud. Van Dyck hat seinerzeit Engländer Karl I. in einer ähnlichen Pose gemalt, allerdings entschieden bescheidener. Karl I. hat sich seinerzeit nicht als König verkleidet, sondern als Jäger. Rigaud war der Lieblingsmaler des Sonnenkönigs und Mitglied der Pariser Kunstakademie. Seine Karriere begann er als Porträtist des französischen Adels. Rigaud malte die europäische Monarchie, darunter den Spanier Philipp V. in ähnlicher Position, aber weniger aussagekräftig, da hat der Maler schon aufgepasst, seinem König nicht die Schau zu stehlen. Der Künstler funktionierte nach dem Prinzip der Fließbandproduktion. Seine Bilder verließen seine gut ausgestattete Werkstatt im Rekordtempo. Er legte den potenziellen Kunden einen Katalog vor, ließ seine Mitarbeiter ran und kümmerte sich selber vor allem um Gesicht und Hände. Eine Schar von Kopisten sorgte für die Verbreitung der Werke.
Der Maler Antoine Watteau hat ein paar Jahre nach dem Tod von Ludwig XIV eine Art künstlerische Gegenbewegung gestartet und als Maler der "fêtes galantes" auch dem Adel wieder eine Aufgabe gegeben und sei es nur die, sich sehnsüchtig zu amüsieren.
Wikipedia-Link zu: Ludwig XIV. im Krönungsornat
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